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EuGH-Anhörung

EU Kommission hält Mitbestimmung für EU-rechtskonform

Am 24.1. war die Anhörung des TUI-Falls beim EuGH. Kann das deutsche Mitbestimmungsgesetz Bestand haben, wenn Arbeitnehmer im Ausland nicht an den Wahlen für den mitbestimmten Aufsichtsrat teilnehmen können?

Vorhof des Europäischen Gerichtshofs
Vorhof des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg | © Gerichtshof der Europäischen Union

Die EU-Kommission hat in ihrem Statement gegenüber dem Europäischen Gerichtshof klargestellt, dass sie Arbeitnehmermitbestimmung als ein wichtiges politisches Ziel ausdrücklich anerkennt. Daraus leitet sie das Recht der EU-Mitgliedstaaten ab, Mitbestimmungsrechte so zu verteidigen, wie sie im nationalen Kontext vorgesehen sind. Mögliche Beschränkungen der Freizügigkeit  von Arbeitnehmern in Europa können damit gerechtfertigt werden.

Aus diesem Grund hat die Kommission vor dem Gerichtshof das Recht der Mitgliedsstaaten verteidigt, die Arbeitnehmermitbestimmungsrechte so zu garantieren wie es in der betroffenen deutschen Gesetzgebung vorgesehen ist. Das Modell der "Mitbestimmung" und seine sozialen Zielsetzungen sind deshalb EU-rechtskonform.

Pressemitteilung der EU-Kommission vom 24.1.2017

Das klingt nach optimistisch stammender Tonlage und ist ein erstaunlich eindeutiges Signal seitens der EU-Kommission. Auch nach der Anhörung bleibt die juristische Beurteilung des Falls allerdings weiter ungewiss. Dabei geht es insbesondere um die Organisation von rechtssicheren Wahlen. Die obliegt im deutschen System – anders als z.B. in Dänemark – bewusst und allein der Arbeitnehmerseite. Gerade dadurch wird die demokratische Legitimität der Arbeitnehmervertreter/innen sichergestellt. Diese Formation kann nach juristischer Fachauffassung durch nichts anderes garantiert werden als durch die heutige rechtliche Ausgestaltung der Wahlverfahren der Arbeitnehmer in den deutschen Aufsichtsrat. Der deutsche Gesetzgeber kann sie nicht einfach auf das Ausland ausdehnen. 

Neben Deutschland und Österreich haben Repräsentanten der Regierungen der Niederlande, Luxemburgs und Frankreichs von der Möglichkeit einer Stellungnahme Gebrauch gemacht. Sie alle haben vor allem Sachverhalte aus dem eigenen Rechtskreis hervorgehoben, die Einschränkungen von europäischen Vorgaben zuhause begründen. Sie haben damit erkennbar unterstützend auf die politische Grundhaltung der vorgetragenen EU-Kommissionsstellungnahme gewirkt. 

Der Vertreter Luxemburgs hat die Sache auf den Punkt gebracht: Europäisches Recht kann nicht wollen und dazu führen, dass ein nationales System der Unternehmensführung und der Arbeitsbeziehungen komplett zu Fall gebracht werden könnte. Das wäre hier für Deutschland die Folge, wenn der EuGH am Schluss zentrale Regelungen in der deutschen Mitbestimmungsgesetzgebung für nicht im Einklang mit europäischem Recht erklären würde. 

Es bleibt zu hoffen, dass sich der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil der Einschätzung der EU-Kommission anschließen wird. Das in der Regel vorentscheidende Plädoyer des Generalanwalts ist für den 4. Mai 2017 angekündigt.

Mitbestimmung mit EU-Recht vereinbar?

Lasse Pütz und Sebastian Sick (2017): Juristische Kommentierung zu den Schlussanträgen des Generalanwalts im Verfahren Erzberger/TUI. Mitbestimmungs-Report 34

Bernhard Johann Mulder (2017) The law concerning the election of employees 'representatives in company bodies. Report in light of the CJEU case Konrad Erzberger v TUI AG, C 566/15. Mitbestimmungs-Report Nr. 29

Rüdiger Krause (2016): Die Stellungnahme der EU-Kommission zum TUI-Fall - Ein kritischer Kommentar. Mitbestimmungs-Report 23

Lasse Pütz und Sebastian Sick (2015): Nagelprobe EuGH - Mitbestimmung untergraben oder festigen? - EuGH prüft europarechtliche Konformität der deutschen Mitbestimmung. Mitbestimmungs-Report 17

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