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Mitbestimmungspraxis 55

Mitbestimmung in Remote: Chancen und Herausforderungen

Die Mitbestimmungspraxis beleuchtet die Auswirkungen von Remote-Arbeit auf Betriebs- und Personalrät*innen während der Corona-Pandemie. Neben Praxiserfahrungen werden auch Bedingungen sowie Hürden für gelingende Remote-Arbeit aufgezeigt.

Welche Erfahrungen mit Remote-Arbeit sammelten Betriebs- und Personalratsgremien sowie Jugend- und Auszubildendenvertretungen in Folge der Corona-Pandemie? Die Mitbestimmungspraxis „Interessenvertretung unter Remote-Bedingungen: Herausforderungen und Lösungsansätze“ stellt verschiedene Formate vor und zeigt, wie Letztere auch für Mitbestimmungsgremien gewinnbringend umgesetzt werden können. Dabei beantwortet sie viele Fragen: Inwieweit hat sich der Kontakt zu den Beschäftigten sowie zum Arbeitgeber verändert? Wie lassen sich hybride Lösungen z. B. für Betriebsversammlungen gestalten? Welche besonderen Erfahrungen sammelten Jugend- und Auszubildendenvertretungen während der Covid-19-Pandemie?

Im Laufe des Jahres 2022 führten die Gemeinsame Arbeitsstelle RUB/IGM der Ruhr-Universität Bochum sowie das Helex-Institut Bochum eine methodenintegrative Studie durch, gefördert von der Hans-Böckler-Stiftung und begleitet von deren Institut für Mitbestimmung und Unternehmensführung (I.M.U.). Mithilfe leitfadengestützter Interviews sowie eines Onlinefragebogens wurden Betriebs- und Personalratsmitglieder sowie Jugend- und Auszubildendenvertretende befragt zu ihren Erfahrungen damit, Arbeit außerhalb des Betriebs zu organisieren und tagtäglich umzusetzen.

Mitbestimmungspraxis Nr. 55

Interessenvertretung unter Remote-Bedingungen

Herausforderungen und Lösungsansätze

von Julius Kötter, Sandra Schaffarczik, Jan-Torge Daus, Riema Repp, Claudia Niewerth und Manfred Wannöffel

Mit einer rechtlichen Expertise von Ernesto Klengel

Mitbestimmungspraxis 55. Düsseldorf 2023

Die Untersuchung zeigt: Die Covid-19-Pandemie wirkte als Trendbeschleuniger für das Arbeiten in Remote. Digitale Meetings ermöglichten es vielen Gremien, während der Pandemie weiterhin handlungsfähig zu bleiben. Sie veränderten jedoch die gelebte Mitbestimmungspraxis und erforderten mitunter Anpassungen wie z. B. neue Kommunikationsformen, um mit den Beschäftigten und der Geschäftsführung in Kontakt zu treten. Auch nach der Pandemie bleibt Remote-Arbeit relevant, vermutlich wird sie sogar zunehmen. Dabei vereint der Begriff Remote verschiedene Arbeitsformen, die mitunter sehr unterschiedliche rechtliche Implikationen haben: mobiles Arbeiten, Telearbeit, Homeoffice (vgl. Mitbestimmungspraxis Nr. 55 /Kapitel 2).

Was erfordert Remote-Arbeit? Und wie geht es in Zukunft weiter?

Für viele befragte Gremien stellt die angemessene technische Ausstattung einen der wichtigsten Faktoren dar, um Remote-Arbeit umzusetzen. Für – insbesondere freigestellte – Gremienmitglieder wurde es mitunter schwieriger, ausreichenden Kontakt zur Belegschaft vor Ort aufrechtzuhalten und über aktuelle innerbetriebliche Konflikte und Herausforderungen informiert zu bleiben. Um reibungslos mit den Beschäftigten zu kommunizieren, fanden einige Gremien kreative Lösungen, z. B. Videonachrichten oder digitale schwarze Bretter. Auch bei Besprechungen und Verhandlungen mit dem Arbeitgeber wurde mitunter auf digitale Formate gesetzt, vor allem dann, wenn bereits vor Corona Erfahrungen mit solchen Lösungen vorlagen.

Für die Zukunft scheinen vor allem hybride Formate einen Kompromiss darzustellen, um die Vorteile beider Arbeitsmodi – Remote und Präsenz – miteinander zu verknüpfen. Nach den Erfahrungen der Betriebs- und Personalratsgremien ist es zwar durchaus mit Herausforderungen verbunden, hybride Sitzungen umzusetzen. Sie bieten jedoch auch neue Gestaltungsmöglichkeiten. Vor allem hybride Betriebsversammlungen bieten den Vorteil, mehr Kolleginnen und Kollegen zu erreichen. Insbesondere Jugend- und Auszubildendenvertretungen zeigten sich mitunter sehr geübt im Umgang mit neuer Technik und deren Möglichkeiten, z. B. beim Wahlkampf auf Social-Media-Plattformen im Rahmen der Betriebsratswahlen 2022. Dennoch ist auch und insbesondere für die Auszubildenden der Präsenzkontakt untereinander sehr wichtig, sodass Remoteformate hier eher als Ergänzung dienen. Gleichzeitig zeigte das Erheben sozio-demografischer Merkmale: Nach wie vor kämpfen Interessenvertretungen mit Nachwuchsproblemen und Überalterung.

Alles in allem verdeutlicht die Studie: Remote-Arbeit wird auch langfristig nicht an Relevanz verlieren. Mitbestimmungsgremien müssen individuelle Wege suchen, um die Beschäftigten zu erreichen, und Strategien finden, um auch in Zukunft demokratische Meinungsbildungsprozesse betriebsintern zu garantieren.