Hauptinhaltsbereich

Continental AG

Umweltschutzobleute: Sensibilisieren für Umweltschutz

Das "Conti-LifeCycle-Konzept" ist Teil der Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens. Der Betriebsrat hat sich für den Einsatz von Umweltschutzobleuten im Betrieb stark gemacht, um die Belegschaft für Fragen des Umweltschutzes zu sensibilisieren.

Portrait Nachhaltigkeit

Mit Regenmänteln, Thermosflaschen, Fahrrad- und Kutschenreifen startete Continental 1871 seine Produktion. Heute, nach 150 Jahren, zählt das Unternehmen global zu den größten Zulieferbetrieben für die Mobilitätsindustrie und ist eines der bedeutendsten internationalen Technologieunternehmen mit einer breiten Produktionspalette, insbesondere im Bereich Spezialreifen. Mit digitalen Lösungen für das Reifenmonitoring, bei dem Flottenmanager beispielsweise den Reifendruck und die Reifentemperatur über eine zentrale Telematikeinheit in Echtzeit via Cloud überprüfen können, wappnet sich Continental für die Zukunft. Aber auch das Thema Nachhaltigkeit spielt eine bedeutende Rolle im Unternehmen. Neue Maßstäbe setzt in dieser Hinsicht das Continental-LifeCycle-Werk in Hannover-Stöcken.

Das Werk stand noch vor wenigen Jahren vor dem Aus, nachdem 2006 zunächst, trotz bestehender Rentabilität, die Pkw- und drei Jahre später (2009) die Lkw-Reifenproduktion eingestellt und dadurch insgesamt rund 1.200 Arbeitsplätze abgebaut wurden. Erst 2013 zog in die nahezu leerstehenden Werkshallen wieder Leben ein, nachdem sich Conti 2010 entschieden hatte, die Runderneuerung von Lkw- und Bus-Reifen wieder aufzunehmen, die das Unternehmen in den 1990er-Jahren abgestoßen und unter anderem an den Reifenhersteller Vergölst abgetreten hatte.

Der Standort Stöcken wurde seit 2013 nach und nach zu einem integrierten Werk für Heiß- und Kaltrunderneuerung für dieses Reifensegment mit einer eigens entwickelten Gummirecycling-Anlage ausgebaut. Es nimmt heute mit seiner Conti-LifeCycle-Strategie in puncto Nachhaltigkeit im Industriemaßstab eine Vorreiterrolle ein. Dahinter steckt die Idee, einem abgefahrenen Reifen ein zweites oder gar drittes Leben zu schenken und Gummi aus Altreifen als Rohstoff direkt wieder in den Produktionszyklus von neuen oder runderneuerten Reifen einfließen zu lassen.

Bei dem Conti-LifeCycle-Konzept durchlaufen die angelieferten Continental-Karkassen zunächst eine umfangreiche und standardisierte Qualitätsprüfung. Danach wird die komplette Lauffläche abgezogen und anschließend in der Vulkanisation mit einer neuen Decke aus Gummi und neuem Profil versehen. Dabei werden die gleichen Materialien verwendet wie in der Neuproduktion, um eine hohe Qualität der Reifen sicherzustellen.

Hierbei verfolgt Continental das Ziel, klima- und umweltschädliche Materialien kontinuierlich zu reduzieren. Dazu gehört, dass Materialien wie etwa das Gummi, das beim Abziehen der Reifen anfällt, geschreddert und recycelt sowie als Rohstoff den Gummibeschichtungen wieder zugeführt wird.

Auch die Gummimischungen stehen immer wieder auf dem Prüfstand und werden ständig optimiert, um die ökologische Belastung etwa durch den Reifenabrieb, der ins Grundwasser, in Flüsse und Seen gelangt, zu mindern.

Perspektivisch will das Unternehmen in der kompletten Produktion auf fossile Rohstoffe wie Erdöl weitgehend verzichten. Außerdem arbeitet Conti daran, die Abwärme, beispielsweise aus der Vulkanisation, in andere Bereiche zu leiten und so dem Produktionsprozess wieder zuzuführen.

Aktuell unterstützt das Unternehmen zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und angewandte Ökologie (IME), dem Julius-Kühn-Institut und dem Pflanzenzüchter Aeskulap GmbH ein Forschungsprojekt, um den Einsatz von Löwenzahn (aus dem Kaukasus) für die industrielle Nutzung zu prüfen und damit den Bedarf an – vorwiegend aus den Tropen kommendem – Naturkautschuk erheblich zu senken. Erste Versuchsreifen sind im Einsatz. Continental wurde dafür 2014 mit dem GreenTec-Award ausgezeichnet. Da ein Reifen rund 70 bis 80 Kilo wiegt und der Anteil an Naturkautschuk heute zwischen 30 und 40 Prozent liegt, spart das Unternehmen durch die Verwendung dieses neuartigen Rohstoffs lange Transportwege – und damit erhebliche Mengen an CO2 – und hilft auf diese Weise gleichzeitig, die Biodiversität zu verbessern.

Beschäftigte beteiligen

Der Betriebsrat hat den Ausbau des Standorts Stöcken zum neuen Conti-LifeCycle-Werk von Anfang an unterstützt. Der Betriebsrat sah darin die große Chance, dass viele Ehemalige bei Conti wieder einen Arbeitsplatz finden konnten. Hier vor Ort war noch viel Fachwissen vorhanden, weil die meisten Mitarbeiter aus der ehemaligen Pkw- und Lkw-Reifenproduktion im näheren Umkreis von Hannover geblieben sind.

Auch das Thema Nachhaltigkeit trug der Betriebsrat von Beginn an mit. Inzwischen versorgt ein Blockheizkraftwerk den Standort mit Strom. Durch eine entsprechende Infrastruktur kann die Abwärme, die vor allem in der Vulkanisation entsteht, gerade in den Wintermonaten in andere Bereiche geleitet werden. Umgekehrt sorgen Kühlungssysteme dafür, dass gerade dort, wo es im Sommer besonders heiß ist, die Hitze nicht allzu belastend wird.

Gerade in der Vulkanisation kann es im Sommer richtig heiß werden. Den Bereich ständig auf zwanzig oder fünfundzwanzig Grad herunterzukühlen, ist bisher nicht möglich. Aber Betriebsräte und der Arbeitssicherheitsausschuss achten sehr genau darauf, dass bei großer Hitze mehr Pausen gemacht und die Mitarbeiter ständig mit Wasser versorgt werden. Ebenfalls drängen sie darauf, den Beschäftigten mehr Rotation an den heißen Arbeitsplätzen anzubieten, um die Belastungen auf mehr Kolleginnen und Kollegen zu verteilen und jeden Einzelnen dadurch besser gesundheitlich schützen zu können.

Den Hitzezuschlag, den es früher gab, hat das Unternehmen mit Zustimmung des Betriebsrats abgeschafft. Die Beschäftigten sollen für Gesundheitsrisiken nicht bezahlt werden. Stattdessen wirkt der Betriebsrat dabei mit, betroffenen Beschäftigten bei starker Hitze mehr Kurzpausen zu ermöglichen und Leistung aus den Prozessen herauszunehmen. Das sei schon deshalb wichtig, weil der Altersdurchschnitt in der Belegschaft relativ hoch ist.

Gebäudeschutz und -sanierung sind ebenfalls Themen, die im Betriebsrat immer wieder besprochen werden. Das Problem sind ältere Gebäude, die den heutigen Anforderungen an Dämmung und Wärmeschutz nicht mehr gerecht werden. Einzelne Gebäudedächer sind inzwischen mit Solarpaneelen versehen. Aber insgesamt gibt es einen Investitionsstau in diesem Handlungsfeld, auf den die Betriebsräte nur wenig Einfluss haben.

Leitbild Nachhaltigkeit

Die eigentlichen Treiber der Nachhaltigkeitsstrategie bei Conti sind die Umweltabteilung in engem Kontakt mit dem Bereich Forschung und Entwicklung sowie die Umweltausschüsse des Unternehmens auf zentraler Ebene und an den einzelnen Standorten. Im Umweltausschuss auf Unternehmensebene ist der Gesamtbetriebsrat und auf der Ebene der Standorte sind die Vor-Ort-Betriebsräte jeweils eingebunden.

Geregelt wurde dies in der Gesamtbetriebsvereinbarung Umweltschutz, die im Februar 2000 in Kraft trat. Darin bekennt sich Continental zum Leitbild nachhaltiger Entwicklung (Sustainable Development). An seiner Umsetzung sollen die Belegschaften und deren Vertreter „zur Verbesserung der betrieblichen Umweltqualität (Arbeitsbedingungen, Produktionsweise, Produkte)“ an betrieblichen Entscheidungen „beratend beteiligt“ werden.

Die Vereinbarung legt die Aufgabe der Umweltausschüsse, deren Zusammensetzung und die Themen, mit denen sie sich vornehmlich befassen sollten, fest. Und sie regelt ferner, dass die Unternehmensleitung beziehungsweise Geschäfts- und Werksleitungen die Aus- und Weiterbildung der Mitglieder der Umweltausschüsse unterstützen und sie dafür unter Fortzahlung ihres Entgelts freistellen.

Hohen Wert legt der Betriebsrat darauf, dass Arbeitssicherheit und betrieblicher Umweltschutz bei Conti gleichgestellt sind. Deshalb unterstützt er die Entscheidung des Unternehmens, neben den vom Arbeitssicherheitsgesetz verlangten Fachkräften für Arbeitssicherheit auch Umweltfachkräfte – sogenannte Umweltschutzobleute – aus der Belegschaft zu rekrutieren. Zusammen mit der Stiftung Arbeit und Umwelt der IG BCE erarbeitete der Gesamtbetriebsrat 2000 auf Basis einer Ergänzung zur Gesamtbetriebsvereinbarung Umweltschutz ein Seminarkonzept, das bislang zahlreiche Kolleginnen und Kollegen durchlaufen haben.

Bei dem 2019 gemeinsam mit der Unternehmensberatung Evoco GmbH überarbeiteten Konzept zur Ausbildung von betrieblichen Umweltschutzobleuten steht im Mittelpunkt, ihnen ihre spezifischen Aufgaben und die Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens sowie Standards des Umweltschutzes bei Conti zu vermitteln. Aber es geht auch um ganz praktische Fragen der Kommunikation und des Umgangs mit Gesprächssituationen im Betrieb sowie darum, Handlungsinstrumente kennenzulernen beziehungsweise einzufordern und sich weitere Informationsquellen (zu Umwelt-Audits, zur Unterstützung usw.) zu erschließen. Bei den Seminaren immer dabei sind auch Expert*innen aus der Unternehmenszentrale, aber auch Fachkräfte, die der Betriebsrat benennt, als Referent*innen. Das Highlight jedes Seminars war bisher der abschließende Besuch der Conti-LifeCycle-Fabrik in Hannover-Stöcken.

Die Coronapandemie hat jedoch dazu geführt, dass in den letzten beiden Jahren keine Seminare für Umweltschutzobleute mehr stattfanden. Dabei steigen die Anforderungen an den Arbeits- und Umweltschutz – nicht zuletzt, weil das Unternehmen seine Klimaziele verschärft hat. Diese zu bewältigen, erfordert allerdings, dass die Beschäftigten weitaus stärker für diese Themen sensibilisiert werden müssen als bisher. Auch geht es darum, ihnen Ängste zu nehmen, die sie mit der Klimakrise und der sozial-ökologischen Transformation verbinden.

Die Leute machen sich viel mehr Gedanken über ihre Arbeit als früher. Sie vermuten, dass sie für Umweltbelastungen und die Klimakrise künftig stärker bezahlen müssen. Und sie machen sich Sorgen über ihren Arbeitsplatz. Mit diesem Bewusstseinswandel müssen wir umgehen lernen.

Ralf Kuntze, Betriebsrat Werk Conti-Hannover-Stöcken CRD

Continental ist ein wichtiger Zulieferer für die Automobilindustrie. Absehbar ist, dass die Transformation im Mobilitätssektor hin zur E-Mobilität den Bedarf an Gummi und Gummierzeugnissen, wie Schläuchen, oder Gummi-Metall-Verbindungen, wie bei der Motorblockaufhängung, verringern wird. Es gibt viele Fragen, die die Beschäftigten bewegen: Welche Produkte werden künftig noch benötigt, die Conti heute herstellt? Werden die Kosten, die das Unternehmen für mehr Klima- und Umweltschutz, insbesondere für alternative Energien aus Windkraft, Fotovoltaik und Wasserstoff, aufbringen muss, zulasten ihres Arbeitsplatzes und ihrer Arbeitsbedingungen gehen?

Auf Betriebsversammlungen werden diese Fragen offen thematisiert. Aber noch fehlen dem Betriebsrat Konzepte, um der Belegschaft klare Antworten und Sicherheit zu geben. Er hat erkannt, dass es für den Klima- und Umweltschutz im Betrieb abträglich ist, wenn die Leute frustriert sind. Das führt dazu, dass sie sich immer öfter nicht mehr an die Gebote halten, Abfälle zu sortieren, das Licht, wenn man einen Raum verlässt, auszumachen oder verbrauchte Lappen nicht einfach irgendwo hinzuschmeißen. Umso wichtiger sind Anreize für positives Verhalten und Bestätigung. Genau darin sieht der Betriebsrat die Aufgabe der Umweltschutzobleute: anderen Beschäftigten Mut zu machen und ihnen die Zuversicht zu geben, dass ökologisches Handeln Sinn macht – für sie selbst und vor allem für die nachkommenden Generationen.

Kontakt

Ralf Kuntze, Betriebsrat Werk Conti-Hannover-Stöcken CRD