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Europäische Aktiengesellschaft (SE)

Aktuelle Fakten zur SE

Seit Inkrafttreten des SE-Rechts im Oktober 2004 verfolgen wir – in Kooperation mit unserem europäischen Netzwerkpartner ETUI – die Entwicklungen im Bereich der SE-Gründungen genau. Aktuell haben 307 „normale“ SE ihren Sitz in Deutschland.

Laut ETUI Database gab es Ende Juni 2018 in Europa 3051 Europäische Aktiengesellschaften (SE). Nur 553 SE sind in der EU gegenwärtig als „normale SE“ identifiziert (operative tätige Gesellschaft ab 5 AN). Davon entfallen 307 SE auf Deutschland. Im Handelsregister finden sich für Deutschland 533 SE, darunter aber auch zahlreiche Vorratsgesellschaften, Doppelzählungen und vom ETUI als sog. UFO oder Micro-SE bezeichnete Gesellschaften (also Vorsicht gegenüber absolut zu hohen SE-Zahlen in der EU und auch Deutschland).

Spektakuläre Fälle im ersten Halbjahr 2018

Der erste bemerkenswerte Fall war die Ottobock SE & Co KGaA. Dort hatte man im ersten Schritt eine grenzüberschreitende Verschmelzung auf die deutsche GmbH durchgeführt. Diese hatte, obwohl der Mitbestimmungschwellenwert von 500 Arbeitnehmern weit überschritten war, keine Arbeitnehmerbeteiligung am Aufsichtsrat. Dort wurde dann durch eine Vereinbarung eine Mitbestimmung von 6 zu 4 Sitzen im Aufsichtsrat eingeführt (also keine Gewerkschaftssitze). Nunmehr wurde eine Vorrats-SE als Komplementärin genommen und die GmbH in eine KGaA umgewandelt. Dabei veräußerte man 20% an der Gesellschaft. Den umgekehrten Weg ging man beim Börsengang der DWS. Hier wurde die Deutsche Asset Management Holding SE – eine ehemalige Vorrats-SE – zurück in die vieldiskutierte DWS Group GmbH & Co KGaA verwandelt.

Der zweite Fall war die Puma SE: Sie war die einzige monistische SE in Deutschland mit einem Drittel von Arbeitnehmervertretern im Verwaltungsrat. Auf der Hauptversammlung im Frühjahr 2018 wurde die Satzung geändert und Puma in eine dualistische SE (Vorstand und Aufsichtsrat) umgewandelt. Dies erfolgte auf Vorschlag des Verwaltungsrates. Eine Kapitalmaßnahme der Hauptaktionärin würde dazu führen, dass sich der Streubesitz an der Puma-Aktie auf rund 55 % erhöhen würde. Für börsennotierte Gesellschaften in Deutschland steht die Umsetzung der sog. Aktionärsrechte Richtlinie an. Dort wird für Geschäftsvorfälle mit nahe stehenden Personen und Unternehmen („related parties“) , hier also der Hauptaktionärin, ein Hauptversammlungsbeschluss notwendig werden, es sei denn man hat einen Aufsichtsrat, dann genügt dessen Zustimmung. Man kann vermuten, dass dies der Hintergrund für den Wechsel der Unternehmensverfassung war.

Struktur der

Infobox: SE in Deutschland

307 sind „normale“ SE (operative tätige Gesellschaft ab 5 AN)

196 haben eine dualistische Struktur (Vorstand und Aufsichtsrat)

111 haben eine monistische Struktur (Verwaltungsrat=Board)

  21 dualistische SE verfügen über paritätische Mitbestimmung

  45 dualistische SE haben mindestens Drittelbeteiligung

    0 monistische SE haben Drittelbeteiligung

  67 sind börsennotiert

128 sind aktivierte Vorrats-SE

Quelle: Hans-Böckler-Stiftung und ETUI, Stand: 30.06.2018

Erzberger II / Statusverfahren um die Organzusammensetzung in der SE

Der Kleinaktionär Erzberger war bekannt geworden durch das von ihm bei TUI angestrengte Verfahren um die Europarechtswidrigkeit der deutschen Mitbestimmung. Seit Sommer letzten Jahres gibt es nun eine zweite Welle: die Arbeitnehmer der Auslandstöchter sollen bei den deutschen Schwellenwerten mitzuzählen sein. Unter den knapp 50 Fällen bei den Landgerichten um die richtige Organzusammensetzung sind auch 15 SE. In zwei Fällen geht es um die Frage, ob damals wirklich Tendenzschutz (dann ohne Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichts-/ Verwaltungsrat) vorlag. Nach den abgerufenen Umwandlungsplänen waren nur in zwei Fällen mehr als 2000 Arbeitnehmer in Deutschland vorhanden, in den anderen käme man nur zum Ziel, wenn die Auslandstöchter mitzählten, was abzulehnen ist (so auch die Zivilgerichte).

Zwei Verfahren sind anders gelagert: Sowohl bei der Deutsche Wohnen als auch bei Delivery Hero wurden die Prozesse begonnen als man noch eine AG war. Hier geht es praktisch darum, ob die tatsächliche Zusammensetzung oder die rechtliche gebotene (aber rechtswidrig unterlassene) Arbeitnehmerbeteiligung zu Grunde zu legen ist. Bei Delivery Hero war die Klage eingereicht worden als sich das BVG zu konstituieren begann. Hier hatte das Landgericht am 9.3.2018 zugunsten der Parität entschieden, alleine im Inland gebe es 4000 Mitarbeiter. Dagegen ist das Unternehmen zum Kammergericht gegangen, obwohl zeitlich nach dem Beschluss des LG Berlin eine Vereinbarung abgeschlossen worden war, die einen paritätisch besetzten Aufsichtsrat (3:3) vorsieht .

Rückblick und Ausblick

Die Zahl von Ersetzungen einer Komplementär GmbH durch eine SE nahm weiter zu. Aktuelle Beispiele sind der große Lebensmittellogistiker Kraftverkehr Nagel (rund 12.000 Beschäftigte) und die Alfred Kärcher SE & Co KG (7.846 Arbeitnehmer in Europa). Allerdings ist nur in einigen Fällen der Mitbestimmungsschwellenwert von 2000 Arbeitnehmern als Motivation zu vermuten (§ 4 MitbestG ist so schlecht konstruiert, dass man diese Strategie nicht brauchte).

Die SE & Co KGaA wird immer beliebter, da der Aufsichtsrat in der KGaA weniger Rechte hat (z.B. zuletzt die Edel AG börsennotiert zu Edel SE & Co KGaA, die KGaA börsennotiert, unter Nutzung einer Blitz. Die Umwandlung bei der KSB SE & Co KGaA wurde im Januar 2018 wirksam, nachdem die Anfechtungsklagen dagegen erledigt waren.).

Andererseits gibt es immer wieder kleine Unternehmen, die sich in die Rechtsform SE begeben, obwohl von der Arbeitnehmerzahl kein Anwachsen in Richtung Schwellenwerte zu erwarten ist.

Schließlich sind die weiteren Auswirkungen des Brexit zu beobachten, z.B. Morgan Stanley und Goldmann Sachs in Deutschland als SE mit Personalaufstockung und die UBS Europa SE in Frankfurt.

Weitere Informationen haben wir in unserem SE Datenblatt zusammengestellt.

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