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Professionalisierung für die Mitbestimmung

Professionalisierung von Betriebsräten­ am Beispiel von Stabsbeschäftigten

Stabsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter sind Angestellte des Gremiums. Sie sind Mitbestimmungsakteure ohne Mandat und gerade deshalb betrieblich und gewerkschaftspolitisch nicht unumstritten. Sie stehen für Professionalisierung der betrieblichen Mitbestimmung und können zugleich Treiber von Mitbestimmungsthemen sein, die über das betriebsverfassungsrechtliche „Tagesgeschäft“ hinausgehen.

Die betriebsverfassungsrechtlich normierten, abgestuften Mitwirkungsrechte des Betriebsrats gehen mit wachsenden fachlichen Anforderungen der Gremien einher. Matrixorganisationen, global tätige, vernetzte und in Kunden-­Lieferanten­-Beziehungen verschachtelte Unternehmen sind kommunikative und machtpolitische Herausforderungen. Neue Technologien, neue Formen des z. B. agilen Projektmanagements, und arbeitsorganisatorische Vielfalt sind Beispiele für thematische Anforderungen, die die Komplexität der Betriebsratsarbeit weiter steigern. Beschäftigte in Stabsstellen von Betriebsratsgremien sind sowohl quantitativ als auch qualitativ eine wichtige zusätzliche Ressource für die betriebliche und zum Teil auch unternehmensbezogene Mitbestimmung.

Stabsbeschäftigte zur Unterstützung der  betrieblichen Interessenvertretung sind kein ganz neues Phänomen1, gewinnen aber erst in den letzten Jahren massiv an Bedeutung. Der Bestand solcher Stellen ist allein in der ersten Hälfte des letzten Jahrzehnts um gut ein Drittel angestiegen (Helex-Institut 2016).2 Insbesondere Betriebsräte größerer Unternehmen bauen zusätzliche Kapazitäten auf in Form von Referentinnen und Referenten, Assistenzen, Stabsbeschäftigten, Geschäftsführungen, wissenschaftlichen Mitarbeitern etc. Die begriffliche Vielfalt spiegelt sich auch in der Vielfalt der Tätigkeitsprofile. Die in etwa zeitgleich im Jahr 2016 durchgeführte Befragungswelle der WSI-­Betriebsrätebefragung zeigt aber auch, dass die große Mehrheit der im Betriebsrat beschäftigten Personen ohne Mandat eher administrative Aufgaben hat. In etwa jede/r achte  Beschäftigte der Gremien mit eigenen Mitarbeitern (befragt wurden nur Unternehmen über 20  Beschäftigte) gilt als „Stabsmitarbeiter“. Die Begriffsvielfalt macht es nicht leicht, diese Gruppe klar zu quantifizieren.

Referentinnen und Referenten von Betriebsräten stehen für Ausdifferenzierung, Spezialisierung und Arbeitsteilung. Dies impliziert, dass sich ein solches Aufgabenprofil vor allem in größeren Unternehmen findet, zumal auch die Mitbestimmung in diesen Unternehmen stark und die Tarifbindung hoch ist. Schwerpunktbranche für die Funktion der Stabsmitarbeiterinnen ist die Automobilindustrie, dicht gefolgt von Stahl/Metall sowie Verkehr/Spedition/Logistik.

Es handelt sich um einen zunehmend relevanten Akteur der Mitbestimmung, der allerdings eine etwas schwächere einzelgewerkschaftliche Bindung besitzt.3 Stabsmitarbeiter oder Referentinnen und Referenten sind formal nicht Teil des betrieblichen Unterbaus der zuständigen Gewerkschaft. Dieses Manko wird durch die mitbestimmungspolitische Anbindung und die Möglichkeit des branchenübergreifenden Austauschs über die Hans-Böckler­-Stiftung ausgeglichen.

Aufgabenschwerpunkte von ReferentInnen

Stabsbeschäftigte werden heute vornehmlich zur unmittelbaren Fachunterstützung eingesetzt. Auch die Bedeutung der Öffentlichkeitsarbeit als Aufgabenfeld hat zugenommen und neue Themen wie Gremienstrukturen, Arbeitsweisen sowie Internationales werden wichtiger.
Neben der qualitativen Entlastung gibt es durchaus auch administrative Tätigkeitsbereiche im Portfolio der Stabsbeschäftigten. Gemäß der Befragung von 2016 bezeichnet sich der Großteil als „Allrounder“. 43 Prozent der Befragten arbeiten in etwa gleichgewichtig wissenschaftlich und administrativ und bringen die eigene fachlich­wissenschaftliche Expertise unmittelbar in die Gremienarbeit ein und setzen sie durch Teilnahme an Sitzungen, Besprechungen sowie Verhandlungen um. Weiterhin sind sie aktiv in der Öffentlichkeitsarbeit und zugleich verantwortlich für das Management des BR/PR-Büros (Kostenkontrolle, gegebenenfalls auch Geschäftsführung).

Wichtigste Veränderungen in der ReferentInnentätigkeit in den letzten Jahren

Vielleicht ist es gerade diese Vielfalt der Aufgaben, die diese Stellen für akademische Berufseinsteiger, aber auch erfahrene Quereinsteiger so attraktiv macht. Fakt ist, dass es in den vergangenen 20 Jahren eine deutliche Akademisierung dieses Tätigkeitsbildes gegeben hat. 57 Prozent der Referentinnen und Referenten verfügen über einen Masterabschluss oder Vergleichbares, knapp vier Prozent sind promoviert. Jeder Vierte sammelte auch Berufserfahrungen in Fachberufen, 14 Prozent waren zuvor als Betriebs- und Personalräte tätig und knapp neun Prozent kamen aus einer politischen Referententätigkeit in den Gewerkschaften.

Stabsbeschäftigte von Betriebsräten stellen mit Ihrem Knowhow eine deutliche Entlastung für die Gremien und auch eine Professionalisierung der Gremienarbeit dar. Die wachsenden Herausforderungen lösen sich aber nicht in Luft auf. Korrespondierend zu den veränderten und wachsenden Anforderungen an die Betriebsratsgremien wächst auch der Druck auf Stabsbeschäftigte. Sie beklagen in höherem Maße als noch in den Jahren zuvor wachsende Komplexität und Zeitdruck.

Die Rolle der Stabsbeschäftigten ist konfliktbeladen. Vor allem ist es die Funktion selbst und ihre Neuartigkeit, die zu Konflikten führt, insbesondere da Stabsbeschäftigte als „Nichtgewählte“ formal nicht in der unmittelbaren Verantwortung der Interessenvertretung stehen. Sie fungieren als Bindeglied im betriebs- bzw. personalrätlichen System, ohne dass sie vom Gesetz dafür vorgesehen sind. Ihre Aufgaben sind anspruchsvoll und in hohem Maße erfolgsrelevant für die Koordination und Abstimmung von Abläufen und Prozessen in der Gremienarbeit. Hier kann sich jede Menge Konfliktpotenzial mit gewählten Gremienmitgliedern verbergen, aber auch mit externen gewerkschaftspolitischen Akteuren. Balkenhol (2015: 34) hat das auf den Punkt gebracht: „Unternehmensintern werden Betriebsratsreferenten häufig als Betriebsräte wahrgenommen. Innerhalb des Gremiums können sie als eine ‚Konkurrenz ohne Mandat‘ wahrgenommen werden.“

Aus der Sicht des Arbeitgebers ist die Einrichtung einer Referentenstelle ein zweischneidiges Schwert und in hohem Maße abhängig von seiner Einstellung zur betrieblichen Mitbestimmung. Es hilft auch dem Arbeitgeber, einer weiteren Professionalisierung und der damit verbundenen erhöhten Verbindlichkeit sowie gegebenenfalls auch Entscheidungsfähigkeit des Gremiums offen gegenüberzustehen. Stabsmitarbeiter und ­-mitarbeiterinnen sind nicht zuletzt auch für ihn wichtige Ansprechpartner in sozialpartnerschaftlichen Prozessen. Unabhängig von den tatsächlichen Herausforderungen sollte hierin auch das zentrale Interesse des Betriebsrates selbst bestehen. Es geht um die grundlegende Professionalisierung bei wachsenden Herausforderungen und letztlich auch um die Herstellung von Handlungsfähigkeit.

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1 Nur vier von insgesamt dreizehn Stabsstellen in der ersten Befragung (1994) wurden in den 1970er und 1980er Jahren ins Leben gerufen.
2 Ergebnisse einer Befragung innerhalb des HBS Netzwerk „StabsmitarbeiterInnen“ mit mehr als 230 Mitgliedern aus vielen Branchen und gewerkschaftlichen Organisationsbereichen.
3 IGBCE und IG­Metall verfügen inzwischen über Betreuungssysteme mit organisationspolitischer Austauschebene.
Literatur
Balkenhol, Christoph (2015): Stabsmitarbeiter im Betriebsrat, AiB 7­8/2015, S. 31–34.
Helex Institut (2016): Stabsmitarbeiter und Referenten betrieblicher Interessenvertretungen. Eine Online-Befragung zu den Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen, unveröffentlichtes Diskussionspapier.