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Monitor EU-Wirtschaftsrecht

Öffentliche Auftragsvergabe: Nachhaltigkeit stärken

Mit dem Ziel, alle in der EU ansässigen Unternehmen bei der Bewerbung um öffentliche Aufträge gleich zu behandeln und die öffentliche Auftragsvergabe stärker an sozialen Kriterien und ökologischen Zielen auszurichten, hat die EU-Kommission im Jahr 2014 die öffentliche Auftragsvergabe modernisiert.

Die Richtlinie über die öffentliche Auftragsvergabe (2014/24/EU) ist Teil der umfassenden Modernisierung des europäischen Vergaberechts aus dem Jahr 2014. Darüber hinaus beinhaltet das Modernisierungspaket zwei weitere Richtlinien: die Richtlinie über die Vergabe von Aufträgen in den Bereichen Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste sowie die neue Richtlinie über die Vergabe von Konzessionen.

Alle drei Richtlinien waren bis zum 18. April 2016 in nationales Recht umzusetzen. In Deutschland ist dies mit dem Vergabemodernisierungsgesetz geschehen, das entsprechend der EU-Vorgaben, am 18.04.2016 in Kraft getreten ist.

Folgende grundlegende Vorgaben macht das EU-Vergaberecht im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe:

Schwellenwerte: Behörden müssen Bauaufträge, deren geschätzter Wert ohne Mehrwertsteuer 5.186.000 EUR überschreitet, europaweit ausschreiben. Bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen liegt der Schwellenwert für eine europaweite Ausschreibung bei 207.000 EUR.

Zuschlagskriterien: Der öffentliche Auftraggeber erteilt den Auftrag auf Basis des wirtschaftlich günstigsten Angebots, das auf der Grundlage des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses ermittelt wird. Bei der Angebotsbewertung können unterschiedliche Kriterien angewendet werden (z.B. technische Merkmale oder soziale- und Umweltaspekte), die unterschiedlich gewichtet werden. Alle Anbieter müssen über die Gewichtung informiert werden.

Einheitliche Europäische Eigenerklärung (EEE): Die EEE ersetzt die Eignungsnachweise durch eine Eigenerklärung des Bieters, mit der dieser versichert, dass er grundsätzlich geeignet ist, einen öffentlichen Auftrag anzunehmen. Dadurch soll der Zugang zum Vergabeverfahren für Bieter vereinfacht werden.

Kleine Unternehmen: Um kleinen Unternehmen die Teilnahme zu erleichtern, hält die Richtlinie öffentliche Auftraggeber an, die Ausschreibung von Großaufträgen in mehrere Teilaufträge (sog. Lose) zu unterteilen.

Schutzvorschriften: Die EU-Länder müssen darauf achten, dass die Auftragnehmer und deren Subunternehmer alle europäisch und national geltenden umweltbezogenen, sozialen und arbeitsrechtlichen Auflagen, Tarifverträge und einschlägigen internationalen Verpflichtungen einhalten. Vor allem um arbeits- und sozialrechtliche Verpflichtungen zu stärken, müssen Bieter, deren Angebote im Verhältnis zu den angebotenen Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen ungewöhnlich niedrig sind, die im Angebot vorgeschlagenen Preise oder Kosten ausführlich erläutern.

Der DGB begrüßt an der Vergaberichtlinie aus dem Jahr 2014 ausdrücklich das Ziel der EU-Kommission, die öffentliche Auftragsvergabe stärker denn je an einer nachhaltigeren und sozialeren wirtschaftlichen Entwicklung auszurichten. Soziale Kriterien und ökologische Ziele könnten nun nicht mehr als vergabefremd bezeichnet werden. Die Richtlinie biete aus Sicht des DGB eine gute Vorgabe, um Marktteilnehmer vor Preisunterbietung durch Lohndumping und durch Unterlaufen hiesiger und internationaler arbeits- und sozialrechtlicher Standards zu schützen.

Kritik übt der Gewerkschaftsbund jedoch an der Umsetzung der Richtlinie durch den Bundesgesetzgeber, da dieser die EU-Vergaberichtlinien teilweise nur unzureichend umgesetzt habe. Insbesondere fehle es an zwingenden Regelungen zu den sozialen Kriterien in der öffentlichen Auftragsvergabe bei den Grundsätzen der Vergabe. Außerdem fehle die zwingende Berücksichtigung sozialer Kriterien bei der Ermittlung des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses beim Zuschlag. Weiter kritisiert der DGB, dass das Gesetz keinen expliziten Ausschluss eines Bieters vorsehe, der ein unverhältnismäßig niedriges Angebot einreiche. Insgesamt fordert der DGB, dass das Vergaberechtsmodernisierungsgesetz die sozialen Aspekte bei der öffentlichen Vergabe viel stärker in den Fokus nimmt als bisher (DGB, 02.11.2015).

  • In welchen Bereichen beteiligt sich das Unternehmen an öffentlichen Ausschreibungen?
  • Wie relevant sind europaweite öffentliche Ausschreibungen für das Unternehmen?
  • Ist das Unternehmen aktuell in anderen EU-Mitgliedstaaten an öffentlichen Aufträgen beteiligt?
  • Gibt es im Unternehmen Grundsätze für die Vergabe von Aufträgen? Welche Rolle spielen soziale und ökologische Kriterien?

Die öffentliche Auftragsvergabe besitzt innerhalb der EU einen sehr hohen Stellenwert. Das Gesamtvolumen öffentlicher Aufträge betrug allein in Deutschland im Jahr 2015 ca. 400 Milliarden Euro, was einem BIP von etwa 17 Prozent entspricht. Da der Staat aber kein normaler Wirtschaftsteilnehmer ist, sondern eine besondere Stellung hat, die ihn zur nachhaltigen Verwendung von Steuergeldern verpflichtet, ist die EU bestrebt soziale und ökologische Ziele im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe zu fördern. Außerdem soll das neue EU-Vergaberecht eine möglichst effiziente und transparente Verwendung von Mitteln ermöglichen. Das Vergabemodernisierungspaket der EU ist seit 10 Jahren das größte seiner Art.

In Deutschland ist das Gesetz zur Modernisierung des Vergabeverfahrens am 17. Februar 2016 beschlossen worden und im April 2016 in Kraft getreten. Im Zentrum des Vergaberechtsmodernisierungsgesetzes steht die Novellierung des 4. Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB vom 23.02.2016). Das Gesetz wird durch mehrere Rechtsverordnungen ergänzt, die in einer Mantelverordnung „Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts“ zusammengeführt wurden.

Neu ist, dass das neue Vergabesetz erstmals den gesamten Ablauf des Vergabeverfahrens von der Leistungsbeschreibung über die Prüfung von Ausschlussgründen, die Eignungsprüfung, den Zuschlag bis hin zu den Bedingungen für die Ausführung des Auftrags im Gesetz vorzeichnet. Dadurch soll öffentlichen Auftraggebern die praktische Anwendung des Gesetzes erleichtert werden. Neu ist auch, dass eine Verlagerung vom offenen auf das nicht offene Vergabeverfahren stattfindet. Öffentliche Auftraggeber können vorbehaltlich des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und des Wettbewerbs zwischen offenem und nicht offenem Verfahren frei wählen.

Außerdem werden die Möglichkeiten für öffentliche Auftraggeber, strategische Ziele – z. B. umweltbezogene, soziale oder innovative Aspekte – im Rahmen von Vergabeverfahren vorzugeben, gestärkt (BMWi, 2016). Allerdings zeigt sich der deutsche Gesetzgeber gegenüber der EU-Richtlinie hier zögerlicher. Wesentliches Beurteilungskriterium bleibt im deutschen Vergaberecht weiterhin die Wirtschaftlichkeit.

Offenes Verfahren
Bei diesem Verfahren fordert der Auftraggeber eine unbestimmte Zahl von Bietern zur Angebotsabgabe auf. Dieses Verfahren ist immer dann anzuwenden, wenn nicht besondere Umstände des Auftrages bestimmte Voraussetzungen an die Bieter stellen. Bisher stellte das offene Verfahren den Regelfall dar, wenn das Auftragsvolumen den europäischen Schwellenwert erreichte.

Nicht offenes Verfahren
Das nicht offene Verfahren ist zulässig, wenn das offene Verfahren aufgrund eines geringes Auftragsvolumens unverhältnismäßig erscheint oder eine besondere Dringlichkeit vorliegt. In diesen Fällen werden nur ausgewählte, geeignete Bieter zur Angebotsabgabe aufgefordert. Allerdings muss auch hier ein echter Wettbewerb sichergestellt sein.

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