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Interessenvertretung unter Remote-Bedingungen

Erfahrungen von Betriebs- und Personalräten in der Remote-Arbeit

Welche Auswirkungen hatte die Coronapandemie auf die Arbeit der Betriebs- und Personalräte? Ende 2021 startete hierzu ein von der Hans-Böckler-Stiftung gefördertes Projekt der Gemeinsamen Arbeitsstelle RUB/IGM.

Betriebs- und Personalrätinnen und -räte bewältigen immer vielfältigere Aufgaben, die längst über die allgemeine Interessenvertretung hinausgehen und die dem Strukturwandel sowie der veränderten ökonomischen, demografischen und gesellschaftlichen Situation Rechnung tragen. Zu den Aspekten Flexibilisierung und Digitalisierung sowie dem Wandel von Organisationskonzepten, die Arbeitsinhalte verändern und eine kontinuierliche Weiterbildung erfordern, kam die Coronapandemie erschwerend hinzu. Diese stellte und stellt für Betriebs- und Personalrätinnen und -räte nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine enorme Belastung dar. Unter hohem Zeitdruck wurden Hygiene- und Abstandsgebote in der innerbetrieblichen Organisation erprobt und etabliert. Es wurden Schichten zeitlich versetzt und neu geplant. Kantinen mussten geschlossen werden und weite Teile der Belegschaft ins Homeoffice geschickt werden. Hierbei sollte so gut wie möglich auch Rücksicht auf die besondere Betreuungssituation vieler Eltern genommen werden.

Corona als Beschleuniger der Digitalisierung

Die Coronapandemie kann hierbei weniger als Trendsetter, sondern vielmehr als Beschleuniger für sich schon länger abzeichnende Formen entgrenzter Arbeit gesehen werden. Mobile Arbeitsformen waren schon vor der Pandemie im Aufwind, vor allem mit Blick auf Verwaltungstätigkeiten. Gleichzeitig wurden schnell neue Wege zur digitalen Zusammenarbeit etabliert. Die Möglichkeit des Homeoffice wurde im Rahmen der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel des Bundesarbeitsministeriums vom 10.08.2020 gesetzlich erweitert. Durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz von Juni 2021 wurden auch für Mitbestimmungsgremien genauere Rahmenbedingungen zur Ausgestaltung mobiler Arbeit geschaffen. Befragungen der Hans-Böckler-Stiftung von 2021 zeigen einen rasanten Anstieg der Homeoffice-Quote ab dem ersten Lockdown im April 2020 (vgl. Bianchi-Weinand/Wannöffel, 2022).

Bei der Bewältigung der Pandemie und ihrer Folgen nahmen und nehmen die Betriebs- und Personalratsgremien eine Doppelrolle ein. Einerseits mussten sie auf die kurzfristigen, dennoch tiefgreifenden Veränderungen in der Arbeitsorganisation zeitnah und angemessen reagieren, Informationen sammeln und bündeln, Lösungen für Beschäftigte finden und deren veränderte Interessen weiterhin gegenüber Arbeitgebern vertreten. Andererseits waren die Interessenvertretungsorgane selbst ebenfalls von schwerwiegenden Einschränkungen betroffen und mit Unsicherheiten konfrontiert.

Gerade die Kommunikation – sowohl im Gremium als auch gegenüber Beschäftigten und dem Management – hat sich aufgrund der vermehrten Remote-Arbeit eklatant gewandelt. Dabei gilt jedoch der Austausch vor Ort weiterhin als das Fundament wirksamer Interessenvertretungsarbeit. 

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Über das Projekt

Das Forschungsprojekt widmet sich insbesondere der Frage, welche Chancen und Probleme sich bei der Remote-Arbeit in den Betriebs- und Personalratsgremien ergeben. Das heißt u. a., wie sich die Arbeitsorganisation verändert hat, wie der Kontakt zu den Beschäftigten gestaltet wurde und wie sich die Verhandlungen mit dem jeweiligen Arbeitgeber bzw. der Dienststellenleitung verändert haben. Methodische Grundlage der Forschung ist ein zweiteiliger Methodenmix, bestehend aus einer qualitativen Vorstudie durch Interviews mit Expertinnen und Experten sowie einem quantitativen Online-Survey (Online-Befragung).

Unterstützt wird das Team der Gemeinsamen Arbeitsstelle dabei vom Helex Institut Bochum.

Digitaler Lernprozess und Rückkehr zur Präsenz – erste Ergebnisse der Interviews mit Expertinnen und Experten

Im Rahmen der qualitativen Vorstudie wurden insgesamt 26 Interviews mit Expertinnen und Experten durchgeführt. Befragt wurden: freigestellte und nicht-freigestellte Betriebsrätinnen und -räte, Vertreterinnen und Vertreter der Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV), Personalreferentinnen und -referenten sowie Betriebsbetreuerinnen und -betreuer aus unterschiedlichen Branchen.

Die Befragten berichteten, dass sie während der Coronapandemie für ihre Gremienarbeit regelmäßiger digitale Tools genutzt haben. Die Umstellung auf Remote-Arbeit sowie den Einsatz neuer, technischer Tools beschreiben die Befragten oft als einen Lernprozess. Gerade anfangs waren Abläufe in Videokonferenzen nicht selbstverständlich. Es fehlten soziale Normen bzw. klare Regeln.

Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz ermöglicht es Betriebsratsgremien, Betriebsratssitzungen virtuell durchzuführen. Um Unsicherheiten zu umgehen, haben sich die Befragten oftmals rechtlich beraten lassen – dies betraf insbesondere den Datenschutz. Vor allem anfangs gab es mit Blick auf den Datenschutz diverse rechtliche Unsicherheiten, die eine schnelle Umstellung auf digitale bzw. hybride Lösungen verzögerten. Auch die technische Ausstattung des Gremiums durch den Arbeitgeber war branchenspezifisch sehr unterschiedlich.

Die Digitalisierung scheint durch Corona einen weiteren Vorschub erfahren zu haben. Die Arbeitsbelastung ist in einigen Gremien stark angestiegen. Vor allem durch eng getaktete Videokonferenzen sowie fehlende Denkpausen und geringeren sozialen Austausch kam es zu einer erlebten Arbeitsverdichtung. Dennoch wurde die gestiegene Flexibilität mitunter auch als positiv erlebt, da beispielsweise Fahrzeiten weggefallen sind. Anderseits haben sich Arbeit und Privatleben stärker vermischt, eine Abgrenzung gestaltete sich schwieriger; mitunter kam es zu Mehrarbeit durch die ständige Erreichbarkeit. 

Remote-Arbeit wird stellenweise als sinnvolle Ergänzung gesehen; beispielsweise zur Erledigung geeigneter, alltäglicher Aufgaben. Viele der befragten Gremienvertreterinnen und -vertreter wünschen sich aber dennoch eine Rückkehr zur Präsenz, vor allem wegen der persönlichen Kontakte im Betrieb. 

Der Kontakt zu den Beschäftigten konnte – mitunter auf kreativem Wege, beispielsweise bei den JAVen über Social Media – gehalten werden, aber es zeigte sich auch hier, dass sich die Themen verschoben hatten (vor allem Gesundheitsfragen) und der Austausch aufgrund der Abwesenheit vom Betrieb eingeschränkt war. 

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