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Arbeiten mit unseren Szenarien

Die 4 Szenarien können in unterschiedlicher Weise für eine kreative Auseinandersetzung mit dem Handlungsfeld der Mitbestimmung genutzt werden. Eine kleine Gebrauchsanweisung.

Eintauchen und Erkunden

Zunächst geht es darum, in die Szenarien „einzutauchen“. Man kann sie einfach für sich lesen, aber spannender ist es, sie gemeinsam mit anderen zu erkunden. Hierfür bietet es sich an, sich in vier kleinen Kreisen zusammenzusetzen; in der Mitte liegt der Text eines der vier Szenarien. Jeweils eine Person aus dem Kreis liest das Szenario vor (in der Regel reichen hierfür die Kurzfassungen aus), danach nehmen sich alle Teilnehmenden zwei bis drei Minuten Zeit, um ihre Eindrücke sacken zu lassen. Dann geht es weiter zum nächsten Szenario (Kreis), bis jede Gruppe alle vier Szenarien kennengelernt hat. Im Anschluss tauscht man sich über die Szenarien aus.

Als Einstieg kann man nach den spontanen Emotionen fragen, die die einzelnen Szenarien in einem auslösen (z. B. Wut, Zuversicht, Enttäuschung, Neugier), denn in der Regel haben die ersten gefühlsmäßigen Eindrücke einen großen Einfluss darauf, wie wir danach argumentieren werden. In einem zweiten Schritt fragt man nach wichtigen Auswirkungen, die im Zuge des jeweiligen Szenarios für das eigene Umfeld erwartet werden. In einer dritten Runde geht es um die Frage, welche (schwachen) Anzeichen wir bereits heute für die einzelnen Szenarien sehen. Sowohl die genannten Gefühle wie auch die erwarteten Auswirkungen und Beispiele für erste Anzeichen werden gesammelt und im Raum visualisiert. Folgende Leitfragen können diesen Prozess strukturieren:

  • Wie fühlt sich dieses Szenario für dich/euch an?
  • Was würde dieses Szenario für dich/dein Unternehmen/deine Organisation/eure Branche bedeuten?
  • Welche konkreten Auswirkungen hätte es, wenn das Umfeld sich wirklich auf diese Art und Weise verhalten/verändern würde?
  • Welche Risiken und Gefahren wären damit verbunden? Und welche (neuen) Handlungsspielräume und Chancen?
  • Welche Ereignisse und Entwicklungen deuten bereits heute in Richtung dieses Szenarios?

Um das gemeinsame Verständnis der Szenarien zu festigen, kann man ergänzend auch mit einer kleinen Zuordnungsübung arbeiten. Indem man zuvor ausgewählte Zeitungsberichte, Bilder oder auch die Zitate, ausbreitet und die Teilnehmenden bittet, sie den einzelnen Szenarien zuzuordnen, werden weitere Facetten und Bezüge sichtbar.

Neben den allgemeinen Fragen, die man für alle Szenarien stellen kann, trägt jedes Szenario spezifische Herausforderungen und Fragestellungen in sich, die – wenn genügend Zeit zur Verfügung steht – ebenfalls angesprochen und durchdacht werden können. Beispiele für solche spezifischen Fragestellungen finden sich jeweils am Ende der Kurzfassungen der Szenarien.

Ziel dieses Eintauchens und Erkundens ist es, sich einen ersten Zugang zu den Szenarien zu verschaffen und die persönliche Auseinandersetzung mit ihnen anzustoßen. Die „Landkarte“ mit ihren verschiedenen „Zukunftspfaden“ wird ausgerollt und untersucht. Das Antizipieren divergierender Zukunftsverläufe dient dazu, Anzeichen von Veränderungen besser verstehen und einordnen zu können.

Die Erfahrung zeigt, dass jedes Szenario sehr unterschiedlich wahrgenommen und bewertet werden kann. Und es sind gerade diese unterschiedlichen Wahrnehmungen und Zuordnungen, die zu einem fruchtbaren Austausch sowie einer Erweiterung der eigenen Perspektive führen.

Anstehende oder getroffene Entscheidungen in den Szenarien durchspielen und "testen"

Für die tiefer gehende Arbeit mit den Szenarien werden diese in einen konkreten Bezug zu den eigenen Handlungsspielräumen gesetzt. Wie kann man in diesen unterschiedlichen Zukünften agieren und seine Ziele verfolgen? Wie aussichtsreich wären bestimmte Verhaltensmuster und Strategien? Wie behaupten sich unsere (geplanten) Entscheidungen, Handlungen und Pläne in den verschiedenen Szenarien? Auf welche Hindernisse und unterstützende Faktoren würden sie jeweils treffen? Wie kann man seine Freiräume nutzen, um möglichst in allen Szenarien zu bestehen?

Die konkreten Handlungsmöglichkeiten sind natürlich vom jeweiligen Akteur bzw. von der jeweiligen Gruppe abhängig, die diese Untersuchung macht. Eine große Branchengewerkschaft hat andere Möglichkeiten als der Betriebsrat eines mittelständischen Unternehmens, ein Personaldirektor andere als eine Fraktion im Bundestag. Darum können in der folgenden Matrix nur Platzhalter stehen, die vor dem Hintergrund der jeweiligen konkreten Handlungsspielräume ausgefüllt werden müssen.

Matrix - Arbeiten mit den Szenarien

Zunächst werden in der linken Spalte möglichst konkrete Entscheidungsfreiräume bzw. Handlungen aufgelistet. Danach werden die einzelnen Handlungen für jedes Szenario bewertet. Die Frage ist, wie sich die jeweilige Handlung in den verschiedenen Szenarien behaupten bzw. wie sie sich in Bezug auf die übergeordneten Ziele auswirken würde. „Sehr positiv“ ließe sich zum Beispiel mit ++ kennzeichnen, „positiv“ mit +, „neutral“ mit o, „negativ“ mit -, „sehr negativ“ mit --, und Handlungen, die voraussichtlich Vor- und Nachteile mit sich bringen, werden mit +/- gekennzeichnet. So kann das Ergebnis für eine Zeile zum Beispiel folgendermaßen aussehen:

Ergebnis 1 - Arbeiten mit den Szenarien

Von dieser Handlungsoption sollte man entsprechend Abstand nehmen, denn sie wird in keinem der Szenarien wirklich von Nutzen sein. Lediglich für ein Szenario wären Vorteile zu erwarten, mit denen aber auch Nachteile in Kauf genommen werden müssten. Das Ergebnis könnte aber auch so ausfallen:

Ergebnis 2 - Arbeiten mit den Szenarien

Auch wenn diese Handlung in einem Szenario eher negative Folgen hätte, ist sie in den anderen drei Szenarien vielversprechend oder zumindest neutral. Wahrscheinlich sollte man so handeln, aber gleichzeitig die Entwicklung sehr genau beobachten – und schnell gegensteuern, wenn sich Szenario IV abzeichnet. Vielleicht ergibt sich für manche Handlungsoptionen aber auch dieses Bild:

Ergebnis 3 - Arbeiten mit den Szenarien

Da hier in jedem Szenario positive Effekte zu erwarten sind, sollte man diesen Plan auf jeden Fall weiter vorantreiben, denn es handelt sich um eine sehr robuste Strategie.

Das Ziel dieser Herangehensweise ist der Transfer, also die Anwendung der Szenarien auf die eigenen Handlungsmöglichkeiten. Es geht darum, möglichst geeignete Handlungsstrategien zu entwickeln, schneller und besser auf Veränderungen reagieren zu können und eingefahrene Verhaltensmuster (rechtzeitig) infrage zu stellen.

Die Zukunft stärken, die als erstrebenswert erachtet wird

Szenarien sind keine Vorhersagen, sie beschreiben mögliche Zukunftsalternativen. Darum ist es naheliegend und legitim zu fragen, welches Szenario man bevorzugt – und welches bzw. welche es zu verhindern gilt. Diese Bewertung kann man für sich selbst vornehmen und daraus Schlüsse für das eigene Handeln ziehen, oder man verständigt sich als Gruppe bzw. mit anderen Akteuren auf eine gemeinsame Zielrichtung.

Oft hat man bereits ein Bauchgefühl, welches Szenario einem zusagt und welches weniger. Die Auseinandersetzung mit den Szenarien, die man nicht so gerne mag (und oft in der Zukunftsbetrachtung ausklammert), ist in der Regel besonders ertragreich. Denn auch diese Szenarien können eintreten und auch sie bieten Handlungsmöglichkeiten – umso mehr, wenn man sich darauf vorbereitet hat. Szenarien können in diesem Sinne auch dazu dienen, etwas Licht in die blinden Flecken unserer Wahrnehmung zu bringen und den Blick auf die Zukunft zu weiten.

Hierfür lässt sich die bereits oben verwendete Matrix erneut heranziehen. Diesmal geht es jedoch nicht darum, getroffene oder ins Auge gefasste Entscheidungen zu testen, sondern zu fragen, mit welchem Handlungsbündel man am ehesten das Eintreten des präferierten Szenarios befördern kann. Wenn wir zum Beispiel Szenario III bevorzugen, sollten alle Handlungen, die in diesem Szenario mit ++ oder + eingestuft werden, gebündelt und forciert werden. Handlungen, die in diesem Szenario eher mit „neutral“ bis „sehr negativ“ bewertet werden (hier Handlung 4 und 5), sollten hingegen zurückgefahren werden. Die ausgefüllte Matrix kann natürlich auch entsprechend genutzt werden, um zu fragen, wie weit die eigenen Handlungsspielräume reichen, um ein bestimmtes Szenario zu verhindern.

Ergebnis 4 - Arbeiten mit den Szenarien

Indem wir unterschiedliche Alternativen einander gegenüberstellen und bewerten, stärken wir unsere Fähigkeit, Zukunft nicht einfach nur zu erdulden, sondern aktiv (mit anderen) zu gestalten. Bei dieser Herangehensweise geht es darum, Einfluss auf die allgemeine Entwicklung zu nehmen – also die Zukunft zu prägen. Wenn man nicht über sehr große Machtressourcen verfügt, muss man dafür gewöhnlich Verbündete suchen, mit denen man gemeinsam an einem Strang ziehen kann. Denn gemeinsam lässt sich in aller Regel mehr erreichen als auf eigene Faust.