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„Gespräche in der HR-Kaffeeküche“

Strategische Personalplanung im Praxistest

Ist die strategische Personalplanung ein „überkomplexer Ladenhüter“, wie manche sagen, oder ist sie ein wichtiges Transformationstool, das sein Potenzial noch längst nicht ausgereizt hat? HR und Mitbestimmung sehen ihre Relevanz, aber auch praktische Hürden.

Strategische Personalplanung (SPP) wird in der Fachdebatte immer wieder als wichtiges Thema oder sogar „zentrale Wertschöpfungskette“ angesprochen. Gleichzeitig hört man gelegentlich aber auch Zweifel, ob derlei Planungsprozesse überhaupt belastbar sind - insbesondere bei komplexeren Projekten und personalpolitischen Herausforderungen. Angesichts ständig wechselnder Rahmenbedingungen, hoher Komplexität, langfristigen Planungsperspektiven und eines Planungsgegenstandes mit „eigenem Kopf“ ist strategische Personalplanung tatsächlich anspruchsvoll – aber ist sie deshalb unmöglich?

Illustration Virtual Coffee

„Gespräche in der HR-Kaffeeküche“

Wie viele andere Netzwerke, so hat auch die Arbeitsgemeinschaft „Engere Mitarbeiter der Arbeitsdirektoren Stahl“ in der Pandemie mit virtuellen Debattierformaten den Kontakt und Austausch aufrechterhalten. Einen dieser Räume haben wir „Virtual Coffee“ genannt und als wirksames und kompaktes Austauschformat etabliert. In unterschiedlicher Zusammensetzung werden aktuelle Themen aus der Perspektive der Stahlindustrie diskutiert und in kurzen Beiträgen zusammengefasst. 

Diese Frage wurde in der fünften virtuellen Kaffeeküche der Arbeitsgemeinschaft Engere Mitarbeiter diskutiert. Diskussionsimpuls war unser frisch produziertes „Erklärvideo“ zum Thema SPP, das den Prozess in idealtypischer Form darstellt und ein stärkeres Engagement der Mitbestimmung in diesem Feld empfiehlt.

Strategische Personalplanung - Ein Thema für die Mitbestimmung!

Das Premiere-Publikum aus der Stahlindustrie konnte die fachliche Richtigkeit des Videos bestätigen, wies aber auch auf das Spannungsfeld zwischen SPP-Theorie und ihrer aktuellen Praxis hin. Insbesondere die kurz- bis mittelfristige Planungsebene werde immer wieder von der Realität in Frage gestellt und müsse aufgrund veränderter Rahmenbedingungen angepasst werden. Bedauerlicherweise tritt die langfristige transformationsbedingte Planungsperspektive, die sich vor allem in strategischer Personalentwicklungs-Planung abbildet, aufgrund dieses oft akuten Nachsteuerungsbedarfs in den Hintergrund. Es gelte also, die Debatte zur Zukunft der Arbeit mit den Mitbestimmungsvertretern konstruktiv und weitgehend unabhängig von aktuellen beschäftigungspolitischen Herausforderungen zu führen.

Auch Mitbestimmung nimmt SPP auf ihre Agenda

In der Hans-Böckler-Stiftung wird SPP seit längerem als Mitbestimmungsthema adressiert (Klein-Schneider 2001) – ebenso wie in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit. Noch scheint es so zu sein, dass strategische Personalplanung als Thema für Betriebs- und Dienstvereinbarungen nur langsam Fahrt aufnimmt (vgl. Giertz/Stracke 2019). Vor allem neuere Vereinbarungen machen aber deutlich, dass sich betriebliche Sozialpartner in unterschiedlichen Branchen der wachsenden Bedeutung strategischer Personalplanung bewusst werden (ebenda, S. 128) und tragfähige Regelungen schaffen.

Trotz wachsender Anforderungen von Transformation und Fachkräftemangel sowie merklichen Schwierigkeiten von Unternehmen fast aller Branchen, geeignetes Personal sicher verfügbar zu halten, gibt es immer noch Vorbehalte: Auf Arbeitgeberseite ist es meist die angesprochene Komplexität und Planungsunsicherheit. Auf Arbeitnehmerseite sind es die i.d.R. allenfalls mittelbaren Mitbestimmungsmöglichkeiten (die durch den vom DGB vorgelegten Entwurf für ein neues BetrVG deutlich erweitert werden könnten), die SPP gegenüber anderen, scheinbar drängenderen und besser zu bespielenden Themen in den Hintergrund rückt. Auch ist die Übernahme von (strategischer) Mitverantwortung für Betriebsräte nicht unproblematisch, wenn diese auch Bereiche wie Personalabbauplanung oder Identifizierung unzureichender Qualifikationen umfasst. Dies dürfte zudem insgesamt für das kennzahlen- und informationsbasierte Management von Humanressourcen gelten.

Es mangelt nicht an praxistauglichen und niedrigschwelligen Ansätzen

So wird in vielen deutschen Unternehmen allzu häufig auf eine konsistente und vollumfängliche SPP verzichtet. Dabei haben Veröffentlichungen des RKW Rationalisierungs- und Innovationszentrum der Deutschen Wirtschaft e.V  der Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) und auch der Hans-Böckler-Stiftung gezeigt, dass es auch niedrigschwellige Einstiege in diese für Unternehmen überlebensnotwendige Debatte gibt.

Wenn eine Unternehmensstrategie klar und transparent ist, fällt es häufig auch nicht schwer, passende personalpolitische Implikationen und geeignete Maßnahmen daraus abzuleiten. Dabei hat es sich als hilfreich erwiesen, qualitative Aspekte und die Entwicklung eines generellen personalpolitischen Kompasses in den Vordergrund zu stellen. Die quantitative Planung kann davon systematisch abgeleitet und angesichts wechselnder Rahmenbedingungen regelmäßig (ebenfalls unter Beteiligung der Mitbestimmung) angepasst werden. Wenn die Richtung klar ist, lässt sich auch mit unerwarteten Ereignissen besser umgehen.

Information

Wesentliche Bausteine der Strategischen Personalplanung (SPP)

  • Personalbedarfsplanung: quantitative und qualitative (d.h. auf konkrete Kenntnisse und Fähigkeiten bezogene) Belegschaftsstärke und -zusammensetzung
  • Personalbeschaffungsplanung: für die Aktivitäten Personal mit der richtigen Qualifikation und rechtzeitig am richtigen Ort haben.
  • Personalentwicklungsplanung: welche Mitarbeiter*innen werden mit Blick auf zukünftige Personalbedarfe wie qualifiziert?
  • Personaleinsatzplanung: systematische und transparente Planung von notwendigen Umstrukturierungen, personellen Umschichtungen im Interesse des Betriebes sowie auch orientiert an Interessen, Neigungen und Qualifikationen von Mitarbeiter*innen (unter hinreichender Berücksichtigung nicht direkt produktiver Zeiten wie Krankheit, Urlaub aber auch Qualifizierung)
  • Personalkostenplanung: jährliche Planung der tatsächlich anfallenden Kosten mit klaren Aussagen zu Aus- und Weiterbildungsbudgets
  • Personalabbauplanung: Aktivitäten zu Reduzierung von Personal in besonders von Transformation betroffenen Bereichen. Idealerweise inkl. der Aktivitäten, diesen Personalabbau nicht nur sozialverträglich, sondern auch mit Blick auf Personalbeschaffung in Aufbaubereichen zu planen.

Die Teilnehmer des Virtual Coffees, die bereits eine Personalplanung nach dem oben beschriebenen SPP-Muster betreiben, empfehlen aus ihren Praxiserfahrungen heraus, deutlich pragmatischer vorzugehen, als es die Theorie vorgebe. Es gelte: Qualität vor Quantität, transparent arbeiten, Mitbestimmung und Business einbeziehen, veränderliche Rahmenbedingungen immer im Blick haben und dabei nicht davor zurückschrecken, möglicherweise auch die strategischen Ziele nachzujustieren. Nur so könne man dem Faktor Mensch gerecht werden. SPP sei kein „Toolset“ im klassischen Sinne, sondern das Gerüst für anspruchsvolle und systematische Arbeit mit dem Faktor Mensch.

So interessant „Gespräche in der Kaffeeküche“ oft sind – und in diesem Falle trifft das in besonderer Weise zu – muss man sich doch irgendwann mal wieder seinem „Schreibtisch“ zuwenden. Wir werden die Debatte sicher fortsetzen. Denn viele spannende Aspekte konnten hier nur kurz angesprochen worden: Was ist z.B. die Rolle des Aufsichtsrates? Wie weit ist HR generell in die Unternehmensstrategie eingebunden? Welche Kennzahlen spielen eine Rolle und wie können wir zukünftig KI in Planungsprozesse einbeziehen?

Ausnahmslos alle 15 Teilnehmerinnen und Teilnehmer unserer kleinen Kaffeerunde sind fest davon überzeugt, dass Unternehmen von einer wirksamen strategischen Personalplanung nur profitieren können. Auch und gerade weil die Welt sich immer schneller bewegt.