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Monitor Innovations- und Technologiepolitik

Künstliche Intelligenz und Sustainable Development Goals

Überblick

Künstliche Intelligenz (KI) wird derzeit als wichtiges Werkzeug angesehen, um den Herausforderungen von Digitalisierung und nachhaltiger Entwicklung zu begegnen. Nicht nur in technisch interessierten und wissenschaftlichen Kreisen werden Potenziale und Herausforderungen von KI-Anwendungen kontrovers diskutiert. Auch gesellschaftlich-politische Themen wie bevorzugte Nutzungsgebiete, ethische und regulatorische Rahmenbedingungen sowie Nachhaltigkeitsaspekte finden sich derzeit in der Debatte wieder. Dabei geht es nicht nur um die eigentlichen technischen Innovationen in der Künstlichen Intelligenz, sondern mehr noch darum, wie sie humanzentriert und mit Blick auf menschliche und ökologische Bedürfnisse eingesetzt werden kann. Daher lassen sich diese Transformationstrends als verzahnt betrachten. Die Stiftung Arbeit und Umwelt der Industriegewerkschaft IGBCE bezeichnet das gemeinsame Auftreten von Digitalisierung sowie Dekarbonisierung und Gemeinwohlorientierung in einer aktuellen Untersuchung als „Doppelte Transformation“.

Anwendungsgebiete von KI, die einen positiven Einfluss auf die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen ausüben könnten, rücken damit stetig mehr in den Fokus der Aufmerksamkeit. Als bekannte Zusammenführung zentraler Nachhaltigkeitsziele dienen die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs), entworfen von den Vereinten Nationen. Vermehrt wird diskutiert, an welchen Stellen Künstliche Intelligenz in der Erreichung einzelner Ziele beziehungsweise deren konkreterer Unterziele unterstützend eingesetzt werden kann. In diesem Themenmodul wird die Breite der möglichen KI-Einsatzbereiche und deren Relevanz für die SDGs dargestellt und beispielhaft anhand der Branchen Energiewirtschaft und Luftverkehr veranschaulicht.

Zusammenfassend soll in diesem Themenmodul folgenden Leitfragen nachgegangen werden:

  • Welche Einflussmöglichkeiten bietet die Verbreitung von Künstlicher Intelligenz bei der Erreichung der Sustainable Development Goals? Welche konkreten Ziele und Teilziele sind dabei von besonderer Relevanz?
  • Wo sind die konkreten Anwendungsformen in den Beispielbranchen Luftverkehr und Energiewirtschaft?
  • Welche Faktoren hemmen KI-Anwendungen möglicherweise dabei, Nachhaltigkeitsziele anzusprechen? Welche Aspekte sind besonders fördernd beziehungsweise wo liegen die konkreten Chancen?
  • Wo steht der Forschungs- und Wirtschaftsstandort Deutschland im internationalen Vergleich, wenn es um die Bedeutung von KI in der Erreichung von Nachhaltigkeitszielen geht?
  • Wie lässt sich die systematische Beachtung von Nachhaltigkeitszielen bei der Einführung von KI-Anwendungen mitbestimmt gestalten?
Working Paper 283

Beesch, Simon; Malanowski, Norbert; Nisser, Annerose: Mit Künstlicher Intelligenz die Sustainable Development Goals erreichen

Working Paper Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung

Nummer 283

April 2023, 54 Seiten

Was ist Künstliche Intelligenz?

Es existieren diverse Deutungsversuche für Künstliche Intelligenz, wie auch generell für den Begriff Intelligenz, variierend nach Anwendungsgebiet und Reichweite der Definition. Eine allgemeingültige Definition gibt es bislang nicht, lediglich Annäherungen und Abgrenzungen. Oftmals wird in Kontext von Industrie und Wirtschaft mit KI das Teilgebiet des Maschinellen Lernens gleichgesetzt.

Vielfach wird ein Computersystem als Künstliche Intelligenz bezeichnet, das mithilfe sogenannter selbstlernender Algorithmen aus bereits vorhandenen, antrainierten Datensätzen „Entscheidungen“ trifft und Lösungen für Probleme findet. Konventionelle Programme operieren dagegen in einem Modus, nach dem in vorher definierten und einprogrammierten Rechenschritten und im Rahmen festgesetzter Regeln Prozesse durchgeführt und Aufgaben abgearbeitet werden. Künstliche Intelligenz benötigt große Datenmengen in einem bestimmten Qualitätsniveau, mit denen der Algorithmus angelernt und trainiert wird. Mit steigender Datenmenge und -qualität können in der Regel präzisere Ergebnisse erzielt werden. Weitergehende Erläuterungen und der aktuelle Stand der Definitionsansätze werden in dem Themenmodul „Smart Data und Künstliche Intelligenz“ dargestellt.

In einer aktuellen Publikation der Plattform Lernende Systeme werden zudem die Zusammenhänge von Künstlicher Intelligenz und ökologischer, ökonomischer und sozialer Nachhaltigkeit umfangreich aufgezeigt. Demnach sind beide Transformationstrends (Digitalisierung durch KI und nachhaltige Entwicklung) gemeinsam zu betrachten, da sie sich gegenseitig verstärken können. Nachhaltigkeitsaspekte können auf der einen Seite mittels KI-Anwendungen positiv beeinflusst werden (siehe Abschnitt 6). Auf der anderen Seite wird im Zuge der technologischen Weiterentwicklung die Orientierung an Nachhaltigkeitszielen für die Entwicklung und Implementierung Künstlicher Intelligenz immer wichtiger.

Was sind die Sustainable Development Goals?

Die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs), 2016 von den Vereinten Nationen herausgegeben, bilden einen weltweiten Plan, globale Herausforderungen gemeinsam anzugehen. Dabei handelt es sich um eine Agenda, um Lösungen für Probleme rund um Thematiken wie Klimawandel, Armut, Umweltverschmutzung, Bildung, Gesundheit und Ernährung zu erarbeiten. Es sollen damit die übergeordneten Ziele verfolgt werden, ein ressourcenschonendes Gesellschaftssystem samt ökologisch nachhaltigem Wirtschaftswachstum zu schaffen sowie Ungleichheiten in der Bevölkerung abzubauen. Die Umsetzung der Ziele sowie die Maßnahmenerarbeitung erfolgen auf Ebene der UN-Mitgliedsländer, zum Beispiel in Form von nationalen Nachhaltigkeitsstrategien. In jährlichen Berichten werden Fortschritte und weiter bestehende Herausforderungen dokumentiert und anhand von Statistiken für den aktuellen Berichtszeitraum erläutert, etwa als visuelle Übersicht mittels des SDG-Indexes.

Die 17 Ziele bestehen aus insgesamt 169 konkreter ausgerichteten Unterzielen, unterteilt in inhaltlich beschriebene Ziele und zur Umsetzung benötigte Maßnahmen.

Im Folgenden werden die Ziele samt Unterziele aufgelistet, die laut wissenschaftlicher Literatur am stärksten durch die Nutzung von Künstlicher Intelligenz profitieren könnten. Diese ausgewählten Unterziele sind zudem besonders für die Arbeit von Mitbestimmungsakteuren interessant und relevant (die Formulierungen der Ziele wurden von den Seiten der SDG-Indikatoren übernommen):

Ziel 7: Bezahlbare und saubere Energie

  • SDG 7.1: Bis 2030 den allgemeinen Zugang zu bezahlbaren, verlässlichen und modernen Energiedienstleistungen sichern.
  • SDG 7.2: Bis 2030 den Anteil erneuerbarer Energie am globalen Energiemix deutlich erhöhen.
  • SDG 7.3: Bis 2030 die weltweite Steigerungsrate der Energieeffizienz verdoppeln.

Ziel 8: Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum

  • SDG 8.2: Eine höhere wirtschaftliche Produktivität durch Diversifizierung, technologische Modernisierung und Innovation erreichen, einschließlich durch Konzentration auf mit hoher Wertschöpfung verbundene und arbeitsintensive Sektoren.
  • SDG 8.8: Die Arbeitsrechte schützen und sichere Arbeitsumgebungen für alle Arbeitnehmer, einschließlich der Wanderarbeitnehmer, insbesondere der Wanderarbeitnehmerinnen, und der Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen, fördern.

Ziel 9: Industrie, Innovation und Infrastruktur

  • SDG 9.2: Eine breitenwirksame und nachhaltige Industrialisierung fördern und bis 2030 den Anteil der Industrie an der Beschäftigung und am Bruttoinlandsprodukt entsprechend den nationalen Gegebenheiten erheblich steigern und den Anteil in den am wenigsten entwickelten Ländern verdoppeln.
  • SDG 9.4: Bis 2030 die Infrastruktur modernisieren und die Industrien nachrüsten, um sie nachhaltig zu machen, mit effizienterem Ressourceneinsatz und unter vermehrter Nutzung sauberer und umweltverträglicher Technologien und Industrieprozesse, wobei alle Länder Maßnahmen entsprechend ihren jeweiligen Kapazitäten ergreifen.
  • SDG 9.5: Die wissenschaftliche Forschung verbessern und die technologischen Kapazitäten der Industriesektoren in allen Ländern und insbesondere in den Entwicklungsländern ausbauen und zu diesem Zweck bis 2030 unter anderem Innovationen fördern und die Anzahl der im Bereich Forschung und Entwicklung tätigen Personen je 1 Million Menschen sowie die öffentlichen und privaten Ausgaben für Forschung und Entwicklung beträchtlich erhöhen.

Ziel 10: Weniger Ungleichheiten

  • SDG 10.2: Bis 2030 alle Menschen unabhängig von Alter, Geschlecht, Behinderung, Rasse, Ethnizität, Herkunft, Religion oder wirtschaftlichem oder sonstigem Status zu Selbstbestimmung befähigen und ihre soziale, wirtschaftliche und politische Inklusion fördern.
  • SDG 10.4: Politische Maßnahmen beschließen, insbesondere fiskalische, lohnpolitische und den Sozialschutz betreffende Maßnahmen, und schrittweise größere Gleichheit erzielen.

Ziel 12: Nachhaltige/r Konsum und Produktion

  • SDG 12.2: Bis 2030 die nachhaltige Bewirtschaftung und effiziente Nutzung der natürlichen Ressourcen erreichen.
  • SDG 12.6: Die Unternehmen, insbesondere große und transnationale Unternehmen, dazu ermutigen, nachhaltige Verfahren einzuführen und in ihre Berichterstattung Nachhaltigkeitsinformationen aufzunehmen.

Ziel 13: Maßnahmen zum Klimaschutz

  • SDG 13.3: Die Aufklärung und Sensibilisierung sowie die personellen und institutionellen Kapazitäten im Bereich der Abschwächung des Klimawandels, der Klimaanpassung, der Reduzierung der Klimaauswirkungen sowie der Frühwarnung verbessern.

Welche Anwendungsgebiete für KI in der Energiewirtschaft gibt es?

Die Energiewirtschaft steht als enorm emissionsintensive Industrie im Mittelpunkt der ökologischen und technologischen Transformation. Als Hauptbestandteile der Energiewende gelten zum einen die Umstellung von konventionellen, fossilen Energieträgern auf erneuerbare Energieträger, zum anderen die Steigerung der Energieeffizienz und -einsparung. Daher beinhaltet die Energiewende sowohl technische wie auch soziale Aspekte. Als technische Innovation können Programme mit Künstlicher Intelligenz in der Energiewirtschaft zur Erreichung dieser beiden Ziele der Energiewende mitwirken.

KI wird bereits heute in der Energiewirtschaft genutzt, ihr wird jedoch in der künftigen Gestaltung des Energiesystems eine potenziell wachsende Rolle zugeschrieben. Dabei sind KI-Anwendungen sowohl auf Anbieter- als auch auf Nachfrageseite einsetzbar, insbesondere im sogenannten „intelligenten Stromnetz“ (Smart Grids) und bei der Sektorenkopplung. Zu den zentralsten Einsatzgebieten von KI in der Energiewirtschaft zählen folgende, wie in einer Studie der Deutschen-Energie-Agentur (dena) dargestellt wird:

  1. Prognose
  2. Betriebsoptimierung
  3. Bestandsoptimierung und strategische Geschäftsentscheidungen
  4. vorausschauende Wartung
  5. Wartung, Reparatur, Rückbau
  6. Sicherheitsmaßnahmen
  7. vereinfachte Teilhabe aktiver Verbraucher
  8. Individualisierung von Produkten und Marketingmaßnahmen
  9. Prozessautomatisierung für Messungen, Abrechnung und allgemeines Vertriebsgeschäft

Von den neun Anwendungsfeldern stehen vornehmlich die Punkte 1, 2, 4, 5 und 7 in deutlicher Verbindung mit den SDGs, speziell mit den Zielen 7, 9, 12 und 13. Künstliche Intelligenz kommt vor allem dort zum Einsatz, wo eine große Menge verwertbarer Daten anfällt: bei Smart Metern, also intelligenten Strom- oder Gaszählern sowie Kommunikationseinheiten, die den Versorgern die jeweiligen Verbrauchsdaten digital kommunizieren können. Diese werden in Deutschland ab 2032 zur Pflicht. KI kann einen mit Smart Metern vernetzten Haushalt aufgrund von Nutzungsvorlieben und aktuellen Preisen dabei unterstützen, Strom zu sparen und das Netz zu stabilisieren. Auch die Einbindung erneuerbarer und dezentral gewonnener Energie in das Energienetz, oft von stärkeren Schwankungen als bei der fossilen Energieerzeugung begleitet, kann durch eine KI effektiv gesteuert werden und damit Lastenspitzen entgegenwirken. Damit könnten potenziell neu entstehende Plattformen für den flexiblen Energiehandel zur Infragestellung alter und zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle führen. Der Umgang mit diesen Trends und mit den sich parallel wandelnden Anforderungen an Qualifikationen von Beschäftigten beziehungsweise an Organisationsstrukturen bei Energieversorgern sind Themen, die für Mitbestimmungsakteure künftig einen größeren Fokus darstellen könnten (siehe auch Themenmodul Peer-to-Peer Energiehandel).

Des Weiteren kann eine KI die komplexe Steuerung von Energieflüssen im Bereich der Sektorkopplung unterstützen. Darunter wird die Verbindung einzelner Bereiche des Energiesystems verstanden. Beispielsweise kann ein Elektroauto als Energiespeicher für „überschüssige“ Energie dienen, Überschussenergie kann auch aus anderen Bereichen in der Industrie gezielt eingesetzt werden. Das Potenzial von KI in der Sektorkopplung wird von 2023 bis 2026 in einem von der Carl-Zeiss-Stiftung geförderten Forschungsprojekt untersucht.

Laut einer Studie der Stiftung Arbeit und Umwelt der IGBCE ist es für Mitbestimmungsakteurinnen und -akteure der Energiewirtschaft zentral, sowohl im Bereich der Digitalisierung als auch bei der ökologischen Transformation Möglichkeiten zu haben, eigene Initiativen einzubringen. Allerdings haben Betriebsräte bei Umweltthemen nach Betriebsverfassungsgesetz keine erzwingbaren Mitbestimmungsrechte. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften schlagen eine umfassende Modernisierung des BetrVG vor. Unter anderem sieht der Reformentwurf vor, den Betriebsräten ein stärkeres Initiativ- und Mitbestimmungsrecht für Maßnahmen des Umwelt- und Klimaschutzes einzuräumen. Es wird vorgeschlagen, dass der Betriebsrat bei der Wahl einer umweltfreundlicheren Produktion mitentscheiden soll. Zudem, so der Reformvorschlag, soll in Betrieben ab 100 Beschäftigten ein Umweltausschuss eingerichtet werden können.

Wo liegen die Anwendungspotenziale in der Luftfahrt?

In Entsprechung zur Energiewende wird die ökologische Transformation im Verkehrssektor meist als „Verkehrswende“ bezeichnet. Die Initiative Agora Verkehrswende versteht darunter das Ziel, die vorhandenen Mobilitätsstrukturen so umzustellen, dass sie den Klimaschutzbestrebungen der Energiewende entsprechen. Daher bedarf es Diskussionen über die Neugestaltung der für den Verkehr genutzten Energieträger und die umwelt- und sozialverträglichsten Fortbewegungsarten der Zukunft.

Der Luftverkehr sieht sich vor allem der Herausforderung gegenübergestellt, einen gleichwertigen Kraftstoff zu Kerosin zu finden, der sich vergleichsweise einfach und günstig gewinnen lässt und weniger Treibhausgasemissionen verursacht. Zurzeit werden unterschiedliche Stoffe erprobt, aber die Markttauglichkeit einer ökonomisch und ökologisch sinnvollen Alternative scheint bislang nicht unmittelbar bevorzustehen. Künstliche Intelligenz könnte in der Zwischenzeit in dem Vorhaben unterstützen, Prozesse zu optimieren und die Langlebigkeit von Bauteilen zu verbessern. Die Europäische Agentur für Flugsicherheit sieht KI insbesondere in folgenden Bereichen relevant für die künftige Gestaltung der Luftfahrt:

  1. virtuelle Flugassistenzen
  2. Bilderkennung
  3. Flugroutenoptimierung
  4. Predictive Maintenance und digitale Zwillinge in Produktion und Wartung

Dementsprechend daran könnte eine Reihe technologischer Möglichkeiten laut einer KI-Expertin bei Lufthansa Industry Solutions neben wirtschaftlichen Zwecken auch Nachhaltigkeitsziele verfolgen. Die Potenziale von KI in der Fertigung und Instandhaltung von Bauteilen könnten, da meist sehr komplex, zu einer effizienteren Form von Wartungsarbeiten sowie des Materialverbrauchs führen (SDG 9). Mittels Deep Learning ist es weiterhin realisierbar, Werkstoffe besser bewerten zu können, auch nach ökologischen Standards. Mithilfe der Flugroutenoptimierung wird das Ziel verfolgt, den Treibstoffeinsatz zu reduzieren (SDG 13). Zudem soll eine KI-Anwendung imstande sein, das tatsächliche Passagieraufkommen präziser vorherzusagen und so beispielsweise die benötigten Ressourcen wie Mahlzeiten an Bord und in den Restaurants der Flughäfen effektiver zu planen (SDG 12).

Welche Chancen bietet KI in der Erreichung der SDGs?

In Abschnitt 3 werden die für Mitbestimmungsakteure relevanten SDGs vorgestellt und es wird für die jeweiligen Aspekte diskutiert, wie KI zur Erreichung des Ziels beitragen könnte. In den Abschnitten 6 und 7 soll im Fokus stehen, welche fördernden oder hemmenden Faktoren zur Zielerreichung im Zusammenhang mit KI existieren. Für Mitbestimmungsakteure können nachhaltigkeitspolitische Aufgaben künftig stärker im Fokus stehen – insbesondere in einem weit gefassten Nachhaltigkeitsbegriff, der Ökologie, ökonomische Wettbewerbsfähigkeit und soziale Gerechtigkeit zusammenbringt. Es ist von Vorteil, Transformationstrends im Einklang von unternehmerischem Wachstum, Fairness und gelebter Beteiligungspraxis zu betrachten. Den Umbrüchen, die im Zuge einer KI-Einführung zur Erreichung von Nachhaltigkeitszielen auftauchen können, kann durch Mitbestimmungsakteure mit einer transparenten Kommunikations- und Beteiligungskultur begegnet werden. Im Folgenden werden aus technologischer Sicht je Nachhaltigkeitsziel die Chancen beziehungsweise die fördernden Faktoren einer KI zur Erreichung des jeweiligen Zieles und der Unterziele dargestellt:

Ziel 7: Bezahlbare und saubere Energie

  • Das Energienetz der Zukunft wird aller Voraussicht nach viel dezentraler und komplexer werden. Dazu gehört die vermehrte Erzeugung erneuerbarer Energie durch Haushalte und Unternehmen, die selbst als Produzenten Energie in das Netz einspeisen. Mittels smarter Energiezähler können künftig viel dynamischere Angebots- und Nachfragestrukturen entstehen (siehe Themenmodul zu Peer-to-Peer-Energiehandel). KI-Anwendungen können perspektivisch die Steuerung von Energienetzen effektiver und anhand besserer Prognosen ressourcensparender und gezielter gestalten.
  • Bei der Energieeffizienz von Haushalten und Industrieanlagen ist es mithilfe von KI möglich, weitere Parameter in die Temperatur- und Beleuchtungssteuerung einzubeziehen wie Wetterprognosen, Anzahl anwesender Personen und durchschnittliches Nutzungsverhalten.
  • Weiterhin wird zurzeit unter der Förderung des Bundesumweltministeriums ein Geoinformationssystem mit KI-Bezug entwickelt, welches effizienter potenzielle Standorte für Windenergieanlagen identifizieren soll. Damit soll zum schnelleren Ausbau von Onshore-Windenergieanlagen beigetragen werden. Zudem sind Windkraft- oder auch Fotovoltaikanlagen je nach Windrichtung sowie -stärke beziehungsweise Einstrahlungswinkel mit KI-Unterstützung gezielter steuerbar.

Ziel 8: Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum

  • Schätzungen zufolge kann die Verbreitung von KI-Technologien in vielen Branchen zu einem positiven Wirtschafts- und Arbeitsmarktwachstumseffekt führen.
  • KI-Anwendungen werden in vielen Bereichen vornehmlich so wahrgenommen, dass sie als monoton empfundene oder auch körperlich anstrengende Aufgaben automatisieren oder unterstützen können. Damit würde zu einer Arbeitsqualitätssteigerung beigetragen.

Ziel 9: Industrie, Innovation und Infrastruktur

  • KI bietet eine Vielzahl industrieller Einsatzmöglichkeiten und Anwendungsfälle, zum Beispiel in der Sortierung von Kundenanfragen, in der Werkstoffprüfung oder der automatisierten Qualitätskontrolle.
  • Infrastrukturen würden beispielsweise von KI profitieren, indem mittels präziserer Vorausschau und Echtzeit-Datenanalyse Stabilität und Zuverlässigkeit verbessert würden. Dies könnte sowohl in Energie- als auch in Wasser- oder Verkehrsinfrastrukturen Anwendung finden.
  • Auch in der akademischen und industriellen Forschung und Entwicklung bietet Künstliche Intelligenz breit gefächerte Einsatzmöglichkeiten. Von der Modellentwicklung über die Prototypenkonzipierung bis zur Risikominimierung kann eine KI den Innovationsprozess in fast allen Teilschritten unterstützen.

Ziel 10: Weniger Ungleichheiten

  • Ein zentrales Einsatzfeld von KI im Gesundheitsbereich ist die Pflege. Digitale Assistenzsysteme, etwa in Form von unterstützender Robotik oder Software, befinden sich zum Teil bereits auf dem Markt. Jedoch steht die Entwicklung von personenspezifischen und miteinander interagierenden Pflegesystemen erst am Anfang. Zielgruppen sind Pflegebedürftige mit Demenz oder Personen mit geistigen oder körperlichen Behinderungen. Die Anwendungen reichen von Texterkennung über Sprachunterstützung bis hin zum Erkennen von Mimik und Emotionen für Menschen aus dem Autismus-Spektrum.
  • Im vom BMAS geförderten Forschungsprojekt KI.Assist wurde bis 2022 mit Fokus auf der Differenzierung von Personengruppen, die am stärksten von KI-Unterstützungssystemen profitieren könnten, geforscht. Im Abschlussbericht des Projekts werden Erfahrungen aus Lern- und Experimentierräumen geteilt und Handlungsempfehlungen für Unternehmen, Forschung und Politik abgeleitet.

Ziel 12: Nachhaltige/r Konsum und Produktion

  • Ein Aspekt nachhaltigen Konsums beziehungsweise nachhaltiger Produktion ist das Modell der Kreislaufwirtschaft, also die materielle Weiter- und Wiederverwendung von produzierten Gütern, die ihren eigentlichen Verwendungszweck bereits erfüllt haben. Es sind KI-Anwendungen in der Erprobung, die eine gezieltere Sortierung von Abfällen ermöglichen und perspektivisch recyclingfähige Werkstoffe über den gesamten Stoffkreislauf verfolgen können. Dafür müssen bereits in der Produktherstellung Daten in genügender Qualität gesammelt und durch den Werkstofffluss weitergeleitet und -verarbeitet werden.
  • Als wichtige Aspekte des Kreislaufsystems werden das Datenmanagement und die Aufbereitung sowie Kommunikation von nachhaltigkeitsrelevanten Informationen gesehen. Laut einer Potenzialanalyse von KI in produzierenden Unternehmen der Fraunhofer-Institute IAO und IPA fallen an vielen Stellen in Produktionsprozessen Daten an, die von einer KI für die Berichtslegung aufgearbeitet werden könnten.

Ziel 13: Maßnahmen zum Klimaschutz

  • Der Beitrag von Künstlicher Intelligenz zum Klimaschutz bezieht sich vor allem auf die Reduktion von ausgestoßenen Treibhausgasen. Darunter fallen Maßnahmen wie die Erhöhung der Energieeffizienz und Verringerung der Energiesuffizienz, also der Grad der Ergiebigkeit der erzeugten Energie und Gesamtmenge nachgefragter Energie. Weitere Informationen dazu in den Ausführungen zu SDG 7 und Abschnitt 4.
  • Eine weitere Möglichkeit, Künstliche Intelligenz zum Schutz von Klima, Natur und Umwelt einzusetzen, wird zurzeit in der Waldbrandbekämpfung erforscht und erprobt. Waldbrände setzen weltweit einen hohen Anteil CO2 frei. Mithilfe von über 100 Sensoren werden beispielsweise in Brandenburg aufkommende Brände anhand von chemiekalischer Zusammensetzung des Rauches in Echtzeit über eine KI in der Cloud analysiert. Ähnliche Frühwarnsysteme existieren bereits in den USA und werden sich zunehmend global verbreiten. Sie können nicht nur Waldbrände konkreter analysieren und Werdegänge vorausberechnen, sondern dienen ebenfalls bei Hochwasser- oder Erdbebenkatastrophen als Unterstützung.

Welche Herausforderungen werden identifiziert?

Neben Chancen von KI-Anwendungen in dem Bestreben, die Erreichung von SDGs zu unterstützen und zu fördern (siehe Abschnitt 6), werden derzeit diverse Herausforderungen und potenziell hemmende Faktoren diskutiert. In den Diskursen immer wiederkehrende Punkte sind beispielsweise der teils hohe Energiebedarf von KI-Entwicklung und -training, Möglichkeiten zur Überwachung oder systematische Ungleichbehandlungen aufgrund von Verzerrungen in den Daten.

Ziel 7: Bezahlbare und saubere Energie

  • Ein häufig kritisch diskutierter Aspekt ist der potenziell hohe Energieverbrauch von KI-Anwendungen, insbesondere in der „Trainingsphase“. Daher gilt das Konzept von Datenminimalismus und -effizienz, damit die Potenziale zur Energie- und Emissionseinsparung nicht durch den hohen Energieaufwand für Rechenzentren geschmälert werden (Rebound-Effekt).
  • Zudem sollte nur dort eine Künstliche Intelligenz Prozesse unterstützen, wo es nach vorheriger Evaluation als sinnvoll erscheint. Wenn Vorgänge automatisiert werden, die möglicherweise keiner Automatisierung bedürfen, könnten unnötige Mengen an Energie und Zeit aufgewendet werden. Auch hängt die Klimabilanz von der Energiequelle ab, mit der KI-Rechenzentren betrieben werden.

Ziel 8: Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum

  • Künstliche Intelligenz ist je nach Anwendungszweck eine Herausforderung für das Ziel der umfassenden menschenwürdigen Arbeit.
  • KI-Anwendungen können ein Teil von Überwachungssoftware und sogenannter Bossware sein. Diese dient dazu, Beschäftigte während der Arbeit zu überwachen und auszuspähen, womit intransparente Leistungs- und Verhaltenskontrollen mit hoher Präzision sowie Eingriffe in die Privatsphäre denkbar sind. Überwachung von Beschäftigten hat insbesondere mit der Coronavirus-Pandemie und der Verbreitung von Homeoffice-Arbeitsmodellen an Relevanz zugenommen. In diesem Bereich kommen vornehmlich digitale Programme zum Einsatz, die Arbeiten am Computer in produktive und nicht-produktive Aktivitäten einteilen und dementsprechend bei den einzelnen Beschäftigten aufzeichnen. So könnten auch Arbeitgeber unbefugte Kenntnisse über das Privatleben der Beschäftigten erlangen. Mitbestimmungsakteure sind daher in Veränderungsprozesse miteinzubeziehen, um Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu wahren.
  • Derzeit wird kontrovers diskutiert, inwiefern eine breit gefächerte Einführung von KI-Technologien in industrielle Zweige und Dienstleistungsbranchen gesamtgesellschaftlich zu einem relativen Beschäftigungszuwachs oder zu einer -abnahme führen wird. Argumente existieren für beide Sichtweisen und aktuelle Prognosen können bestenfalls einzelne Anwendungsebenen oder Branchen betrachten. Zudem muss hinsichtlich Anforderungs- und Qualifikationsniveau unterschieden werden. Auch können das Vorhandensein eines Betriebsrats, eine starke Mitbestimmungskultur und Investitionsmöglichkeiten des Unternehmens Einfluss auf die Beschäftigungsentwicklung im Zuge der KI-Einführung haben.

Ziel 9: Industrie, Innovation und Infrastruktur

  • In der aktuellen Literatur finden sich wenig bis kaum Hinweise darauf, inwiefern KI ein hemmender Einflussfaktor beim Aufbau einer widerstandsfähigen Infrastruktur, bei der Förderung einer nachhaltigen Industrialisierung oder der Unterstützung von Innovation sein könnte.

Ziel 10: Weniger Ungleichheiten

  • Die rasche Verbreitung von KI-Technologien und sich damit verändernde Arbeitsumgebungen und Aufgaben bergen unter Umständen die Herausforderung, weniger technikaffine Beschäftigte „abzuhängen“. Frühzeitige Qualifizierungsmodelle und die Evaluation von Bedarfen der Beschäftigten werden damit noch stärker in den Mittelpunkt rücken, wie in Abschnitt 9 ausgeführt wird.
  • In den vergangenen Jahren wurden zunehmend Fälle in der Öffentlichkeit diskutiert, in denen eine KI bestimmte Menschen aufgrund demografischer Merkmale diskriminierte. Beispiele dafür sind Gesichtserkennungsprogramme, die nicht-weiße Menschen sowie Frauen schlechter erkennen oder in der Unterstützung zur Auswahl von Bewerberinnen und Bewerbern bestimmte Nationalitäten oder Geschlechter systematisch schlechter bewerten. Dem liegt oft eine Verzerrung in den Trainingsdaten oder ein wenig divers aufgestelltes Forschungs- und Entwicklungsteam zugrunde.

 
Ziel 12: Nachhaltige/r Konsum und Produktion

  • Künstliche Intelligenz ist prinzipiell eine anwendungsoffene Technologie, daher kann sie nicht nur Ressourceneffizienz unterstützen, sondern auch Konsum und Produktion antreiben. Klimaschädliche Produkte in emissionsintensiven Produktionsumgebungen könnten daher von KI-gesteuerten Prozessoptimierungen profitieren, wenn Nachhaltigkeitskriterien nicht mitgedacht werden und lediglich die zu produzierende Menge gesteigert werden soll.
  • Aus Sicht des Vertriebs beziehungsweise des Marketings können KI-Algorithmen eingesetzt werden, um Produkte in Onlineshops zielgruppengerechter zu vermarkten mit dem Ziel, den Absatz zu steigern, was dem in Abschnitt 6 dargestellten Suffizienzkonzept potenziell entgegenlaufen würde.

Ziel 13: Maßnahmen zum Klimaschutz

  • Programme mit KI-Charakter werden für Einsatzzwecke genutzt, die dem Klimaschutz entgegenwirken. So kann eine KI in der Erschließung von Öl- oder Gasfeldern zur Verwendung kommen und damit Treibhausgasemissionen intensivieren.
  • Hierzu zählen des Weiteren die Ausführungen zu Ziel 7 und Ziel 12.

Wie stellt sich der KI-Standort Deutschland im internationalen Vergleich dar?

In den vergangenen Jahren haben die Regierungen der meisten Industrieländer KI-Strategien vorgelegt. Ziel der Strategien ist es, ein Leitbild dafür zu definieren, in welche Richtung sich das Land mit Blick auf die Erforschung sowie die wissenschaftliche, wirtschaftliche und private Implementierung von KI-Anwendungen bewegen möchte. Je nach bisheriger akademischer Ausrichtung setzen die Staaten unterschiedliche Schwerpunkte. Die Plattform Lernende Systeme des Bundesministeriums für Bildung und Forschung bietet auf ihrer Webseite einen Überblick über nationale KI-Strategien, strukturelle Schwerpunktsetzungen und staatliche Investitionssummen. Zudem findet sich in einem Papier der Europäischen Kommission ein Vergleich der KI-Strategien einzelner Länder mit Bezug auf die Erreichung von Zielen des European Green Deal.

In nahezu allen Strategiepapieren liegt der Fokus vornehmlich auf den Bereichen Forschung und Innovation, Aus- und Weiterbildung sowie Künstliche Intelligenz als Wirtschafts- und Standortfaktor. Weitere Unterscheidungspunkte liegen in den Gebieten rechtliche Regulierung, ethische Richtlinien und Datenschutzmaßnahmen. Nachhaltigkeitsaspekte werden meist am Rande erwähnt oder sind lediglich ohne Verbindung mit konkreten Zielsetzungen genannt. Einzelne Schwerpunkte werden beispielsweise in Japan, Singapur, Australien, Italien oder auch in Deutschland aufgezählt. In diesem Zusammenhang sind mehrheitlich Beiträge von KI-Anwendungen zu Effizienzsteigerung, Steuerungsunterstützung und Modellentwicklung im Energie- und Ressourcenmanagement, in der Bildungs- und Gesundheitsarbeit sowie Infrastruktur und Landwirtschaft zu finden.

Eine konkrete Wettbewerbspositionierung des Standorts Deutschland wird von der Konrad-Adenauer-Stiftung herausgegeben. Der sogenannte Cambrian-Index soll anhand einer Vielzahl an Variablen (unter anderem Patentanmeldungen, Anzahl relevanter Start-ups, akademischer Output etc.) Länder in ihrer KI-Entwicklung miteinander vergleichen. Stand 2019 gelten die USA und China als führende KI-Nationen. Deutschland liegt knapp hinter Südkorea etwa gleichauf mit Japan und Singapur. Auch laut Meinung von Expertinnen und Experten steht Deutschland im internationalen Wettbewerb gut da und punktet vor allem mit der fachlich breiten Aufstellung in der wissenschaftlichen Forschung und der guten Verzahnung mit der Industrie. Eine Befragung von KI-affinen KMU zeigt jedoch Verbesserungspotenzial für den Standort Deutschland auf. Trotz einiger Stärken werden insbesondere Möglichkeiten zur öffentlichen Förderung, IT-Infrastruktur, Datenverfügbarkeit sowie Fachkräfteangebot und gesellschaftliche Offenheit gegenüber KI-Anwendungen als defizitär angesehen.

Welchen Einfluss haben Mitbestimmungsakteure?

Mitbestimmungsakteure wie Mitglieder von Betriebs- und Aufsichtsräten sehen sich bei der Gestaltung von KI-Anwendungen und der Umsetzung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen im Unternehmen großen Herausforderungen gegenübergestellt. Zusammenfassend lassen sich die Einflussbereiche von Mitbestimmungsakteuren durch folgende Fragestellungen darstellen:

  • Wie kann eine ökologisch und sozial nachhaltige Betriebskultur, ausgerichtet nach den SDGs, unter Beteiligung der Belegschaft und ihrer Vertretungen gestaltet werden?
  • Welche Möglichkeiten haben Mitbestimmungsorgane und die Beschäftigten, eine auf den Menschen gerichtete KI-Kultur zu etablieren, wenn die Einführung von KI-Anwendungen geplant wird? Wie können Veränderungsängste der Beschäftigten abgebaut werden?
  • Welche Qualifizierungsbedarfe ergeben sich im Handlungsfeld KI und Nachhaltigkeit im Unternehmen? Wie lassen sich neue Fachkräfte mit entsprechenden Kenntnissen gewinnen beziehungsweise bestehende weiterqualifizieren? Welche IT-Infrastruktur und Datenschutzvorkehrungen werden benötigt?

Anwendungen Künstlicher Intelligenz besitzen zunächst das Potenzial, generell unliebsame, monotone Arbeiten zu automatisieren oder zumindest stark zu vereinfachen und für Beschäftigte effizienter zu machen. Darunter fallen branchenübergreifend vorwiegend Tätigkeiten in der Datenanalyse und -aufbereitung, der Vorhersage und Entscheidungsfindung. Zudem werden stetig neue Anwendungen entwickelt, die neue Aufgabenbereiche einnehmen, von Steuerungsaktivitäten bis hin zur Unterstützung in Modell- und Prototypenentwicklungen. Viele dieser Arbeitsprozesse stehen auch im Zusammenhang mit den bereits beschriebenen Trends mit Relevanz zu den SGDs. Damit geht ein substanzieller Wandel der Arbeitswelt einher. Der Deutsche Gewerkschaftsbund ruft daher dazu auf, die Transformation mit dem Mensch im Fokus zu denken und bereits von Beginn des Veränderungsprozesses an Perspektiven für Kompetenzentwicklung und Weiterbeschäftigung aufzuzeigen.

Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di sieht die zentrale Herausforderung darin, im Geflecht der komplexen Transformationstrends (technologisch, sozial und ökologisch) die Beschäftigten mitzunehmen und in Veränderungsprozesse einzubeziehen. Zusätzlich werden von ver.di die Notwendigkeit klarer Ethikrichtlinien im Kontext von Arbeit, die Schaffung einer verantwortlichen Stelle, eine Kennzeichnungspflicht von KI-generierten Inhalten sowie die Transparenz von Effizienzgewinn durch KI gefordert. Ihre ethischen Leitlinien im betrieblichen Umgang mit KI hat ver.di 2020 veröffentlicht. Die IG Metall sieht aktive Gewerkschaftsarbeit als notwendig an für eine sozialverträgliche Implementierung von KI. Unter anderem wurde im Rahmen des STEPS-Verbundforschungsprojekts das Software-Tool „Kompass Digitalisierung“ erarbeitet. Mit diesem Tool sollen betriebliche Akteure darin unterstützt werden, auch soziale Aspekte in der Prozessdigitalisierung zu beachten.

So wurde der Ansatz „Gute Arbeit by Design“ geprägt, womit deutlich werden soll, dass umfangreiche KI-Implementierung die Arbeit von Beschäftigten nicht vollständig ersetzen, sondern komplementieren und unterstützen soll. Mit diesem übergreifenden Stichwort wird veranschaulicht, wie Beschäftigte und ihre Vertretungen bereits in Konzeptions- und Erprobungsphasen, also noch vor der eigentlichen KI-Implementierung, in einem breiten Gestaltungs- und Beteiligungsprozess involviert werden sollten.

Innovationen wie KI-Anwendungen bedürfen einer allgemeinen Mitbestimmungskultur, um die Technologie an die konkreten Bedarfe von Beschäftigten und die bestehenden Arbeitsprozesse bestmöglich anpassen zu können, wie in der in Abschnitt 1 angesprochenen Studie der Stiftung Arbeit und Umwelt der IGBCE deutlich wird. Eine Beteiligung aller Sozialpartner und der Beschäftigten ist notwendig, da die großen Transformationstrends in allen Unternehmen unterschiedlich ankommen und verarbeitet werden, variierend nach Branche, Geschäftsmodell, Unternehmensgröße und -kultur. Daher kann sich zwar an gewerkschaftlichen und wissenschaftlichen Handlungsleitfäden orientiert werden, konkrete Handlungsfelder und Lösungen für die eigenen Betriebsabläufe sind jedoch gemeinsam auf Unternehmensebene zu erarbeiten. Auf dem Mitbestimmungsportal findet sich beispielsweise ein Nachhaltigkeitskompass für Aufsichtsräte, der eine Übersicht über relevante Themen aufzeigt, beispielsweise zu Berichtslegung, Nachhaltigkeitsrankings, globalen Rahmenvereinbarungen, EU-Taxonomie oder Sorgfaltspflichten in Lieferketten. Ebenfalls werden auf der Seite des Instituts für Mitbestimmung und Unternehmensführung der Hans-Böckler-Stiftung Auszüge aus Betriebs- und Rahmenvereinbarungen rund um KI und algorithmische Systeme sowie Beispiele aus der betrieblichen Praxis zusammengetragen. Darüber hinaus konnte eine Studie feststellen, dass die Zahl der DAX- und MDAX-Unternehmen, in denen soziale und ökologische Kriterien neben dem finanziellen Unternehmenserfolg für die Vorstandsvergütung eine wachsende Rolle spielen, seit 2013 stark angestiegen ist. So besteht die Möglichkeit für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie für Arbeitnehmervertreterinnen und -vertreter, in Aufsichtsräten Nachhaltigkeitsthemen in die Unternehmensführung einfließen zu lassen.

Weiterführende Informationen

Working Paper 283

Beesch, Simon; Malanowski, Norbert; Nisser, Annerose: Mit Künstlicher Intelligenz die Sustainable Development Goals erreichen

Working Paper Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung

Nummer 283

April 2023, 54 Seiten

Quelle

Destatis (2023): Indikatoren der UN-Nachhaltigkeitsziele, (Abruf am 13.04.2023).

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