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Europawahl 2019

Rückenwind für die Mitbestimmung in Europa?

Große Verluste für die Regierungsparteien in Deutschland. Die Grünen hingegen legen stark zu. Der Kampf um den Posten des Kommissionspräsidenten ist noch nicht entschieden. Für die Stärkung der Mitbestimmung sind die nächsten Monate entscheidend.

Vom 23. bis zum 26. Mai fanden die Wahlen zum Europäischen Parlament statt. Mit einer europaweiten Wahlbeteiligung von 51 Prozent nahmen so viele Menschen an der Wahl teil wie seit 1994 nicht mehr. Der Anteil der Frauen im EU-Parlament wird mit 37 Prozent einen Höchstwert erreichen.

In Deutschland konnten die Unionsparteien die meisten Stimmen auf sich vereinen. Zwar verloren CDU und CSU insg. 6,4 Prozentpunkte gegenüber 2014 und rutschten damit auf einen historischen Tiefstwert ab, dennoch erhielten beide Parteien zusammen mit 28,9 Prozent die meisten Wählerstimmen.

Wahlsieger sind allerdings die Grünen. Mit einem Zuwachs von 10 Prozentpunkten und einem Gesamtergebnis von 20,5 Prozent erreichte die Partei ihr bisher bestes Ergebnis.

Den größten Verlust verzeichneten bei dieser Wahl die Sozialdemokraten. Die SPD verlor 11,5 Prozentpunkte und rutschte auf nur noch 15,8 Prozent ab. Das bisher schlechteste Ergebnis der SPD bei einer Europawahl.

Die AfD wurde viertstärkste Kraft, konnte aber mit 11 Prozent ihr selbst gestecktes Ziel, einer Verbesserung des Ergebnisses im Vergleich zur Bundestagswahl 2017, nicht erreichen. Linke und FDP holten jeweils 5,5 bzw. 5,4 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag in Deutschland bei erfreulichen 61 Prozent.

Unter Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern ist ebenfalls die SPD mit 22 Prozent der größte Verlierer. Aber auch Union und Linke mussten Federn lassen. Die Union kommt nur noch auf 22,6 Prozent und die Linke auf 7,4 Prozent. Die Gewinner sind hier die Grünen und die AFD. Während die Grünen ihr Ergebnis um 8,1 Prozentpunkte auf insg. 18,3 Prozent steigern konnten, legte auch die AfD 6,8 Prozentpunkte zu und kam unter Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern am Ende auf 13,1 Prozent.

Wie liefen die Wahlen europaweit?

Das Europäische Parlament im Gesamten wird aller Voraussicht nach auch in der kommenden Legislaturperiode aus 8 Fraktionen und einigen fraktionslosen Abgeordneten bestehen. Größte Fraktion bleibt auch in Zukunft die Europäische Volkspartei (EVP). Zwar verlor sie 42 Sitze, kann aber dennoch 179 Parlamentarier auf sich vereinen.

Mit diesem Ergebnis hat die EVP Fraktion einen komfortablen Vorsprung auf die zweitstärkste Kraft, die Fraktion der Sozialdemokraten und Sozialisten (S&D). Diese verloren wiederum 38 Sitze und werden künftig mit nur noch 153 Abgeordneten vertreten sein.

Einer der großen Wahlgewinner sind die Liberalen (ALDE), die zukünftig gemeinsam mit Macrons Wahlbündnis Renaissance eine gemeinsame Fraktion bilden werden. Zusammen kommen die Liberalen auf 106 Sitze – 39 mehr als 2014.

Während die Grünen in Deutschland zweifelsfrei als Wahlsieger bezeichnet werden können, setzte sich dieser Trend nicht in der gesamten EU durch. Zwar wird die Fraktion mit 74 Abgeordneten vertreten sein und damit 24 Sitze im Vergleich zur letzten Wahl gewinnen, allerdings basiert diese Steigerung zu großen Teilen auf dem deutschen Wahlergebnis.

Die EU-skeptische Fraktion der Konservativen und Reformer (EKR) liegt nun bei 64 Sitzen, die rechtspopulistische Fraktion Europa der Freiheit und direkten Demokratie (EFDD) wird mit 54 Mitgliedern in Brüssel vertreten sein und die rechtsnationale Fraktion Europa der Nationen und Freiheit (ENF) wird mit 58 Abgeordneten ins Parlament einziehen. Insgesamt wachsen die rechten Fraktionen um mindestens 48 Abgeordnete.

Die kleinste Fraktion im zukünftigen Europaparlament bildet die Fraktion der Vereinten Europäischen Linken (GUE/NGL). Sie verloren 14 Sitze und werden zukünftig mit nur noch 38 Abgeordneten vertreten sein.

Innerhalb dieser Sitzverteilung kann es noch leichte Verschiebungen geben. Zudem kann es noch Verschiebungen innerhalb der europäischen Rechten aufgrund von neu gegründeten Fraktionen geben. (Sitzverteilung und Fraktionszuordnung:  Stand 11. Juni 2019)

Was bedeutet dieses Wahlergebnis für die Mitbestimmung in Europa?

In 18 Ländern gibt es zurzeit eine Form der Unternehmensmitbestimmung. Diese zu schützen und auf europäischer Ebene durch eine Rahmenrichtlinie zu stärken, muss Ziel der nächsten 5 Jahre sein. Hierzu ist es wichtig zu wissen, wer die Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner im Parlament und in der Kommission sein werden. In etwa die Hälfte der deutschen Abgeordneten ist neu im Parlament. Hier gilt es die Besetzung der Ausschüsse abzuwarten. Problematischer für die Zukunft der Mitbestimmung ist der Zuwachs rechtspopulistischer und rechtsnationaler Kräfte. Zudem wird sich die Mehrheitsfindung im Europäischen Parlament zukünftig schwieriger gestalten, denn die beiden größten Fraktionen EVP und S&D haben gemeinsam im Plenum keine Mehrheit mehr.

Auch die Europäische Kommission wird neu besetzt. Die Bestätigung der einzelnen Kommissare sowie die Ressortzuschnitte sind noch offen. Ähnliches gilt auch für das Amt des Kommissionspräsidenten oder der Kommissionspräsidentin. Die meisten Hoffnungen können sich Manfred Weber (EVP), Frans Timmermans (S&D), sowie die liberale Margrethe Vestager (ALDE) machen. Die Anhörung der von den Mitgliedstaaten nominierten Kandidaten für die EU-Kommission im Europäischen Parlament wird erst in der zweiten Jahreshälfte stattfinden. Die Stärkung der Mitbestimmung auf europäischer Ebene sollte dabei möglichst eine zentrale Rolle spielen.

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