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Experimentierzirkel für Fachkräftenachwuchs

Revierwende lernend gestalten

In der mitteldeutschen Braunkohleregion ist die ökologische Transformation der Wirtschaft direkt greifbar. Ein unabhängiges Technikum mit modernen Vermittlungsmethoden soll vor allem jungen Leuten vor Ort den Einstieg in Zukunftsberufe erleichtern.

Icon Förderlinie Transformation
Förderlinie Transformation: Wir bringen wissenschaftliche Expertise und gute Praxis zusammen – betrieblich, regional, lösungsorientiert.

Das vorwiegend kleinstädtische Gebiet, das sich südlich an Leipzig anschließt, ist geprägt vom mitteldeutschen Braunkohlebergbau und der Energiewirtschaft. Auch die Chemieindustrie spielt hier seit Jahrzehnten eine bedeutende Rolle. Gegenwärtig ändert sich das wirtschaftliche Gesicht der Region drastisch. Neue Energien und Technologien – (grüner) Wasserstoff, synthetische Kraftstoffe, Solarenergie, chemisches Recycling – ziehen ein und stellen ein starkes Beschäftigungswachstum in Aussicht. Allein für die Herstellung „grüner Gase“ werden rund 1.800 neue Arbeitsplätze im Landkreis Leipzig erwartet.

Die MIBRAG und ihr Schwesterunternehmen, die LEAG, dominieren das Gebiet rund um den sächsischen Industriestandort Böhlen-Lippendorf mit ihrer bis Mitte 2030 andauernden Kohleförderung und -verstromung im dortigen Kohlekraftwerk. Auf einer freien Fläche neben dem Braunkohlekraftwerk Lippendorf will die LEAG ein wasserstofffähiges Gaskraftwerk bauen, damit die Stromerzeugung nun schrittweise auf Gas und schließlich auf Wasserstoff umgestellt werden kann. Die LEAG als Kraftwerksbetreiberin investiert bereits stark in die Wasserstofftechnologie, ein weiteres Energieunternehmen – HH2E – will in der Nähe (Thierbach/Kitzscher) ebenfalls (grünen) Wasserstoff produzieren. Der US-amerikanische Chemiekonzern Dow Chemical mit seiner Tochtergesellschaft Dow Olefinverbund GmbH, neben der LEAG ebenfalls zentraler Wirtschaftsplayer in Böhlen-Lippendorf, plant dort zusammen mit dem britischen Recyclingunternehmen Mura Technology den Bau von Europas größter Anlage für chemisches Recycling. Auf dem Gelände der Dow Olefinverbund GmbH soll außerdem ein Werk zur Herstellung von „grünem“ Kerosin entstehen. Nicht weit entfernt wird das Großforschungszentrum „Center for the Transformation of Chemistry (CTC)“ entstehen. In direkter Nachbarschaft zur Dow und LEAG wird aktuell ein riesiges Solarfeld errichtet, dessen Kapazität zu einem der größten in Europa ausgebaut werden soll. Und ebenfalls im Umfeld baut die Firma Skeleton ein Werk zum Bau von Superkondensatoren. Die Transformation der regionalen Wirtschaft ist damit dort in vollem Gange.

In diesem Wandel steht die Region vor riesigen Herausforderungen. Es geht vor allem darum, Wertschöpfung und Beschäftigung im südlichen Umfeld von Leipzig, speziell in Böhlen-Lippendorf, langfristig zu erhalten, wenn spätestens 2035 die Kohleförderung eingestellt wird. Das heißt konkret: Die bestehenden Unternehmen müssen zukunftsfähig weiterentwickelt, neue Betriebe angesiedelt und neue Beschäftigungspotenziale erschlossen werden. 

Dazu bedarf es einer hohen Akzeptanz in der regionalen Bevölkerung hinsichtlich des wirtschaftlichen Umbaus und des Einzugs der neuen Technologien. Außerdem wird ein hoher Bedarf an Fachkräften zu managen sein. Letzteres bedeutet nicht nur, mehr – und insbesondere junge – Menschen in der Region für die in Aussicht gestellten neuen Arbeitsplätze und entsprechenden Berufe zu gewinnen. Zugleich geht es darum, die bestehende Bildungslandschaft für Schüler*innen, Auszubildende und Beschäftigte attraktiver zu gestalten. Dazu gehört, die Bildungseinrichtungen mit modernen Lern- und Vermittlungsformen auszustatten, neue Aus- und Weiterbildungsgänge vor Ort zu etablieren und bestehende Berufsbilder zu aktualisieren und an den neuen Technologien auszurichten. 

Arbeitskreis „Zukunft der beruflichen Bildung“

Wissenschaftler, Schulleiter, Betriebsräte und Gewerkschafter*innen sowie Unternehmen aus dem sächsischen Teil des mitteldeutschen Braunkohlereviers diskutieren bereits seit einiger Zeit darüber, wie sie diese Herausforderungen gemeinsam anpacken und bewältigen können. Inzwischen haben sie sich zu einer Arbeitsgruppe „Zukunft der beruflichen Bildung“ zusammengefunden. Auch die IHK zu Leipzig und der Landrat des Landkreis Leipzig sind darin eingebunden. 

Aus dieser Gruppe heraus haben einige Akteur*innen Mitte 2023, koordiniert vom DGB Leipzig-Nordsachsen und dem hiesigen Revierwende-Büro, eine Initiative für eine neue unabhängige Bildungseinrichtung gestartet. Sie engagieren sich für ein „Technikum für Energie- und Stoffkreislauf“ als Ergänzung zu den bereits bestehenden Aus- und Weiterbildungsinstitutionen in der Region. Dieses soll im ersten Schritt insbesondere junge Leute ansprechen und diese auf interessante und anschauliche Art für die sich inhaltlich in Schwerpunkten verändernden Berufe und Ausbildungsgänge interessieren. Angedacht ist ferner, dass dieses Technikum perspektivisch auch Informationen für Bürger*innen und Weiterbildungsangebote für Beschäftigte anbietet. Die Transformation muss sich schließlich auch im Bildungsbereich abspielen. 

Für die Initiator*innen des Technikums ist vor allem wichtig, möglichst viele Menschen aus der Region zu erreichen. Daher möchten sie ihnen mit niedrigschwelligen Lernangeboten und modernen, praxisorientierten Vermittlungsmethoden den Zugang zu relevantem Transformationswissen und neuen berufs- und technikbezogenen Bildungsinhalten erleichtern. Eine beispielhafte Rolle sollen dabei Experimentierzirkel spielen.

Seit Mitte 2023 befasst sich im Landkreis Leipzig eine Arbeitsgruppe aus Gewerkschafter*innen, Betriebsrät*innen und Vertreter*innen aus ansässigen Unternehmen, Wissenschaftseinrichtungen und Schulen mit der Frage, wie sich angesichts des wirtschaftlichen Umbaus die örtliche berufliche Bildungslandschaft verändern müsste. Aus dieser Arbeitsgruppe heraus, in die auch die örtliche IHK und Kommunalpolitiker*innen bis hin zum Landrat eingebunden sind, entstand unter anderem die Idee für ein unabhängiges „Technikum Energie- und Stoffkreislauf“ der regionalen Wirtschaft zur Fachkräftesicherung. Es soll mit modernsten Präsentationsräumen und anschaulichen Versuchsmodellen ausgestattet und im mitteldeutschen Braunkohlerevier südlich von Leipzig angesiedelt werden. Hier sollen sich vor allem junge Leute – Schüler*innen und Berufsschüler*innen, aber auch Umschüler*innen in den umliegenden Unternehmen – über Zukunftsberufe informieren können, die immer stärker Einzug in die Region halten. Neben modernen Ausbildungsberufen wie Mechatroniker und Chemikanten zählen hierzu insbesondere „grüne“ Berufe in den Bereichen Kreislauf- und Abfallwirtschaft, chemisches Recyclen usw. Ferner gibt es Überlegungen, Weiterbildungsangebote zu unterbreiten – etwa für Beschäftigte in den sich stark entwickelnden Bereichen Wasserstoff, Windkraft, Photovoltaik und Kunststoffrecycling. 

Ein wichtiger Baustein für das Technikum sollen neueste Lerntechniken, insbesondere experimentelle Methoden zur Wissensvermittlung, sein. Ein Lernansatz stieß dabei besonders auf das Interesse der Arbeitsgruppe: Experimentierzirkel als niederschwelliger und praxisbezogener Lernansatz.

Im Rahmen ihrer Förderlinie Transformation unterstützte die Hans-Böckler-Stiftung von Herbst 2023 bis Frühjahr 2024 die Konzeptentwicklung eines beispielhaften Experimentierzirkels zum Thema „Energiekreislauf“ in Kooperation mit der Hochschule Merseburg als einen ersten Schritt zur Realisierung des Technikums. Dieses Modul befasst sich inhaltlich mit der Erzeugung insbesondere von erneuerbaren Energien (Photovoltaik, Windkraft, Biomasse), der Umwandlung sowie der Speicherung und Weiterverarbeitung von Energien (Wasserstoff, synthetische Fuels usw.) und versteht sich als Pilot. Das technisch-pädagogische Konzept sieht den beteiligungsorientierten Einsatz von Miniatur- und Versuchsaufbauten vor. Diese sollen die technischen Anlagen der den südsächsischen Teil des Mitteldeutschen Braunkohlereviers prägenden Unternehmen veranschaulichen und im Projekt erprobt werden.

„Erst haben wir uns nur gelegentlich, etwa am Rande von regionalen Veranstaltungen, über den Wandel in der Region ausgetauscht. Inzwischen treffen wir uns im Arbeitskreis regelmäßig“, berichtet der Rektor der Hochschule Merseburg, Prof. Dr.-Ing. Markus Krabbes. Von ihm vor allem stammt die Idee des Experimentierzirkels. 

Experimentelles Lernen im Technikum

Chemie und Technik anfassen und erproben, Verfahrens- und Umwelttechnik anhand von Anlagenmodellen und mit Hilfe modernster Präsentationstechnik begreif- und erfahrbar machen: Das ist für den Ingenieur zentrales Programm für das geplante Technikum. „Wir müssen die MINT-Fächer jungen Leuten auf attraktive Weise nahebringen und vor allem auch fachlich interessierten Jugendlichen ohne Studium oder Studienabbrechern eine Perspektive bieten“, so Krabbes. Aber der Professor möchte auch aufzeigen, wie sich in Zukunft verschiedene Technologien in der Praxis stärker verbinden, gemeinsam zur Anwendung kommen und so neue Denk- und Verfahrensweisen verlangen. „Das kann man beispielsweise an Experimenten oder auch am Modell der Brennstoffzelle und der LED-Technik vorführen. Von daher soll verständlich werden, dass durch diese Verschmelzungen völlig neue und sehr spannende Berufsbilder entstehen – beispielsweise bei der Herstellung von Wasserstoff oder im Bereich der Kreislaufwirtschaft. Wir wollen Neugier darauf wecken.“

Außerdem gibt es für ihn auch ganz naheliegende Überlegungen, die ihn auf die Idee dieses Bausteins eines Technikums gebracht haben. Als Rektor der Hochschule Merseburg ist ihm wichtig, diese mit ihrer Ausrichtung auf angewandte Chemie, Verfahrens- und Umwelttechnik zu erhalten und weiterzuentwickeln. Dazu bedarf es aus seiner Sicht intensiver Nachwuchsarbeit. Da insbesondere das Fach Chemie in vielen Schulen als schwer gilt und oft nur begrenzt experimentell angeboten wird, hatte sich seine Hochschule in den letzten Jahren für ein Schüler-Lernzentrum stark gemacht, an dem bereits moderne ingenieur-pädagogische Methoden sehr erfolgreich zum Einsatz kommen. Das Angebot richtet sich allerdings bislang auf Schülerjahrgänge im Hochschulumkreis aus dem Raum südliches Sachsen-Anhalt.

Mit dem Aufbau eines Technikums am Industriestandort Böhlen-Lippendorf in enger Kooperation mit der Hochschule Merseburg im Landkreis Leipzig könnte letztere nun ihren Wirkungsbereich ausdehnen. Das heißt: Die Hochschule könnte ihre Expertise sowohl in fachlicher Hinsicht – beispielsweise verfügt sie über acht Hochschulprofessuren im Bereich angewandter Chemie – als auch auf pädagogischem Gebiet – insbesondere ihr Know-how mit experimentellen Vermittlungsansätzen – in das geplante Technikum einbringen, um sich neue Tätigkeitsfelder im Bereich der beruflichen Bildung zu erschließen. Im Gegenzug könnten mehr junge Leute auf die Hochschule aufmerksam werden und den dortigen wissenschaftlichen Nachwuchs stabilisieren helfen. 

Nutzen für die gesamte Region

Auch für den Betriebsratsvorsitzenden der Dow Olefinverbund GmbH in Böhlen, Andreas Zielke, gibt es handfeste Gründe, sich für ein solches Technikum einzusetzen. Er hat unmittelbar miterlebt, wie schwer es war, an dem energiegeprägten Standort eine Berufsschulklasse für das Fach Chemie auf die Beine zu stellen, auch wenn die chemische Industrie mit Dow und anderen Firmen in Böhlen zunehmend an Bedeutung gewinnt. „Die nächste sächsische Berufsschulklasse Chemie war in Radebeul, also 120 Kilometer von Böhlen entfernt. Deshalb hatten wir immer weniger Schülerinnen und Schüler, die sich zur Ausbildung bei uns bewarben, um eine Ausbildung im Chemiebetrieb zu beginnen und danach dort zu arbeiten. Dabei wird chemisches Grundlagenwissen hier in der Region stärker und dringlicher denn je gebraucht. Man denke nur an die Herstellung von Wasserstoff, das Betreiben von Brennstoffzellen oder an chemisches Recycling“, sagt Zielke. Das Kompetenzgerangel insbesondere auf Landesebene auf den Gebieten Schule, Wissenschaft, Kultur und der Grundsatz, viele Ausbildungsberufe nur an einem Standort innerhalb des Landes anzubieten, hätten ein Übriges getan, um zu verhindern, dass am Standort Böhlen eine Chemieklasse eingerichtet werden konnte, obwohl der Bedarf da sei und weiter steigen werde. „Es war ein ziemlicher Kraftakt, bis wir schließlich für das Vorhaben, durch die Zusage per Handschlag mit dem Ministerpräsidenten des Freistaates Sachsen, Michael Kretschmer, grünes Licht erhielten. Wir hoffen jetzt, dass wir es bei unserem aktuellen Antrag auf eine Mechatroniker-Berufsschulklasse leichter haben werden.“ Seither lässt ihn – gerade auch mit Blick auf die Zukunftspotenziale der Region, die es zu entwickeln gilt – die Bildungspolitik nicht los. 

Die neue Chemie-Berufsschulklasse als Bestandteil des Berufsschulzentrums Leipziger Land in Böhlen war für ihn nur der Auftakt, um sich bildungspolitisch in dem Arbeitskreis „Zukunft der beruflichen Bildung“ zu engagieren. „Inzwischen denken wir weiter: Betriebliche und schulische Ausbildungsstätten für neue Berufsbilder sind gut und schön, um junge Nachwuchskräfte heranzuziehen. Aber wir wollen ja den ganzen Standort weiterentwickeln. Deshalb müssen wir uns auch auf völlig neue Wirtschaftsfelder einstellen, die wir uns jetzt noch nicht vorstellen können. Wir brauchen daher eine technologieoffene und von den großen Unternehmen unabhängige Bildungseinrichtung. Sie soll der Region neue Perspektiven eröffnen, sich aber auch um die Fachkräfte hier am Ort kümmern, damit sie hier in der Region verbleiben. So sind wir auf das Technikum gekommen.“

Das Technikum ist ihm auch deshalb wichtig, weil es für ihn eine zentrale Brücke darstellt, um aktuelles Fachwissen aus den beiden Wirtschaftsgebieten Energie und Chemie aufeinander zu beziehen und einem großen Adressatenkreis zur Verfügung zu stellen. „Durch die hier ansässigen großen Player LEAG und Dow Olefinverbund existiert bereits ein Nebeneinander dieser beiden Bereiche in der Region. Für die Zukunft aber sehen wir vor allem in der stärkeren Verknüpfung von Energie und Chemie die größte Chance für die Region. Da sind wir schon jetzt gefordert und nicht erst, wenn die Kohleförderung ausgelaufen ist.“ 

Jens Littmann, Betriebsratsvorsitzender bei der LEAG, die in Lippendorf seit 2000 das Kraftwerk betreibt, sieht dies ebenso. Er war ebenfalls einer der Wegbereiter der Berufsschulklasse Chemie. Er sorgte vor allem mit dafür, dass diese im Ausbildungszentrum des Kraftwerks angesiedelt wurde. Dieses war konzipiert worden, um nicht nur für die LEAG, sondern auch für den regionalen Arbeitskräftemarkt auszubilden. Der Bedarf an gewerblich-technischen Ausbildungsplätzen war aber seit Mitte der 2010er-Jahre leicht rückläufig. Auch wurde von Seiten der LEAG entschieden, keine Drittausbildung mehr durchzuführen und selbst nur noch bedarfsgerecht auszubilden. Damit war das Ausbildungszentrum nur zum Teil ausgelastet und konnte anderen Bildungsträgern – wie eben der Berufsschule Leipziger Land mit der Berufsschulklasse Chemie oder einigen Servicepartnern der LEAG – seine Kapazitäten zur Verfügung stellen. 

„Wir stellten aber schon bald fest“, so Littmann, „dass auch diese Auslastung langfristig nicht gesichert war. Es ist ein Problem, dass in den allgemeinbildenden und selbst in den Berufsschulen noch immer viel zu wenig getan wird, um Schüler*innen für technische beziehungsweise MINT-Berufe zu begeistern.“ Viele junge Leute hätten kein Interesse daran oder brächen vorzeitig die Ausbildung ab. Auch dies ist für den Betriebsratsvorsitzenden ein wichtiger Grund, sich für das Technikum einzusetzen: „Wir wollen mit neuen und spannenden Lern- und Vermittlungskonzepten zeigen, dass Technik, Elektronik, Energieerzeugung und Chemie Spaß machen können. Denn wir glauben fest daran, dass wir auf diese Weise viele junge Leute erreichen und ihnen eine Fachkräfteausbildung auf diesen Gebieten schmackhaft machen können.“

Persönliches Engagement und gute Organisation

Es sind durchweg erfahrene Akteur*innen, die in dem Arbeitskreis „Zukunft der beruflichen Bildung“ regelmäßig zusammenkommen, um unter anderem das Technikum im Landkreis Leipzig voranzubringen. Die beiden Betriebsräte sind gleichzeitig in ihrer Kommune ehrenamtlich tätig – der eine als Gemeinde- der andere als Stadtrat –, beide sind auch gewerkschaftlich aktiv und nutzen ihre Netzwerke für ihre Pläne. Dennoch: Ohne die organisatorische Unterstützung durch die IGBCE und den DGB Leipzig-Nordsachsen sowie durch das Revierwende-Büro des DGB in Pegau, wäre das Vorhaben kaum vorangekommen. „Dafür braucht es eben organisatorischen Kitt“, sagt Andreas Zielke. 

„Wir unterstützen die Akteur*innen in dieser Region, die – wie die meisten aus dem Arbeitskreis – schon lange hier arbeiten und wohnen und daher ziemlich genau wissen, was auf sie zukommt und was zu tun ist“, sagt Daniel Menning vom DGB-Revierwende-Büro in Pegau. „Wir organisieren Termine und versuchen, Prozesse zusammenzuhalten, schreiben Sitzungsprotokolle, haken nach. Aber die Ideen für das, was hier vor Ort passieren muss, kommt von den regionalen Akteur*innen, die über ihren Arbeitsalltag hinaus hier aktiv sind.“ Der Arbeitskreis habe bereits einige wichtige Erfolge vorzuweisen. „Die LEAG, die 2022 entschieden hat, das Ausbildungszentrum zu erhalten, hat sich für die weitere Verbundausbildung geöffnet. Außerdem läuft aktuell ein Antrag des Landkreises beim Kultusministerium, eine Sonderklasse für Mechatronik am Berufsschulzentrum Leipziger Land einzurichten. Parallel konnten die notwendigen Lehrkräfte in der Region gewonnen werden“, ergänzt Menning.

Auch Workshops hat das Revierwende-Büro für den Arbeitskreis bereits organisiert. Dabei standen nicht nur das Thema berufliche Bildung auf der Tagesordnung, es wurden auch strukturpolitische Zukunftsentwicklungen thematisiert. Die nächsten geplanten Schritte sind: die Öffentlichkeit stärker mit ins Boot nehmen; das geplante Technikum im Rahmen der Summer School des Berufsschulzentrums thematisieren; aber vor allem: eine Trägerstruktur für das Technikum finden.

„Macher“ gesucht

„Wir sind auf unserem Weg zum Technikum schon ein gutes Stück vorangekommen und haben wichtige Vorleistungen erbracht“, berichtet Menning. „Wir haben ein tolles Konzept, engagierte und ideenreiche Akteur*innen. Wir sind im Arbeitskreis wirksam vernetzt, haben Kontakte zu Betriebsleitern, in die Politik, Wissenschaft und Schullandschaft hinein. Wir haben bereits Räumlichkeiten, die gut erreichbar sind, ins Auge gefasst und uns mit den erforderlichen Rahmenbedingungen für ein solches Projekt befasst. Die Voraussetzungen für das Technikum sind geschaffen. Was wir aber jetzt am dringlichsten brauchen, sind Macher, die den Mut haben, hier in der Region das Vorhaben zu realisieren.“ 

Die Vorstellung von einem unabhängigen Technikum, das nicht direkt an ein einzelnes Unternehmen angebunden ist, sondern vom Land, den Bürger*innen in der Region, verschiedenen Unternehmen und der Wissenschaft mitgetragen wird, um offen zu sein für künftige wirtschaftliche Entwicklungen und Bildungsbedarfe, verlangt nach einer Trägerstruktur, in der sich wirtschaftliche, wissenschaftliche und Landesinteressen verbinden. Eine Art Joint Venture, wie Professor Krabbes meint. Dazu bedarf es jedoch einer klaren Positionierung des Landrats und des sächsischen Wirtschaftsministeriums, den Standort Böhlen-Lippendorf mit seiner einzigartigen Verbindung von großen und kleinen Playern in den Bereichen Energiewirtschaft und Chemie zu erhalten, auszubauen und zukunftsfähig weiterzuentwickeln, um insbesondere der dortigen Jugend nachhaltige Beschäftigungsperspektiven bieten zu können. Die regionalen Akteur*innen – vieles deutet darauf hin – werden ihre Kontakte zur Politik nutzen, um den Landesvertreter*innen ein deutliches Bekenntnis zum Aus- und Umbau des Industriestandorts abzuringen einschließlich ihrer Bereitschaft, hierfür auch Verantwortung zu übernehmen. Dazu zählt, das geplante Technikum von Seiten des Landes mitzutragen, finanziell zu fördern und ideell weiter auszugestalten. 

Ansprechpersonen des Projektes

Projektleiter:
Prof. Dr.-Ing. Markus Krabbes
Daniel Menning
Andreas Zielke
Jens Littmann

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Förderlinie Transformation

Digitale Transformation, Klimawandel, Energiekosten - Es gibt viele Treiber von Transformationsprozessen. Folgen für die Arbeitswelt sind u.a. ein hoher Veränderungsdruck auf allen Seiten, in Betrieben, Branchen und Regionen. Im Zentrum der neuen Förderlinie Transformation steht daher: Wir entwickeln sehr konkrete Projekte gemeinsam mit Praxispartner*innen und etablieren eine schnelle Entscheidungsfindung über die Förderung. Wir bringen konkrete aktuelle Herausforderungen in der Praxis von Betriebs- und Personalräten mitbestimmter Unternehmen und Organisationen mit wissenschaftlicher Expertise zusammen – betrieblich, regional, lösungsorientiert.