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Europäischer Gerichtshof (EuGH)

Mitbestimmung mit EU-Recht vereinbar

Anfang Mai hat der Generalanwalt am EuGH seine Schlussanträge im sog. „TUI-Verfahren“ vorgelegt. Im neuen Mitbestimmungsreport nehmen zwei renommierte Juristen hierzu Stellung. Ein Ergebnis: Die Debatte wurde in ein ruhigeres Fahrwasser gelenkt.

Am 4. Mai 2017 hat der Generalanwalt am Gerichtshof der Europäischen Union Saugmandsgaard Øe seine mit Spannung erwarteten Schlussanträge in der Rechtssache C-566/15 (Erzberger), auch als sogenanntes TUI-Verfahren bekannt, vorgelegt. Nach Ansicht des Generalanwalts verstößt die Tatsache, dass in Deutschland nur die im Inland beschäftigten Arbeitnehmer die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat wählen können und in den Aufsichtsrat wählbar sind, weder gegen die Freizügigkeit der Arbeitnehmer noch gegen das allgemeine Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Diese Ansicht überzeugt, wie auch die renommierten Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Rüdiger Krause aus Göttingen und Prof. Dr. Bernard Johann Mulder aus Oslo im neuen Mitbestimmungsreport ausführlich darlegen.

OFFENBAR IST ES MITTLERWEILE AUCH IN LUXEMBURG DURCHGEDRUNGEN, DASS MAN DER EUROPÄISCHEN IDEE MIT EINER AUF DIE SPITZE GETRIEBENEN „NEGATIVEN INTEGRATION“ KEINEN GEFALLEN TUT.

Prof. Rüdiger Krause

Die Ausführungen des Generalanwalts erteilen jedoch nicht nur den Versuchen, die deutsche Mitbestimmung über Europa zu schwächen, eine Absage, sondern zeigen auch, dass die Mitbestimmung der Arbeitnehmer und insbesondere auch das dazugehörige demokratische Wahlverfahren ein hohes Gut sind.

IN MEINEN AUGEN BESTEHT ABER KEIN ZWEIFEL DARAN, DASS DIESE REGELUNG EIN WESENTLICHER BESTANDTEIL DES DEUTSCHEN
ARBEITSMARKTS UND - ALLGEMEINER - DER DEUTSCHEN SOZIALORDNUNG IST.

Aus den Schlussanträgen des Generalanwalts

Diese Aussagen werden durch die Rechtswissenschaftler genauer analysiert. So hat Prof. Rüdiger Krause Recht, wenn er schreibt: „Europa sollte mehr als ein großer Marktplatz sein.“ Eine Abwärtsspirale bei den demokratischen Errungenschaften, wie der Unternehmensmitbestimmung, würde der europäischen Idee keinen Gefallen tun. „Dies ist nicht zuletzt deshalb zu betonen, weil […] es Zeiten gab, in denen es sich der EuGH auf die Fahnen geschrieben hatte, mitgliedstaatliche Sozialpolitiken im Interesse eines verabsolutierten Binnenmarktes zu torpedieren“, schreibt Krause und zeigt auf, welche Bedeutung das Urteil des EuGH haben wird.

Es ist zu hoffen, dass der Gerichtshof den Schlussanträgen des Generalanwalts folgen wird! Hiermit wäre nicht nur die Diskussion über die angebliche Unionsrechtswidrigkeit der deutschen Mitbestimmung beendet, sondern, je nachdem welche Begründung der EuGH wählt, auch ein wichtiger Meilenstein für die Zukunft der Mitbestimmung gesetzt.

Mitbestimmung mit EU-Recht vereinbar?

Lasse Pütz und Sebastian Sick (2017): Juristische Kommentierung zu den Schlussanträgen des Generalanwalts im Verfahren Erzberger/TUI. Mitbestimmungs-Report 34

Bernhard Johann Mulder (2017) The law concerning the election of employees 'representatives in company bodies. Report in light of the CJEU case Konrad Erzberger v TUI AG, C 566/15. Mitbestimmungs-Report Nr. 29

Rüdiger Krause (2016): Die Stellungnahme der EU-Kommission zum TUI-Fall - Ein kritischer Kommentar. Mitbestimmungs-Report 23

Lasse Pütz und Sebastian Sick (2015): Nagelprobe EuGH - Mitbestimmung untergraben oder festigen? - EuGH prüft europarechtliche Konformität der deutschen Mitbestimmung. Mitbestimmungs-Report 17

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