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Die Hans-Böckler-Stiftung als Kompetenzzentrum

Zeiten des Umbruchs sind immer auch Zeiten für Neues. Um Chancen zu nutzen, muss man sich aber bewegen, bevor der Beton hart wird. Wirtschaft muss durch Demokratie und Sozialstaat eingebunden werden und bleiben, damit Gesellschaft funktioniert. Das kann Mitbestimmung leisten. Zuverlässig hat sie in der Vergangenheit für den Ausgleich zwischen sozialen und wirtschaftlichen Interessen im Aufbruch gesorgt. Sie war und ist das demokratische Gestaltungsprinzip der sozialen Marktwirtschaft; in Zeiten des gesellschaftlichen Neuaufbruchs nach dem 1. Weltkrieg, in Zeiten des Wiederaufbaus von Demokratie und sozialer Marktwirtschaft nach der Gleichsetzung von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft durch das Nazi­-Regime, in Zeiten nach dem Mauerfall – und jetzt wieder in Zeiten von Transformation und Just Transition als Herausforderung durch Klimawandel?

Den Wandel bewältigen und gestalten kann nur eine aktive Zivilgesellschaft. Gewerkschaften übernehmen Verantwortung und zeigen, dass Tarifautonomie, Sozialpartnerschaft und Mitbestimmung intakt sind. Ohne dem hätten die vielen betrieblichen und tarifvertraglichen Arrangements im abrupten wirtschaftlichen Stillstand durch die Covid 19 Seuche Arbeitnehmer nicht im Spiel halten können. Nur starke Gewerkschaften haben solche kurzfristigen Lösungen wirksam werden lassen. Das ist auch ein wichtiges Zeichen für die Zeit danach. Denn Erwerbsarbeit als Einkommensquelle wird in absehbarer Zukunft Merkmal unserer Gesellschaft bleiben.

Die Hans-­Böckler-Stiftung ist mit ihrer bereits 1954 gegründeten Hans-­Böckler­-Gesellschaft als Vorläuferorganisation heute der Wissensspeicher, die Gestalterin und Erzeugerin von „Handlungs- und Orientierungswissen“ der Mitbestimmung geworden. Mitbestimmung bildet die unverwechselbare Klammer für praktische Qualifizierung und Beratung für Aufsichts- und Betriebsräte sowie Arbeitsdirektoren in Unternehmensvorständen, Nachwuchsförderung durch gewerkschaftliche Studienförderung sowie sozial- und wirtschaftswissenschaftliche Spitzenforschung und Forschungsförderung. Dabei verfolgt die Hans­-Böckler­-Stiftung das Ziel, vorhandenes Wissen an die praktischen Fragestellungen der Mitbestimmung anzukoppeln und daraus neuartiges Wissen, neuartige Methoden für Qualifizierung, Beratung und Wissensvermittlung entstehen zu lassen. Nicht die instrumentelle Indienstnahme von Wissen, sondern die kritische Auseinandersetzung im ergebnisoffenen Prozess ist das leitende Prinzip für die Arbeit der Hans-Böckler-Stiftung.

Mitbestimmung ist ein Zukunftsthema. Die Hans­-Böckler­-Stiftung hat es zu einem ihrer vier Leitthemen gemacht mit „Arbeit der Zukunft“, Soziales Europa“ und „Gerechte Globalisierung“.

Praktisch relevant wird Mitbestimmung der Zukunft z.B. beim „Green Deal“ in Europa: Um in rund 30 Jahren Europa zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen, wie ihn sich die gegenwärtige EU-­Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorstellt, kann er nicht einfach wie in einem „Business Case“ von oben nach unten angeordnet werden. Soll das Ziel erreicht werden, muss ein gesellschaftlicher Gestaltungsprozess für eine aktive Bürgergesellschaft ausgelöst und mit langem Atem organisiert werden. Der „Green Deal“ muss soziale Errungenschaften verteidigen und neue in Aussicht stellen. Von Veränderung betroffene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer brauchen neue und existenzsichernde Perspektiven, z.B. für Berufseinstieg, gegen Arbeitslosigkeit und für Alterssicherung. Ohne dies kann der „Green Deal“ kein zivilgesellschaftlicher Erfolg werden. Verbindliche und real wirksame Beteiligung an der Umgestaltung stellen die Voraussetzung für das Gelingen des Mega-­Prozesses dar, der nun vor uns liegt. Mitbestimmung kennen wir in Deutschland als funktionierendes gesellschaftliches und demokratisches Gestaltungsprinzip. In Europa findet man dafür viele funktionale Äquivalente. Sie laufen nach anderen Regeln, aber nach demselben Prinzip: Probleme dort anpacken, sozialen Ausgleich auf demokratische Weise da suchen, wo es gefragt ist. Und: betroffenen Menschen Handlungsperspektiven in die Hand geben, um mitzugestalten.

Wann, wenn nicht jetzt und in einer solchen Umbruchsituation, soll die Stunde von Mitbestimmung – erneut – schlagen?

Die Beiträge in diesem Mitbestimmungsreport geben Auskunft über das Wissen der Hans-Böckler­-Stiftung zu den thematischen Verbindungen, über die Leistungsfähigkeit von Mitbestimmung, aber auch über die Herausforderungen an sie. Insbesondere müssen die rechtlichen Grundlagen für die Mitbestimmung auf allen Handlungsebenen gesichert, fortentwickelt und erweitert werden – und das national wie europäisch und global.

Die Hans­-Böckler­-Stiftung lädt mit diesem Report ein, das „Kompetenzzentrum Mitbestimmung“ als Plattform zu nutzen für spannende Diskussionen, Austausch über wegweisende Gestaltungspraxen und innovative Anregungen für die Forschung.