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Weiterbildungsgesetz

Das neue „Qualifizierungsgeld“ als innerbetriebliche Fördermaßnahme nutzen

Zum 1. April 2024 wird das sog. Qualifizierungsgeld eingeführt. Es soll vom Strukturwandel betroffene Unternehmen unterstützen, ihre Beschäftigten durch gezielte Qualifizierung weiter zu beschäftigen. Betriebsräte sollten frühzeitig aktiv werden.

Qualifizierungsgeld

Qualifizierungsgeld: Was ist das?

Das Qualifizierungsgeld soll als eine an das Kurzarbeitergeld angelehnte Entgeltersatzleistung eingeführt werden (§ 82a SGB III). Beschäftigte in einer solchen Weiterbildung erhalten dadurch einen Entgeltersatz in Höhe von 60 bzw. 67 Prozent. Damit sollen sowohl Unternehmen, die vom Strukturwandel (z. B. Digitalisierung, Klimaneutralität …) betroffen sind als auch deren Beschäftigte, gestärkt werden. Ziel ist, den Arbeitnehmer*innen eine zukunftssichere Beschäftigung im gleichen Unternehmen zu ermöglichen und so eine drohende Arbeitslosigkeit zu vermeiden.

Wer hat Anspruch?

Das Qualifizierungsgeld sollen Beschäftigte bei beruflicher Weiterbildung erhalten, wenn die betrieblichen und persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind:

a) Betriebliche Voraussetzungen

In dem betroffenen Betrieb müssen bei mindestens 20 Prozent der Beschäftigten strukturwandelbedingte Qualifizierungsbedarfe vorliegen. Bei Betrieben mit weniger als 250 Beschäftigten müssen mindestens 10 Prozent der Beschäftigten betroffen sein.

Die Weiterbildungskosten (insbesondere nach §§ 83 – 87 SGB III) sind durch den Arbeitgeber zu tragen.
Der Arbeitgeber muss zusammen mit „der Mitbestimmung“ folgende Punkte durch eine Betriebsvereinbarung oder einen Tarifvertrag betriebsbezogen regeln:

  • Ermittlung des strukturwandelbedingten Qualifizierungsbedarfs,
  • Perspektiven für eine nachhaltige Beschäftigung der Arbeitnehmer*innen im Betrieb
  • Inanspruchnahme des Qualifizierungsgeldes im Betrieb.

b) Persönliche Voraussetzungen

Die geplanten persönlichen Voraussetzungen entsprechen den Vorgaben zur beruflichen Weiterbildung und zum Kurzarbeitergeld: Beschäftigte können nur dann ein Qualifizierungsgeld erhalten, wenn sie die Weiterbildung im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses durchführen. Das Arbeitsverhältnis darf weder gekündigt noch durch Aufhebungsvertrag aufgelöst worden sein. Die Beschäftigten dürfen zudem nicht bereits innerhalb der letzten vier Jahre vor Antragstellung an einer Qualifizierungsmaßnahme nach § 82a SGB III teilgenommen haben.

Die berufliche Weiterbildung muss zudem Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln, die über ausschließlich arbeitsplatzbezogene kurzfristige Anpassungsfortbildungen hinausgehen. Die Qualifizierungsmaßnahme muss außerdem mehr als 120 Stunden dauern und darf maximal die Dauer einer Vollzeitmaßnahme nach § 180 Abs. 4 SGB III (2- 3 ½  Jahre) umfassen.

Welche Herausforderungen ergeben sich bei der Umsetzung im Betrieb?

Die betrieblichen Erfahrungen zeigen, dass die bloße Einführung eines „neuen“ Förderinstruments oftmals nicht ausreichend ist, damit die betriebliche Fortbildung zum Erfolg wird. Meistens scheitert es schon an fehlenden Kapazitäten und nicht vorhandenem Knowhow zur Inanspruchnahme von Fördermitteln in den Personalabteilungen.

Hinzukommt: Eine Fördermaßnahme wird nur erfolgreich sein, wenn die Belegschaft ausreichend motiviert ist, sich weiterzubilden. Der Betriebsrat sollte sich deshalb frühzeitig Gedanken darüber machen, welche Bedarfe sich aus der Unternehmensstrategie für die Qualifikation der Beschäftigten ergeben (sog. Qualifizierungsmatrix) und dann proaktiv auf den Arbeitgeber zugehen und entsprechende Maßnahmen einfordern. Hier lohnt sich für den Betriebsrat auch der Kontakt zu den Arbeitnehmervertreter*innen im Aufsichtsrat und zum Wirtschaftsausschuss, welche dem Arbeitgeber durch ihr Informationsrecht detaillierte Fragen zur langfristigen Unternehmensstrategie stellen können. Auch der Einsatz von sogenannten „Weiterbildungsmentor*innen“ oder „Transformationslots*innen“ kann dazu beitragen, die Belegschaft und den Arbeitgeber für das Thema zu sensibilisieren.

Was muss eine Betriebsvereinbarung bzw. ein Tarifvertrag regeln?

Die Tarif- bzw. Betriebsparteien sind angehalten, eine speziell auf das Qualifizierungsgeld abgestimmte Vereinbarung zu schließen. Allgemein gültige Vereinbarungen – wie z.B. der „Tarifvertrag zur Qualifizierung“ der bayerischen M+E Industrie – werden höchstwahrscheinlich nicht ausreichend sein. Endgültig beurteilt werden kann diese Frage allerdings erst, wenn die fachlichen Anweisungen der Agentur für Arbeit zum Qualifizierungsgeld veröffentlicht wurden.
Dennoch ist es sinnvoll, sich als Betriebsrat bereits jetzt mit möglichen Regelungsinhalten zu beschäftigten, auch um dadurch betriebliche Aufmerksamkeit zu erzeugen. Gleichzeitig empfiehlt es sich sinnvoll, frühzeitig Kontakt zur Agentur für Arbeit aufzunehmen (u.a. durch den sog. „Arbeitgeberservice“), da das Thema nur im Dreiklang (Betriebsrat/ Gewerkschaft, Arbeitgeber, Agentur für Arbeit) erfolgreich ausgestaltet werden kann.

Mögliche Regelungsinhalte einer Betriebsvereinbarung zum Qualifizierungsgeld

Hat sich das Betriebsratsgremium entschieden, das Thema Qualifizierungsgeld anzupacken, stellt sich die Frage nach möglichen Regelungsinhalten einer Betriebsvereinbarung. Neben den gesetzlichen Anforderungen (§ 82 SGB III) sind insbesondere folgende Regelungsaspekte empfehlenswert:

  • Aufzahlung/Aufstockung der Entgeltersatzleistung durch den Arbeitgeber (analog zu Betriebsvereinbarungen zum Kurzarbeitergeld)
  • Schaffung von Planung- und Durchführungskapazitäten der Fördermaßnahme in der Personalabteilung
  • Verpflichtende Bedarfsplanung bzw. Erstellung einer Qualifizierungsmatrix durch den Arbeitgeber, flankiert durch Beteiligungsrechte der Mitbestimmung
  • Beratungs- und Vermittlungsangebote für interessierte Beschäftigte
  • Entscheidungs- und Konfliktmechanismen zur Auswahl der Maßnahmen sowie der Kandidat*innen (gem. §§ 96-98 BetrVG)
  • Pflicht zur Aushändigung von Entwicklungspfaden bzw. -zertifikaten an die Teilnehmenden
  • Vermittlungsangebote inkl. Anspruch auf Weiterbeschäftigung im Sinne der Qualifizierungsmaßnahme
  • Kontroll- und Sanktionierungsmöglichkeiten bei Pflichtverstößen durch den Arbeitgeber
  • Bindungsfristen/ Kündigungsschutz sowie Bestandssicherung und Teilhabe an Sonderleistungen durch den Arbeitgeber (z.B. Erfolgsbeteiligungen)

Fazit

Das neue Qualifizierungsgeld kann die Fortbildung von Beschäftigten im Betrieb als weiteres Förderinstrument ankurbeln. Es bedarf dazu Motivation im Gremium, bei den Beschäftigten und beim Arbeitgeber, um einerseits die bürokratischen Hürden zu meistern und andererseits, eine attraktive Förderkulisse im Betrieb herzustellen. Betriebsräte sollten daher beim Thema voran gehen und ganz klar aufzeigen, dass sich Fortbildung für alle Akteure lohnt: Für den Beschäftigten, für den Betrieb und letztlich auch für die Gesellschaft.