Transformation und Mitbestimmung
Künstliche Intelligenz als Herausforderung für die Mitbestimmung
In die Arbeitswelt halten Systeme Einzug, die mit „künstlicher Intelligenz“ (KI) arbeiten. Betriebsräte können Einfluss darauf nehmen, wie der Einsatz dieser KI in der Arbeitswelt gestaltet wird. Doch es gibt weiteren Regelungsbedarf.
Die Idee, dass Dinge menschliche Eigenschaften, insbesondere eine Form von Intelligenz, entwickeln, hat schon lange die Phantasie von Literaten, Filmemachern, aber auch von Wissenschaftlern beflügelt. Schon die Legende vom Golem aus dem 16. Jahrhundert kann als Parabel über Künstliche Intelligenz angesehen werden: Ein Rabbi soll ein Stück Lehm zu Leben erweckt haben, um den jüdischen Bewohnern Prags zu helfen. Auch Goethes Zauberlehrling behandelt die Problematik, dass eine künstlich geschaffene Intelligenz nicht kontrollierbar ist. Später haben sich Filme wie Stanley Kubricks „2001: Odyssee im Weltraum“ der Materie angenommen.
Heute erleben wir, wie aus der Zukunftsvision künstlicher Intelligenz Realität wird. KI-Systeme komponieren Symphonien, übersetzen in fremde Sprachen und erkennen Krebserkrankungen. KI wird als Schlüsseltechnologie für den digitalen Kapitalismus identifiziert. Regierungen legen Förderprogramme von mehreren Milliarden Euro zur Weiterentwicklung von KI auf.
Wie bereits in den Klassikern der Literatur beschrieben, birgt Künstliche Intelligenz in der Arbeitswelt Chancen und Gefahren für die Interessen der Beschäftigten. Die Entwicklung zwischen den Polen der Utopie einer Arbeitswelt, in der Maschinen ungeliebte Arbeiten übernehmen, und der Dystopie von allgegenwärtiger Leistungsüberwachung und Kontrollverlust ist offen. Um das Pendel nicht in die letztgenannte Richtung ausschlagen zu lassen und den humanen Einsatz von KI-Systemen voranzutreiben, braucht es beim Einsatz von KI im Betrieb die Mitbestimmung der Beschäftigten.
In diesem Beitrag ...
... geht es um die juristischen Aspekte des Einsatzes von KI-gestützten Anwendungen im Betrieb. Bei der HansBöcklerStiftung befassen sich mehrere Forschungsprojekte mit den betriebspraktischen Implikationen von KI-Anwendungen. Diese werden im Rahmen der Forschungsförderungen durch den Forschungsverbund Digitalisierung, Mitbestimmung, gute Arbeit gebündelt. Das I.M.U. wertet bestehende Betriebsvereinbarungen aus und erläutert Praxisbeispiele (vgl. dieser Beitrag).
Begrifflichkeiten
Der Begriff der Künstlichen Intelligenz ist nicht abschließend definiert. Es handelt sich, kurz formuliert, um Informatikanwendungen, bei denen Maschinen menschenähnliches intelligentes Verhalten nachbilden. Hierfür werden große Datenmengen (Big Data) ausgewertet. Unterschieden wird „schwache KI“, die Problemlösungswissen in computergerechte Modelle und Regeln übersetzen (Sprach- und Zeichenerkennung, Navigationssysteme). Selbstlernende Systeme („starke KI“) hingegen erkennen in Datenbeständen Muster und Korrelationen, um aus ihnen neue Ergebnisse abzuleiten. Beispiele sind maschinelles Lernen und „Deep Learning“, bei dem Computersysteme ihre Fähigkeiten durch die Verknüpfung von neuen mit alten Daten stetig verbessern und so in der Lage sind, auch komplexe Probleme zu lösen.
Rechtspolitische und ethische Fragen
Ist die Betriebsverfassung für die digitalisierte Arbeitswelt gerüstet? Die Frage wird kontrovers diskutiert. Zu konstatieren ist, dass der Betrieb als gemeinsamer Arbeitsort im Zuge der Digitalisierung an Bedeutung verliert. Dass die Zahl der mitbestimmten Betriebe langsam, aber kontinuierlich sinkt, dürfte auch damit zusammenhängen. Erforderlich sind daher Vereinfachungen bei der Wahl von Betriebsräten und passende Handlungsmöglichkeiten des Betriebsrats für die digitalisierte Arbeitswelt.
Verschiedene Vorschläge sind darauf gerichtet, die schon bestehende Rechtslage ins BetrVG aufzunehmen. Es ist jedoch überflüssig, in § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG aufzunehmen, dass sich die Betriebsparteien auf die Berufung eines Sachverständigen einigen können. Das ist bereits jetzt möglich. Nötig wäre es vielmehr, dem Betriebsrat das Recht zu geben, falls erforderlich ohne Zustimmung des Arbeitgebers einen Sachverständigen zu berufen. Denn bis ein Gerichtsverfahren geführt ist, um die fehlende Zustimmung des Arbeitgebers zu ersetzen, hat sich die Angelegenheit meist schon lange erledigt. Auch der Vorschlag, zur Vereinfachung der Mitbestimmung Software durch ein sozialpartnerschaftliches Gremium zu zertifizieren, sollte geprüft werden. Im deutschen Recht sollte zudem klargestellt werden, dass KI-Anwendungen Arbeitgeberentscheidungen lediglich vorbereiten, nicht aber treffen dürfen. Darüber hinaus: Es bedarf eines Mitbestimmungsrechts für die Beschäftigungssicherung und Betriebsräte sollten generell für die Einführung beruflicher Weiterbildung und für Maßnahmen zum betrieblichen Datenschutz initiativ werden können. Aufgrund von Arbeitsverdichtung und -entgrenzung sollte der Betriebsrat zudem ein Mitbestimmungsrecht für die Personalbemessung und Arbeitsorganisation erhalten.
Die gesellschaftliche Debatte über ethische Fragen der Künstlichen Intelligenz ist im Sinne einer menschenzentrierten Gestaltung der Zukunft überfällig. Algorithmen bei KI-Systemen müssen verlässlich, transparent, nachvollziehbar und erklärbar sein. Diese Anforderungen müssen – ebenso wie die Anforderungen der Beschäftigten und ihrer Vertretungen – bereits bei der Programmierung berücksichtigt werden und darüber hinaus rechtsverbindlich sein. Dies gilt ebenso für den zwingenden Ausschluss von Anwendungen, die zu stark in Persönlichkeitsrechte eingreifen („rote Linien“). Auch eine Art hippokratischer Eid für Programmiererinnen und Programmierer würde dazu beitragen, die positiven Potentiale Künstlicher Intelligenz zur Geltung zu bringen und die damit verbundenen Gefahren zu vermeiden.

Perspektiven
Mitbestimmung der Zukunft
Was sind aktuelle Fragen für die Mitbestimmung? Wo liegen Herausforderungen? Wir geben Antworten aus unserer Arbeit und zeigen, was Mitbestimmung leisten kann.