Monitor EU-Wirtschaftsrecht
EU-Parlament stimmt Revision der EBR-Richtlinie zu
Die Reform soll die Rechte Europäischer Betriebsräte (EBR) stärken. Im Vorfeld hatten die Gewerkschaften für eine Zustimmung mobilisiert. Nun fehlt noch die formale Bestätigung des Rats.
Nachdem im Januar 2024 die Revision der EBR-Richtlinie durch die EU-Kommission vorgeschlagen wurde, hatten sich Ministerrat und EU-Parlament im Mai 2025 bereits auf Anpassungen geeinigt. Eine formelle Zustimmung beider Institutionen musste jedoch noch erfolgen.
Im Plenum des Europäischen Parlaments stand der gemeinsame Kompromiss am 09.10.25 auf der Agenda. Im Vorfeld der Abstimmung gab es Befürchtungen, dass die wichtige Einigung noch gekippt werden könnte, und so wichtige Verbesserungen für die Arbeit Europäischer Betriebsräte verhindert werden. Die Europawahl 2024 hat die Mehrheitsverhältnisse im Parlament verschoben, rechtspopulistische und rechtsextreme Kräfte wurden gestärkt und hatten bereits im letzten Jahr versucht, das Verhandlungsmandat des Parlaments zu blockieren. Die Abstimmung im Parlament ist nun jedoch erfolgreich verlaufen. Schlussendlich stimmten 414 Abgeordnete dafür (darunter die S&D Fraktion, die Grünen und große Teile der EVP) und 139 dagegen. 61 Abgeordnete enthielten sich.
Da der Ministerrat bereits ebenfalls seine Zustimmung signalisiert hat, steht der Verabschiedung der überarbeiteten Richtlinie nun nichts mehr im Wege. Die Mitgliedstaaten müssen die Bestimmungen innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten in nationales Recht umsetzen und spätestens nach drei Jahren anwenden.
Folgende Verbesserungen bringt die EU-Richtlinie:
Die Reform sieht unter anderem vor, dass Unternehmen die Konsultation des EBR vollständig abschließen müssen, bevor sie über Standortverlagerungen oder Restrukturierungen entscheiden können, wobei weiterhin keine konkreten Fristen genannt werden. So soll die gängige Praxis der Einbeziehung des EBR nach bereits erfolgter Entscheidung unterbunden werden. Zudem sind folgende Neuerungen geplant:
- Sanktionen: Spürbare finanzielle und nicht-finanzielle Konsequenzen bei Verstößen gegen Informations- und Konsultationsrechte. Diese müssen aber wiederrum auf nationaler Ebene definiert werden, sodass es an Einheitlichkeit auf europäischer Ebene fehlt.
- Zugang zu Gerichten: Verbesserte rechtliche Durchsetzbarkeit von EBR-Rechten. Kosten für Gerichtsverfahren müssen künftig immer vom Unternehmen getragen werden.
- Recht auf Sachverständige: Alle Mitgliedstaaten müssen EBRs den Zugang zu externen und gewerkschaftlichen Experten ermöglichen und deren Teilnahme an Sitzungen ermöglichen. Künftig müssen alle angemessenen Kosten für Sachverständige, einschließlich Rechtsexperten, von der zentralen Leitung getragen werden. Die Begrenzung auf nur einen Sachverständigen entfällt.
- Vertraulichkeit und Transparenz: Schärfung der Definition von vertraulichen Informationen anhand objektiver Kriterien.
- Zwei Sitzungen des EBR pro Jahr: Ein Mindeststandard für den Austausch innerhalb des EBR. Künftig gibt es zwei Plenarsitzungen pro Jahr in Präsenz. Die Sitzung kann nur hybrid oder als Videokonferenz stattfinden, wenn der EBR ausdrücklich zustimmt (Vetorecht).
- Geschlechterparität: Förderung einer ausgewogenen Repräsentation in den Gremien durch die Einführung einer Zielvorgabe von 40%. Bei Nicht-Erreichen muss eine Begründung abgegeben werden.
- Anpassungen von Altvereinbarungen: Bereits vor 1996 geschlossene freiwillige Vereinbarungen sollen an die neue EBR-Richtlinie angepasst werden innerhalb von zwei Jahren nach Umsetzung der Richtlinie. Scheitern die Verhandlungen greifen subsidiäre Vorschriften (EBR qua Gesetz).
- Umsetzungsfrist: Die Umsetzung der Richtlinie muss innerhalb von drei Jahren erfolgen.
Am 24. Januar 2024 hatte die Europäische Kommission für Beschäftigung, Soziales und Integration das Gesetzgebungsverfahren für eine Überarbeitung der Richtlinie über Europäische Betriebsräte (EBR) eingeleitet. Der Vorschlag sieht eine umfangreiche Stärkung der Rechte von EBR vor und zielt zudem auf mehr Geschlechtergerechtigkeit in den Gremien ab. Die Defizite der geltenden Richtlinie sind bereits seit Jahren bekannt etwa bei fehlenden Sanktionen oder schwierigen Zugängen zur Justiz bei Nicht-Beachtung der Rechte Europäischer Betriebsräte.
Die Europäische Säule Sozialer Rechte schreibt den sozialen Dialog und die Beteiligung von Arbeitnehmer*innen in der Europäischen Union fest. Europäische Betriebsräte tragen maßgeblich zur Erreichung des gesetzten Ziels bei. Indem sie ihre Unterrichtungs- und Anhörungsrechte wahrnehmen, stellen sie sicher, dass Angestellte multinationaler Unternehmen auch bei länderübergreifenden Fragen und Entscheidungen einbezogen werden. Im Hinblick auf die Einführung neuer Technologien, die Umstellung auf klimaneutrale Produktion, den demografischen Wandel und Fachkräftemangel, die für Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen gleichermaßen zur Herausforderung werden, können EBR eine Schlüsselrolle spielen. Deshalb soll ihre Rolle gestärkt, ihre Einrichtung erleichtert und ausreichend Kapazität garantiert werden.
Der DGB setzt sich seit Jahren für verbesserte Bedingungen der EBR ein und forderte bereits vor der Neufassung des Europäischen Betriebsrätegesetzes im Jahr 2011 eine Verschärfung der Sanktionsbestimmungen für Pflichtverstöße von Arbeitgeber*innen gegen die damals beschlossenen Gesetzesbestimmungen der EBR-Richtlinie, jedoch ohne Erfolg. Im Hinblick auf die Europawahlen im Juni dieses Jahres wiederholte der DGB seine Forderungen erneut im Forderungspapier zur EU-Wahl und mahnte eine schnelle und konsequente Umsetzung an.
- Vorschlag der Kommission zur Überarbeitung der EBR-Richtlinie vom 24.01.2024
- Pressemitteilung der Kommission über den Vorschlag zur Überarbeitung der EBR-Richtlinie vom 24.01.2024
- Bericht über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2009/38/EG betreffend die Einsetzung und Arbeitsweise Europäischer Betriebsräte und die wirksame Durchsetzung der Rechte auf länderübergreifende Unterrichtung und Anhörung | A10-0029/2024 | Europäisches Parlament
