Hauptinhaltsbereich
Inhaltsverzeichnis

Gute Praxis

Gesund arbeiten und altern

Einführung

Angesichts eines steigenden Durchschnittsalters und zunehmenden Zeitdrucks ist die Gestaltung von gesundheitsförderlicher Arbeit in den Fokus vieler Unternehmen gerückt. Die Problemlagen, mit denen sich die Betriebsräte konfrontiert sehen, sind vielfältig. Seien es schwere körperliche Tätigkeiten, Überlastung durch Überstunden, steigende mentale Belastung, erhöhter Krankenstand oder die zunehmende Anzahl an Kranktagen – die Betriebsräte sehen sich in der Pflicht, nicht nur für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen aktiv zu werden, sondern durch Prävention und Nachhaltigkeit weiteren Problemlagen vorzubeugen. Denn nur so ist es möglich ein gesundes Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem sich nicht nur die Mitarbeiter wohl fühlen, sondern das den Unternehmen ebenfalls betriebswirtschaftliche Erleichterung verschafft.

Aber welche Vorschläge haben Betriebsräte? Welche betrieblichen Lösungen werden verankert? Für diese Publikation wurden all jene Projekte in den Blick genommen, die zwischen 2010 und 2018 von Betriebsräten beim Deutschen Betriebsrätepreis eingereicht wurden und sich thematisch mit gesunder Arbeitsgestaltung und Stressreduktion befassten. In acht Unternehmen konnten Betriebsräte befragt werden. Ausnahmslos waren betriebliche Ausgangslage und Bedürfnisse der Beschäftigten zentral für die Entwicklung von gesundheitsfördernden Angeboten. Die Arbeit der Betriebsräte konzentrierte sich sowohl auf die physischen Belastungen des Arbeitsalltags als auch darauf, die Reduzierung psychischer Belastungen in Angriff zu nehmen. Hierbei wurden nicht selten Einzelschritte zur Verbesserung eines bestimmten Problems zu einem umfassenden gesundheitsfördernden Gesamtkonzept verknüpft.

Basiserkenntnis

Die Gefährdungsbeurteilung physischer und psychischer Belastungen ist der Schlüssel, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Mit Hilfe dieses Verfahrens können die Gefährdungslagen der Beschäftigten herausgefiltert, Maßnahmen zur Prävention abgeleitet und umgesetzt werden und man schafft die Basis zur Etablierung eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements. Daran anknüpfend sind Wirkungskontrollen unverzichtbar, sowohl um positive Effekte sichtbar zu machen als auch den Betriebsparteien Sinn und Nutzen der gesundheitsförderlichen Aktivitäten vor Augen zu führen und sich so den Rückhalt in der Belegschaft zu sichern.

Cover MBPraxis Nr. 25

Gesunde Arbeitsgestaltung und Stressreduktion

Beispiele guter Praxis – Projekte zum Deutschen Betriebsrätepreis der Jahre 2010 – 2018

Mitbestimmungspraxis Nr. 25. Düsseldorf 2019 von Phillip Edling, Stefanie Floegel und Claudia Niewerth

Gesundheitsförderliche Arbeit rückt in den Fokus vieler Unternehmen. Für diese Publikation wurden all jene Projekte in den Blick genommen, die zwischen 2010 und 2018 von Betriebsräten beim Deutschen Betriebsrätepreis eingereicht wurden und sich thematisch mit gesunder Arbeitsgestaltung und Stressreduktion befassten. 

Das tun die Betriebsräte – Ergebnisse im Überblick

Die Projekte repräsentieren ein facettenreiches Spektrum betriebsrätlicher Arbeit zur Verbesserung der Arbeitsgestaltung. In einigen Fällen wurde ein betriebliches Gesundheitsmanagement, gekoppelt mit einem betrieblichen Eingliederungsmanagement, eingeführt oder die bisherigen Regelungen gründlich erneuert. Oft war eine Gefährdungsbeurteilung Auslöser, sich eindringlicher mit verschiedenen Problemlagen im Unternehmen auseinanderzusetzten und nach Lösungen zu suchen. Auch wurden Arbeitsabläufe so umgestaltet, dass weniger eintönige und damit gesundheitsbelastende Bewegungsfolgen vorhanden sind. Die einzelnen Projekte in einer Zusammenfassung:

Allergopharma: Mentale Belastungen erfassen und beseitigen

Der Betriebsrat setzt Gefährdungsbeurteilungen und fortlaufende Wirkungskontrollen ein, um den wachsenden psychischen Belastungen der Beschäftigten entgegenzuwirken.

Grafik Allergopharma

Das Unternehmen

Allergopharma ist ein Unternehmen, das sich auf die Erforschung und Behandlung von Allergien spezialisiert. Seit 2013 ist es vollständiges Mitglied der Merck Gruppe. Die ca. 500 Beschäftigten in Reinbek bei Hamburg arbeiten schwerpunktmäßig in Verwaltung, Forschung und Produktion.

Die Ausgangslage

Der Betriebsrat beschloss, den gesetzlichen Auftrag zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen in die Tat umzusetzen. Anlass dazu bot ein Optimierungsprozess, der das Produktportfolio von 1200 auf 130 Produkte konzentrierte. Einhergehende Veränderungen der Verantwortlichkeiten und eine hohe Personalfluktuation forderte den Angestellten ein großes Engagement ab und schlug sich auch in der Anzahl der Arbeitsstunden nieder.

Wenn Beschäftigte z.B. nach der Elternzeit in das Unternehmen zurückkamen, fanden sie ihren Bereich völlig verändert vor, das war ein großer Stressfaktor.

Alexander Winkel, Betriebsratsvorsitzender

Ein System zur Erfassung psychischer Belastungen

Der Arbeitgeber zeigte sich dem Vorhaben eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen gegenüber aufgeschlossen, die Verantwortung für den Prozess wurde der Fachkraft für Arbeitssicherheit übertragen. Diese sollte, gemeinsam mit dem Betriebsrat, Prozesse definieren und mögliche Werkzeuge für die Umsetzung finden.

Die erste Herausforderung bestand darin, den passenden Fragebogen zu finden, da dieser sowohl für die Produktion als auch die Verwaltung geeignet sein musste. Nachdem Fremdanbieter mit ihren Fragebögen enttäuschten wurde kurzerhand ein eigener Fragebogen erstellt.

Der überaus erfreuliche Rücklauf von rund 80% wurde von sechs bis acht Beschäftigten und auch Betriebsratsmitgliedern selbst ausgewertet.

Wir haben permanent mitgearbeitet, es war klar: der Betriebsrat musste mit ins Boot, sonst hätte der ganze Prozess an Glaubwürdigkeit verloren.

Alexander Winkel, Betriebsratsvorsitzender

Die hohe Rücklaufquote wurde durch intensive Informationsarbeit der Geschäftsführung und des Betriebsrats erreicht, entsprechend zufrieden waren die Akteure mit den Ergebnissen.

Nachdem Allergopharma 2013 Merck-Tochter wurde, ließ sich der Prozess noch weiter verbessern. Die psychischen Belastungen wurden am Merck-Campus in Darmstadt bereits mit dem zweistufigen Verfahren BELS erhoben, diese Möglichkeit konnte Allergopharma nun ebenfalls nutzen.  Zweistufig ist das Verfahren deshalb, da auf Basis eines Fragebogens anschließend freiwillige Interviews mit den Beschäftigten geführt werden. Besonderer Pluspunkt ist außerdem die Möglichkeit der elektronischen Auswertung.

Rolle der Führungskräfte im Verfahren

Die Führungskräfte nehmen eine zentrale Rolle im gesamten Verfahren ein. Ihnen kommt die Aufgabe zu, sowohl die Ergebnisse in Richtung Handlungsbedarf zu analysieren als auch mit dem Team im Anschluss Maßnahmen auszuarbeiten bzw. den Beschäftigten Maßnahmen vorzuschlagen.

Können sich Team und Führungskraft nicht auf gemeinsame Maßnahmen einigen, greift ein definierter Eskalationsprozess zur Lösung der Entscheidungsfindung.

Herausforderung Führungskraft

Besonders schwierig war es, die Führungskräfte für die Beteiligung am Prozess zu gewinnen, sie sahen die Gefährdungsbeurteilung zunächst als Zusatzbelastung zu ihrem Arbeitsalltag.

Die größte Herausforderung für uns war es, die Führungskräfte mitzunehmen, das wurde erst leichter, als auch die Geschäftsführung die Bedeutung der Führungskräfte für den Prozess erkannt hatte.

Alexander Winkel, Betriebsratsvorsitzender

Die Führungskräfte mussten den Nutzen einer gesunden Belegschaft für die Effektivität und Effizienz in der Arbeit erst verinnerlichen. Die Zentrale Einsicht hierbei war, dass es sich nicht um ein „Psychoprojekt“ handelt. Der Abbau von Belastungen sichert langfristig eine arbeitsfähige Belegschaft.

Der Mitarbeiter, der gesund ist, arbeitet anders als jemand, der sich unwohl fühlt oder krank ist.

Alexander Winkel, Betriebsratsvorsitzender

Perspektive: Führungskräfte als Betroffene mit eigenen Belastungen

Immer wieder erreichte das BELS-Team die Anfrage von Führungskräften, an welcher Stelle die Möglichkeit bestehe, ihre Belastungen als Führungskraft in die Gefährdungsbeurteilung mit einzubringen. Für das Jahr 2020 ist eine Befragung der Führungskräfte geplant.

Wirkungskontrolle zeitnah

In der Regel wird die Wirksamkeitskontrolle wenige Wochen nach Umsetzung der Maßnahme in einem Teamtermin von einer Moderatorin durchgeführt. Wenn sich dabei zeigt, dass eine Maßnahme nicht die gewünschte Wirkung gezeigt hat, ist die Bereitschaft bei den Beschäftigten hoch, nach alternativen Lösungen zu suchen.

Fazit des Betriebsrats

Der Betriebsrat sieht das Unternehmen auf dem richtigen Weg. Gerade durch das positive Feedback der Beschäftigten. Nach wie vor bleibt es Herausforderung sicherzustellen, dass die Maßnahmen auch tatsächlich umgesetzt werden. Ursachen für Verzögerungen sind oftmals Zeit- und Kapazitätsprobleme. Die Führungskräfte legen die Zuständigkeiten fest, sind aber oft auch selbst in der Verantwortung für die Behebung der Probleme. Im BELS-Team wurde sich daher darauf verständigt, diesen Prozess zu straffen und die Führungskräfte noch einmal für den Nutzen GFB Psyche zu sensibilisieren.

Die Arbeitskraft zu erhalten ist eine betriebliche Aufgabe, die sich aus dem Betriebsverfassungsgesetz ergibt. Wir haben lange gebraucht, um dahinzukommen. Mit den Ergebnissen können wir zufrieden sein.

Alexander Winkel, Betriebsratsvorsitzender

Alexander Winkel
Betriebsratsvorsitzender
Hermann-Körner-Str. 52
21465 Reinbek
Tel. +49 (0) 160 97013159
alexander.winkel@allergopharma.com

GEWOBA: Gesunde Arbeit für Supermänner und Superfrauen

Der Betriebsrat etabliert ein funktionierendes betriebliches Gesundheitsmanagement und erreicht die Durchführung ganzheitlicher Gefährdungsbeurteilungen.

Grafik GEWOBA

Das Unternehmen

Die GEWOBA ist ein deutsches Wohnungsunternehmen mit Hauptsitz in Bremen. Sie ist ein Immobiliendienstleister, Sanierungs- und Entwicklungsträger sowie seit 1997 eine Aktiengesellschaft. Mit über 40.000 Wohnungen, 15.000 Verwaltungsobjekten und rund 500 Beschäftigten ist sie der größte Wohnungsanbieter in der Region.

Die Ausgangslage

Die Entscheidung der Geschäftsführung, eine weitreichende Umstellung des EDV-Systems vorzunehmen, führte dazu, dass umfangreiche Personalressourcen zur Verfügung gestellt werden mussten. Überlastung der Mitarbeiter, Überstunden und ein steigender Krankenstand waren die Folgen. Der Betriebsrat beschloss daraufhin, das Thema Gesundheit in den Fokus zu nehmen und schrittweise ein Betriebliches Gesundheitsmanagement zu etablieren.

Aufbau und Etablierung des Betrieblichen Gesundheitsmanagements

Zunächst galt es, Strukturen für die Umsetzung des BGM im Unternehmen zu schaffen. Dazu wurde auf Initiative des BR eine neue Stelle für Gesundheit und Weiterbildung eingerichtet, der Arbeitsschutzausschuss (ASA) wurde aktiviert und dieser zugleich durch eine externe Fachkraft für Arbeitssicherheit unterstützt.

Im Anschluss wurde dann das Thema Ergonomie priorisiert. Bürogebäude, Arbeitsplätze und auch die Büros der Hauswarte wurden ergonomisch überprüft und in Folge verbessert bzw. neugestaltet. Dies schloss sowohl optimierte Beleuchtung, höhenverstellbare Schreibtische oder gar die Anmietung neuer Tageslichtbüros mit ein. Ergonomische Prüfungen finden auch weiterhin regelmäßig und anlassbezogen statt.

Die Diskussion mit dem Arbeitgeber war sehr positiv, allen war klar, dass man an der Situation etwas verändern musste, heute sind die Büros gar nicht wiederzuerkennen.

Michaela Bode, Betriebsratsvorsitzende

Ein neues Bewusstsein für Gesundheit durch kontinuierliche Aktivitäten

Als Meilenstein für die Etablierung des BGM ist die 2010 abgeschlossene Betriebsvereinbarung zum Ausgleich von Überstunden zu nennen. Durch die kontinuierliche Auswertung der Arbeitszeitsalden und deren Veröffentlichung in Intranet, Newsletter und Betriebsversammlungen rückte das Thema gesunde Arbeit deutlich stärker in das Bewusstsein der Mitarbeiter. Führungskräfte wurden ebenfalls in Schulungen für die Themen Fürsorgepflicht und Arbeitszeitregelung sensibilisiert. Ein Erfolg, der anhält: bis heute fallen deutlich weniger Überstunden an, bestehende Überstunden werden entweder monetär ausgeglichen oder können als Freizeitausgleich genommen werden.

Die Veröffentlichungen waren auch ein stückweit Eskalationsstufe in der Vereinbarungsphase. Am Ende haben wir es geschafft, eine BV zu machen, die die Auszahlungen auch als Überstunden mit entsprechenden Zuschlägen vorsieht.

Maren Bullermann, ehemalige Betriebsratsvorsitzende

Die positive Wahrnehmung des Themas wird durch die regelmäßig stattfindenden Gesundheitstage weiter aktiv gefördert - vorbereitet und gestartet durch den neu gegründeten Arbeitskreis Gesundheit.

Der Härtetest: Durchführung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen

Nachdem ein gutes Fundament geschaffen war, stand 2013 als nächstes die Einführung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen auf der Arbeitsliste des Betriebsrates. Hierbei bedurfte es deutlich größerer Überzeugungskraft bezüglich Arbeitgeber und Führungskräfte.

Auslöser für die verstärkten Bemühungen und die Etablierung der GFB Psyche waren die Ergebnisse einer 2009 bei den Hauswarten durchgeführten Umfrage, die zahlreiche psychische Belastungen offenlegte. Diese reichten von Arbeitsverdichtung mit Dauerzeitdruck über organisatorische Themen, schwierige Kommunikation und neue technische Herausforderungen bis zu fehlender Wertschätzung und Motivation.

Das war die Gruppe, die wir immer beispielhaft angeführt haben. Die Umfrage hat genug Material gebracht, um zu zeigen: hier sind wirklich psychische Belastungen vorhanden. In die Karten gespielt hat uns zusätzlich die explizite gesetzliche Verpflichtung zur GFB, die 2013 verschärft wurde.

Maren Bullermann, ehemalige Betriebsratsvorsitzende

Nach erfolgreichen Verhandlungen mit dem Arbeitgeber wurde das Thema „Gefährdungsbeurteilung mit Hinblick auf psychische Belastungen“ in drei Phasen angegangen: In der ersten Phase sensibilisierte der Betriebsrat alle Beteiligten für das Thema psychische Belastungen, in der zweiten Phase wurde ein Pilotprojekt mit der Gruppe der 80 Hauswarte gestartet, in der dritten Phase wurde das Projekt verstetigt, mit entsprechenden Ressourcen ausgestattet und sukzessive auf alle Mitarbeiter ausgedehnt.

Fazit des Betriebsrates

Beharrlich hat der Betriebsrat der GEWOBA über die Jahre ein funktionierendes System zur Schaffung gesünderer Arbeitsverhältnisse etablieren können. Ein wichtiges Ergebnis des Engagements ist, dass bis heute regelmäßig und mit einem strukturierten Verfahren ganzheitliche psychische Gefährdungsbeurteilungen durchgeführt werden.

Wir haben uns mit dem Arbeitsgeber auf ein sehr gutes System geeinigt.

Michaela Bode, Betriebsratsvorsitzende

Nach wie vor ist die Beteiligung der Beschäftigten sehr hoch, was nicht zuletzt auch der intensiven Öffentlichkeitsarbeit des BR geschuldet ist. Die Herausforderung aber bleibt, über die Wirkungskontrolle die Effekte der Gefährdungsbeurteilung sichtbar und messbar zu machen, damit sowohl für die Betriebsparteien als auch für die Belegschaft noch besser nachvollziehbar wird, wo Belastungen gemindert werden konnten.

Ziel ist es, dass jeder Bereich alle vier bis fünf Jahre die Beurteilung durchläuft und das System zukünftig in eine Betriebsvereinbarung überführt wird.

Michaela Bode
Betriebsratsvorsitzende
Rembertiring 27
28195 Bremen
Tel. +49 (0) 421 3672382
brbode@gewoba.de

Kinder im Kiez: In 5 Jahren zum Betrieblichen Gesundheitsmanagement

Eine Betriebsvereinbarung zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement führt dazu, dass ein umfassendes Betriebliches Gesundheitsmanagement entsteht.

Grafik Kinder im Kiez

Das Unternehmen

2004 wurde die gemeinnützige GmbH „Kinder im Kiez“ in Berlin gegründet. Heute werden in 17 Kindertagesstätten 2.000 Kinder von ca. 560 Erzieherinnen und Erziehern und Fachpädagoginnen und Fachpädagogen betreut – mit dem Ziel, ideale Bedingungen für frühkindliche Bildung zu schaffen.

Ein wichtiger Schritt: Etablierung eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements

2016 beschloss der Betriebsrat, das Thema betriebliches Eingliederungsmanagement als zentrale Säule des betrieblichen Gesundheitsmanagements umzusetzen. Bis dahin gab es zwar Krankenrückkehrgespräche, ein strukturiertes Eingliederungsmanagement gab es jedoch nicht. Anfragen beim Arbeitgeber stießen zunächst auf wenig Resonanz. Der Betriebsrat blieb hartnäckig.

Da gab es einen klaren gesetzlichen Auftrag, der Arbeitgeber musste etwas tun. Wir haben das Nichtvorhandensein von BEM als Chance begriffen, das gab uns viel Gestaltungsspielraum BEM zu unserem Thema zu machen.

Elke Schütz, Betriebsratsvorsitzende

Ein Bewusstsein für die alltäglichen Belastungen der Arbeit von Erzieherinnen und Erziehern war auch in der Geschäftsführung vorhanden und so konnte nach wenigen Monaten eine Betriebsvereinbarung zum BEM unterzeichnet werden. Diese Betriebsvereinbarung legt nicht nur die Zusammensetzung des BEM-Teams fest, sondern beinhaltet ebenfalls Regelungen für die Schulungen der BEM-Berater und sieht ein Budget vor, das für die Anschaffung von erforderlichen Hilfsmitteln gedacht ist.

Der BEM-Prozess

Der Einführungsprozess des BEM in die Belegschaft dauerte fast ein Jahr. Vorgestellt wurde das BEM erstmals auf einer Betriebsversammlung. Da der Arbeitgeber für die Gestaltung des BEM wenig eigene Vorschläge machte, konnte der Betriebsrat hier frei agieren. Er erhält nun regelmäßig von der Personalstelle eine Liste über die Erkrankten und lädt zum Erstgespräch ein. Ca. 70 BEM-Gespräche werden pro Jahr geführt. Für das erste Gespräch können sich die betroffenen Beschäftigten „ihren“ BEM-Berater aussuchen und diesen mit Annahme der Einladung angeben. Einmal im Monat trifft sich das BEM-Team zur Fallbesprechung, an der Betroffene ebenfalls teilnehmen dürfen, jedoch selten von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Im Team werden die erforderlichen Maßnahmen definiert und ggf. Budgetfragen geklärt. Wenn das BEM-Team mit einem Fall nicht weiterkommt, kann mit Einwilligung des Betroffenen auch der Betriebsarzt hinzugezogen werden. Positiv am regelmäßig stattfindenden Team-Termin ist, dass dieser auch zur Supervision im Team genutzt werden kann, z.B. wenn sich ein Fall für den BEM-Berater als besonders belastend erweist.

Ein Ergebnis aus der Analyse der BEM-Fälle ist, dass mittlerweile die Zahl der psychischen die der körperlichen Erkrankungen übertrifft. Arbeitsverdichtung, herausfordernde Elternarbeit, Sprachbarrieren oder auch die Digitalisierung der Arbeit stellen hier nur einige mögliche Gründe dafür dar.

Nur selten können Beschäftigten Arbeitsplätze in der Verwaltung angeboten werden. Viel häufiger werden zur Reduzierung von Belastung in Absprache mit der Kitaleitung Arbeitsaufgaben reduziert, die Arbeitszeit verringert, Überstunden temporär verboten und nach Entlastungsmöglichkeiten in der Gruppe gesucht.

Besonders erfolgreich ist das BEM-Team, wenn es um die Beantragung von Reha- und Präventionsmaßnahmen geht: Kuren werden schneller genehmigt, wenn die Beantragungen durch die BEM-Berater erfolgen. Kommt es dennoch zu einer Ablehnung, wird Widerspruch eingelegt und so öfters eine Zusage erreicht.

Mitte 2019 wurde das präventive BEM ergänzend eingeführt. Erkrankungen unterhalb der 6-Wochen-Grenze werden nun in den Dienstberatungen in den Kitas thematisiert, wenn der Betriebsrat dort seine Sprechstunde durchführt. Dies wird v.a. dann in Anspruch genommen, wenn Beschäftigte oder Leitungen vor Ort bemerken, dass die Belastung einzelner Beschäftigter zu hoch ist und sich bereits ein längerer Ausfall abzeichnet.
Hinzu kommt die Einrichtung eines BEM-Krisenteam, um Leitungen in schwierigen Akutsituationen zu unterstützen.

Der zweite Schritt: über das BEM das BGM stärken

Durch die Betriebsvereinbarung zum BEM ist der Einstieg ins BGM in unseren Kitas gelungen.

Elke Schütz, Betriebsratsvorsitzende

Arbeitgeber und Betriebsrat analysieren regelmäßig gemeinsam, welche individuellen und strukturellen Gründe es für Erkrankungen von Mitarbeitern gibt. Aus den übergreifenden Themen, die alle Kitas betreffen, hat das BEM-Team in den letzten beiden Jahren viele neue Gesundheitsangebote entwickelt. Darunter zählen ein Anspruch auf den ergonomisch wichtigen Erzieherstuhl, Hebe- und Tragehilfen für den Krippenbereich, neue Laptops zur Dokumentation, höhenverstellbare Tische, Sensibilisierungsarbeit zum Thema Gesundheit für die Eltern, ein umfangreiches Workshopkonzept in Zusammenarbeit mit der AOK sowie, dass der pädagogische Tag von den Fortbildungen nicht berührt wird, sondern zusätzlich stattfindet.

Verzahnung von BEM mit der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen

Wir wären mit der GFB Psyche bei weitem nicht so weit, wenn es den Betriebsrat nicht gäbe.

Elke Schütz, Betriebsratsvorsitzende

Die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen wird seit Änderung des gesetzlichen Auftrags 2013 jährlich durchgeführt. Dazu wir einmal im Jahr ein kitaübergreifender Workshop angeboten und erhoben, welche Belastungen aktuell bestehen. In Folge findet im Arbeitsschutzausschuss die Maßnahmenplanung für die Kitas statt. Ebenso wichtig ist die Wirksamkeitskontrolle der umgesetzten Maßnahmen.

Wir setzen uns intensiv damit auseinander, ob unsere Maßnahmen auch geeignet waren, die Belastungen wirksam zu reduzieren.

Elke Schütz, Betriebsratsvorsitzende

Die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung können sich sehen lassen

Aus den Ergebnissen der letzten GFB Psyche wurden unter anderem folgende Maßnahmen abgeleitet: Dienstberatungen finden währen der Arbeitszeit statt, eine Betriebsvereinbarung zur Dokumentation der Arbeitszeit, fortlaufende Fortbildungen für Leitungen zum Thema „Gesunde und wertschätzende Führung“, ein Mentorenprogramm für Quereinsteiger, Supervision kann bei Bedarf abgerufen werden sowie ein vielfältiges Schulungsprogramm mit immer neuen Themen für die Beschäftigten.

Fazit des Betriebsrats: Herausforderungen bleiben

Die größte Herausforderung bleibt es, die Kitas immer wieder zur Beteiligung zu motivieren. Langwierig und mühsam sind mitunter auch die Verhandlungen mit dem Arbeitgeber, ebenso die immer neue Suche nach neuen Partnern für die Zusammenarbeit.

Insgesamt ist das Fazit des Betriebsrats aber überaus positiv. Innerhalb der letzten fünf Jahre wurde das gesamt betriebliche Gesundheitsmanagement aufgebaut.

Das haben wir als Betriebsrat in die Hand genommen und es zu unserem Thema gemacht. Wir können stolz auf darauf sein, was wir da erreicht haben.

Elke Schütz, Betriebsratsvorsitzende

Elke Schütz
Betriebsratsvorsitzende
Kopernikusstraße 23
10245 Berlin
Tel. +49 (0) 30 347476190
Mobil +49 (0) 163 5055827
betriebsrat@kinder-im-kiez.de

Biella-Falken: Körperliche Entlastung durch Rotation

Eine Änderung der Arbeitsprozesse führt mitunter zu einer Höhergruppierung der betroffenen Beschäftigten.

Das Unternehmen

Die Biella-Falken GmbH produziert und vertreibt Büro- und Schulartikel. Produktionsstandort ist Peitz, eine Stadt im Landkreis Spree-Neiße in Brandenburg, wo derzeit 300 Mitarbeiter tätig sind.

Hintergrund der Vereinbarung über Rotation in der Produktion

Die Arbeit der Beschäftigten an der Schweißmaschine stellte sich im Zuge der physischen Gefährdungsbeurteilung als monotone und belastende Tätigkeit heraus. Bis 2010 wurde diese Arbeit von zwei Beschäftigten gemeinsam erledigt, in Folge einer werksinternen Umstrukturierung sollte diese Maschine ab 2010 jedoch nur noch von einem Beschäftigten bedient werden. Der Betriebsrat schaltete sich ein.

2011 nutzte der Betriebsrat die Gelegenheit eine regelmäßige Rotation zu fordern. Ziel sollte sein, einen Beschäftigten maximal zwei bis drei Tage in der Woche an dieser Maschine einzusetzen und für die anderen Tage weitere Einsatzbereiche zu identifizieren.

Gegen viele Widerstände

Besonders die Schichtleitung aber auch die Produktions- und Geschäftsleitung stellten sich gegen den Vorschlag, da die Rotation größere organisatorische Veränderungen bedeutete. Komplexere Schichtpläne und umfangreiche Qualifizierungsmaßnahmen für die betroffenen Beschäftigten schreckten zusätzlich ab. Aber auch in der Belegschaft gab es zögerliche bis hin zu ablehnenden Reaktionen. Viele Gespräche waren nötig, um die Beschäftigten vom Nutzen der Maßnahme zu überzeugen.

Der Mitarbeiter fühlt sich auch sicher an seiner Maschine. Wir hatten dort immer eher Einzelkämpfer stehen, es war nicht klar, wie sich eine Integration ins Team auswirken würde.

Mario Stelzer, Betriebsratsvorsitzender

Der Durchbruch

Nachdem alle Beteiligten sich bereit erklärt hatten, die Rotation zu erproben, wurde diese erfolgreich umgesetzt. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor war die Zeit, die den Beschäftigten zugestanden wurde, sich für andere Arbeitsplätze zu qualifizieren. Über zeitliche begrenzte Einsätze im Werk konnten sie erproben, welche Ausweichtätigkeiten für sie in Frage kamen.

Nach einigen Monaten fiel das Fazit auf Seiten von Betriebsrat und Beschäftigten positiv aus. Über die Rotation war es gelungen, die körperlichen Belastungen deutlich zu reduzieren. Die Übernahme neuer Arbeitsaufgaben in anderen Teams wurde als Bereicherung empfunden. Zudem war es dem Betriebsrat im Rahmen der Rotation gelungen, die entsprechenden Beschäftigten höher eingruppieren zu lassen, da die neu erworbenen Qualifikationen einer höheren Entgeltstufe entsprachen.

Der Rückschlag

Mit der Übernahme der Biella-Falken GmbH 2012 durch die Schweizer Biella Gruppe kam das Projekt bereits wieder zum Erliegen. Erneuter Widerstand der Geschäftsführung führte dazu, dass die Rotation nicht stärker ausgeweitet wurde und heute die Maschine wieder weitestgehend von einzelnen Beschäftigten durchgängig bedient wird.

Wenn neue Mitarbeiter eingestellt wurden, wurden sie wieder zu Spezialisten an dieser Maschine ausgebildet, und nur dort eingesetzt, das ist leider bis heute so.

Mario Stelzer, Betriebsratsvorsitzender

Ein hoher Krankenstand und entsprechend wenig Kapazität für weitere Qualifizierungsmaßnahmen ließen Vorstöße des Betriebsrats ins Leere laufen.

Resümee des Betriebsrats und Ausblick

Das Projekt ist aus Sicht des Betriebsrats ein gutes Beispiel dafür, wie in Unternehmen mit Vereinbarungen umgegangen wird, wenn Eigentümerwechseln anstehen. Hinzu kommt, dass Themen, die für die Belegschaft existenziell sind wie z. B. Arbeitsplätze zu sichern und die Verlagerung von Produktion ins Ausland zu verhindern, vom Betriebsrat vorrangig bearbeitet werden müssen. Viele andere wichtige Themen stehen allein schon aus Kapazitätsgründen dahinter zurück.

Doch es gibt Lichtblicke: Bereits vor der Übernahme durch die französische Exacompta Gruppe bestanden Überlegungen von Seiten der Geschäftsführung, die Maschine zu halbautomatisieren. Dann würde der körperlich besonders schwere Anteil der Arbeit von der Maschine übernommen.

Im neu gewählten Betriebsrat besteht Einigkeit, die Arbeitsbedingungen an der Maschine wieder auf die Tagesordnung zu bringen und bessere Lösungen für die Arbeit zu finden.

Wir als Betriebsrat bleiben dran: Wir werden den Plan wieder einbringen und weiter für eine Arbeitserleichterung für die Mitarbeiter kämpfen.

Mario Stelzer, Betriebsratsvorsitzender

Mario Stelzer
Betriebsratsvorsitzender
Am Bahnhof 5
03185 Peitz
Tel. +49 (0) 35601 84219
Mobil +49 (0) 151 14646904
betriebsrat@biella.eu

Rheinbahn AG: Belastungsorientierte Dienstplanung

Der Betriebsrat setzt eine Betriebsvereinbarung durch, die zu einer arbeitnehmerfreundlichen Dienstplangestaltung und zur Einstellung neuer Kolleginnen und Kollegen führt.

Grafik Rheinbahn

Das Unternehmen

Die Rheinbahn AG ist ein Verkehrsunternehmen mit Sitz in Düsseldorf. Es betreibt Stadt-, Straßenbahn- sowie Buslinien des öffentlichen Personennahverkehrs. Mit mehr als 3.100 Beschäftigten und einem Einzugsgebiet von 570 Quadratkilometern rangiert die Rheinbahn AG an fünfter Stelle im Bundesgebiet und ist das größte von 20 Verkehrsunternehmen im Verkehrsbund Rhein-Ruhr (VRR).

Die Ausgangslage

Nach vielen Jahren der Restrukturierung bestand von Seiten der Politik der Anspruch, mehr Verkehr durch den öffentlichen Nahverkehr abzudecken, die Rheinbahn wuchs. Das bedeutete nicht nur, dass mehr Personal und Fahrzeuge benötigt wurden, sondern dass auch deutlich mehr Leistung gefahren werden musste. Gerade die zunehmenden Samstagsdienste und die gestiegene Verkehrsintensität in den Innenstädten brachten höhere Belastungen für die Mitarbeiter mit sich. Diese spiegelten sich auch in den gestiegenen Krankheitsquoten wider. Der Betriebsrat beschloss sich dieses heiklen Themas anzunehmen.

Zwei Dinge belasteten die Kollegen ganz besonders: die langen Dienste mit maximal 9,5 Stunden Arbeitszeit bei zehn Stunden Anwesenheit und Dienste mit strukturell großer Belastung z.B. im Innenstadtverkehr. Daran wollten und mussten wir etwas ändern.

Carsten Peter Suhr, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender

Harte Verhandlungen um eine Betriebsvereinbarung mit Präzedenzcharakter

Der Arbeitgeber war von diesem Unterfangen nicht leicht zu überzeugen, da mit Abschluss einer Betriebsvereinbarung erstmalig offiziell anerkannt würde, dass es diese Belastungen im Fahrdienst überhaupt gab. Es bedurfte intensiver Verhandlungen bis eine Betriebsvereinbarung verabschiedet war, der beide Seiten zustimmten. Ziel war es, eine Entlastung bei der Dienstplangestaltung im Beförderungsdienst zu erzielen, um eine langfristige Verweildauer der Fahrer und Fahrerinnen im Beförderungsdienst zu gewährleisten. Ein weiterer wichtiger Aspekt war, die Betriebsvereinbarung nach und nach weiterzuentwickeln, z.B. in Bezug auf gesundheitliche Einschränkungen.

Gründliche Analyse als Basis für Betriebsvereinbarungen

Voraussetzung für die Ausgestaltung der Betriebsvereinbarung war eine ganzheitliche Beurteilung der belastenden und entlastenden Faktoren im Fahrdienst, basierend auf der Annahme, dass nicht jeder Dienst die gleichen Belastungen aufweist. Um die größten Belastungsmomente zu identifizieren, wurden folgende Kriterien unter Einbeziehung der Belegschaft erarbeitet: Dienstlänge, Pünktlichkeit/Verspätungen auf der befahrenen Linie, Wendezeiten, Lage der Pausen, Lage der Ablösestellen und Häufigkeit bei Fahrzeugwechseln.

Fragen zu diesen Kriterien wurden in einer Belastungsampel zusammengestellt und ein entsprechendes Punktesystem für die Bewertung verhandelt. Auf dieser Basis konnte nun jeder Dienst gemessen und Punkte gemäß dem Ampelsystem (grün, gelb, rot) vergeben werden. Die Bewertungen wurden in kleinen Runden mit der Belegschaft erarbeitet.

Positive Effekte messbar

Nach einem Jahr wurde der Einsatz der Belastungsampel bewertet. Das Feedback der Angestellten in den monatlichen Fahrertreffs fiel mehrheitlich positiv aus, insbesondere weil „rot“ bewertete Dienste zu jener Zeit komplett abgeschafft worden waren.

Die Dienstlänge stellte weiterhin ein Problem dar, so dass die Dienstlängenverkürzung als nächster Punkt in die Verhandlungen aufgenommen wurde.

Positiv für Arbeitgeber und Betriebsrat war die Entwicklung des Krankenstandes.

Das waren die Jahre mit der niedrigsten Krankheitsquote, die wir je hatten.

Carsten Peter Suhr, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender

Herausforderungen steigen weiter an

Seit 2016 ist wieder ein Ansteigen des Krankenstands zu beobachten, sogar auf ein höheres Niveau als vor Abschluss der Vereinbarung. Gründe hierfür sind u.a. die alternde Belegschaft, anhaltend hohe Überstundenzahl, die körperlichen sowie psychischen Belastungen aus Schichtdienst oder auch ein immer unerfreulicherer Kundenkontakt bis hin zu tätlichen Übergriffen auf die Beschäftigten.

Verbale Beschimpfungen oder angespuckt werden sind beinahe an der Tagesordnung. Das macht den Kollegen gewaltig zu schaffen.

Carsten Peter Suhr, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender

Der zweite Schritt: Dienstlängenbegrenzung führt zu Neueinstellungen

2014 wurden vom Betriebsrat Maßnahmen zur Dienstlängenbegrenzung eingefordert.

Die maximale Dienstzeit wurde auf maximal 8,5 Stunden verkürzt, die Sieben-Tage-Schichten wurden vollständig abgeschafft. Eine neue Regelung sieht ebenfalls vor, dass maximal vier Tage am Stück gearbeitet werden und dann ein oder zwei Tage frei sind. Damit die Vereinbarung so auch umgesetzt werden konnte, wurden 50 neue Kolleginnen und Kollegen in Vollzeit eingestellt.

Konsequente Weiterentwicklung der Betriebsvereinbarung

Die Weiterentwicklung der BV ist eine Daueraufgabe zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber. Dabei gilt es viele kleine Stellschrauben und deren gegenseitige Abhängigkeiten zu berücksichtigen, eine überaus komplexe Aufgabe im Spannungsfeld zwischen Beschäftigten-, Kunden-, und Unternehmensinteressen.

Fazit des Betriebsrats

Durch das Engagement des Betriebsrats hat Gesundheit bei der Rheinbahn AG nun einen viel höheren Stellenwert als früher. Auch andere Bereiche des betrieblichen Gesundheitsmanagements wurden in den letzten Jahren ausgebaut und überarbeitet.

Zwar sind die positiven Effekte der umgesetzten Maßnahmen oftmals schwer messbar, weil viele Faktoren in Bezug auf Gesundheit eine Rolle spielen. Trotzdem fällt das Fazit des Betriebsrats zu den Entwicklungen seit 2013 positiv aus:

Die BV war der Türöffner, die Präambel ist bis heute wegweisend. Seitdem ist im Unternehmen viel im Sinne der Beschäftigten weiterentwickelt worden.

Carsten Peter Suhr, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender

Carsten Peter Suhr
stellvertretender Betriebsratsvorsitzender
Lierenfelder Straße 42
40231 Düsseldorf
Tel. +49 (0) 211 5821352
Carstenpeter.suhr@rheinbahn.de

HPZ Krefeld: Clearingstelle und psychosoziale Unterstützung in Akutsituationen

Betriebsrat und Arbeitgeber einigen sich auf die Schaffung einer Clearingstelle und eine Vereinbarung zur psychosozialen Unterstützung.

Grafik HPZ Krefeld

Das Unternehmen

Das Heilpädagogische Zentrum (HPZ) Krefeld ist eine Einrichtung zur Betreuung behinderter Menschen, untergliedert in die Bereiche Frühförderung, Kindertagesstätte und Produktion. Die 560 Angestellten arbeiten teilweise in eigenen Werkstätten an verschiedenen Standorten, teilweise an Arbeitsplätzen auf dem Arbeitsmarkt.

GFB Psyche als Ausgangspunkt für Belastungsreduktion

2018 wurde zum ersten Mal unter den Angestellten eine Gefährdungsbeurteilung psychischer Gesundheit (GFB) durchgeführt. Dazu gründete man einen Arbeitskreis für psychische Gesundheit, in dem die Betriebsparteien zunächst das Verfahren entwickelten. Man einigte sich auf ein zweistufiges Verfahren, in dem zuerst eine fragenbogenbasierte Umfrage und nachfolgend standortspezifische Workshops durchgeführt wurden.

Mit einer Rücklaufquote von 80 Prozent übertraf die Beteiligung der Angestellten und Führungskräfte die Erwartungen des Betriebsrates.

Positives Ergebnis war, dass körperliche Belastungen in den Hintergrund gerückt waren.

Negativ hingegen war die Zunahme der psychischen Belastungen, die als wesentliches Handlungsfeld für die Entwicklung von Maßnahmen von Arbeitgeber und Betriebsrat identifiziert wurden.

Psychosoziale Unterstützung in Akutsituationen

Der Betriebsrat wurde zuerst aktiv und erarbeitete einen Vorschlag für eine Betriebsvereinbarung. Deren Maßnahmen sollten die Angestellten dabei unterstützen, besser mit belastenden oder übergriffigen Situationen, wie z. B. körperlichen Übergriffen oder schweren Unfällen und Todesfällen, die zu körperlicher und auch seelischer Versehrtheit führen können, fertig zu werden.

Wir als Betriebsrat haben gesagt: wir brauchen ein Instrument, das an dieser Stelle Sicherheit bietet. Wenn tatsächlich etwas passiert, dass man dann direkt unterstützen kann.

Andreas Bist, Betriebsratsvorsitzender

Nachdem der Betriebsrat seinen Vorschlag für die Bereitstellung von Notfallhelfern in Akutsituationen dem Arbeitgeber vorgestellt hatte, wurde das Thema innerhalb kürzester Zeit gemeinsam angegangen. Nach wenigen Wochen wurde die Betriebsvereinbarung unterschrieben.

Alle Angestellten haben die Möglichkeit, die Notfallhelfer anzufordern. Zum Einsatz gekommen sind sie seit ihrer Einführung vor 16 Monaten bereits in zwei Fällen. Die Rückmeldung zum Angebot ist durchweg positiv. Besonders hervorzuheben ist an dieser Stelle auch die Entlastung für die Führungskräfte, denen als Vorgesetzte nicht mehr die Rolle des Krisenmanagers mit vollem Umfang zufällt. Für sie ist es eine große Erleichterung, in schwierigen Situationen dafür ausgebildete Expertinnen und Experten hinzuziehen zu können.

Derzeit wird außerdem überlegt, die Betriebsvereinbarung auf die Personengruppe der behinderten Beschäftigten auszuweiten, da es auch in diesem Bereich immer wieder zu Akutsituationen kommt, die eine Notfallhilfe erforderlich machen.

Bewältigungsstrategien bei anhaltender psychischer Belastung

Unabhängig von Übergriffen und akuten Krisensituationen berichteten Angestellte auch immer wieder von länger andauernden Problemsituationen, sei es mit Vorgesetzten oder anderen Beschäftigten, als auch zu Hause im Privatleben. Beides führte nachweislich zu längeren krankheitsbedingten Ausfällen. Der Betriebsrat schlug vor, einen externen Anbieter zu finden, an den sich betroffene Angestellte für eine Erstberatung wenden können. Unstrittig war, dass nicht nur arbeitsbezogene, sondern auch private Themen Gegenstand der Beratung sein durften.

Der Vorschlag fand Gehör beim Arbeitgeber. In relativ kurzer Zeit erarbeiteten der Betriebsrat gemeinsam mit dem Arbeitgeber und unter Einbeziehung einiger Angestellter ein Konzept, nach dem jeder Angestellte die Möglichkeit hat, kurzfristig, unbürokratisch und anonym Unterstützung zu bekommen. Für diese Clearingstelle und die damit erforderlichen Beratungsleistungen konnte ein Krefelder Institut gefunden werden.

Von der Einführung zum Selbstläufer

Bestand zunächst noch Skepsis gegenüber dem Beratungsangebot, berichteten bald die ersten Kollegen begeistert von ihren Terminen.

Positiv war die Mund zu Mundpropaganda. Nach ersten positiven Berichten sank die Scheu, das Institut zu kontaktieren und Unterstützung in Anspruch zu nehmen.

Andreas Bist, Betriebsratsvorsitzender

Bis heute, nach etwas über einem Jahr Laufzeit, sind die Rückmeldungen der Angestellten sehr gut.

Der Betriebsrat beobachtet auch positive Effekte für die Kommunikation und den Umgang miteinander im Unternehmen. Probleme, die ohne Intervention größer geworden wären, werden auf diese Weise in neue Wege geleitet und lassen sich so frühzeitig auflösen.

Fazit des Betriebsrats

Die Gefährdungsbeurteilung psychische Gesundheit gab den entscheidenden Anschub für die Entwicklung beider Maßnahmen. Hilfreich war insbesondere, dass der Arbeitgeber nicht nur direkt bereit war seiner gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen, sondern die GFB wirklich genutzt hat, um Belastungen ganz konkret abzubauen.

Wenn wir nicht angefangen hätten, hätten wir auch nicht gelernt, wie wir es besser machen können. Bei der nächsten GFB werden wir sehen, ob wir auf dem richtigen Weg sind.

Andreas Bist, Betriebsratsvorsitzender

Die offizielle Wirkungskontrolle der umgesetzten Maßnahmen steht noch an. Es besteht aber schon jetzt der Eindruck, dass die Maßnahmen durchschlagend positive Effekte zeigen und sich die Kosten der Clearingstelle bereits rechnen. Derzeit wird eine AU-Analyse im HPZ durchgeführt, um Ende 2020 prüfen zu können, welche Effekte die Maßnahme auch auf die Krankenstatistik hat.

Wenn dann noch nachgewiesen werden kann, dass die Ausfallzeiten reduziert werden, ist das die beste Wirkung.

Andreas Bist, Betriebsratsvorsitzender
Andreas Bist

Andreas Bist
Betriebsratsvorsitzender
Hochbend 21
47918 Tönisvorst
Tel. +49 (0) 2153 73799
Tel. +49 (0) 172 20 76462
a.bist@hpzkrefeld.de

KWS SAAT: Einführung eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements

Der zunehmenden Anzahl der Krankheitstage wird mit einem umfassenden Projekt zum Betrieblichen Gesundheitsmanagement begegnet.

Grafik KWS Saat

Das Unternehmen

Die KWS SAAT SE & Co. KGaA ist ein Saatgutunternehmen mit 1.500 Beschäftigten am Standort Einbeck in Niedersachsen. Die KWS ist weltweit mit Saatgutzüchtungs- und Vertriebsaktivitäten in mehr als 70 Ländern vertreten.

Aktuelle Herausforderungen

Seit 2018 Jahren rüttelt ein Umstrukturierungsprojekt namens Globe das Unternehmen gewaltig durch. Die Bewältigung dieses Veränderungsprozesses ist derzeit ein zentrales Thema.

Zudem ist im Rahmen von Globe geplant, die administrativen Tätigkeiten wie Finanzen, Einkauf und Personal von Einbeck nach Berlin zu verlagern, was weitreichende persönliche Entscheidungen für die Beschäftigten mit sich bringt.

Das betriebliche Gesundheitsmanagement wird aus der Taufe gehoben

Bereits 2012 entschied der Betriebsrat der KWS, das Thema Gesundheit stärker in den Mittelpunkt seiner Aktivitäten zu rücken und begann ein umfangreiches betriebliches Gesundheitsmanagement aufzubauen.

Wir haben als Betriebsrat gemerkt, dass Gesundheitsthemen immer wichtiger werden, wir wollten uns stärker dafür einsetzen, Beschäftigte gesund an der Arbeitswelt teilhaben zu lassen. Unsere Prämisse war die Fragestellung: wie können wir es schaffen, die Beschäftigten gesund bis zur Rente zu bringen?

Christina Zöllner, stellvertretende Betriebsratsvorsitzende

2013 wurde zunächst eine Arbeitsgruppe gegründet mit dem Ziel, gesündere Arbeitsbedingungen zu schaffen. Das Team trifft sich kontinuierlich in einem Zweimonatsrhythmus. Der Arbeitgeber musste nicht lange überzeugt werden.

In einer Ist-Analyse wurde zunächst untersucht, welche Gesundheitsmaßnahmen bereits im Unternehmen existierten. Von mehreren kleinen Aktionen bis hin zu entsprechenden Betriebsvereinbarungen war einiges dabei. Basierend auf diesen Erkenntnissen wurde überlegt, in welche Richtung das betriebliche Gesundheitsmanagement weiterentwickelt werden sollte.

Eine der ersten neuen Aktionen war der Gesundheitstag 2014 in Zusammenarbeit mit der Betriebskrankenkasse, der sehr gut in der Belegschaft ankam. Insgesamt konnten hier zehn verschiedene Stationen und Workshops durchlaufen werden.

Auch das Betriebliche Eingliederungsmanagement wurde 2014 eingeführt. Bis dahin hatte es unsystematische Krankenrückkehrgespräche gegeben, diese wurden nun durch ein strukturiertes System abgelöst.

Seit 2018 besteht die Arbeitsgruppe als Ausschuss des Betriebsrates.

Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen noch in den Kinderschuhen

Auffällig war immer wieder, dass in einigen Abteilungen die Krankenstände höher waren als in anderen. Im September 2019 wurde eine Assistentin für das betriebliche Gesundheitsmanagement eingestellt, die unter anderem Ursachen erforscht und strukturelle Maßnahmen ableiten soll. Hierfür wäre die GFB Psyche gut geeignet, die zwar bereits umgesetzt wird, jedoch eher als Nebenprodukt der allgemeinen Gefährdungsbeurteilung.

Perspektivisch soll für die GFB Psyche ein Prozess definiert werden vom Fragebogendesign bis zur Wirkungskontrolle. Da wäre noch viel mehr möglich, es müsste nur jemand in die Hand nehmen, dafür würden wir als Betriebsrat uns einen Gesundheitsmanager wünschen.

Christina Zöllner, stellvertretende Betriebsratsvorsitzende

Ein umfassendes Paket für Gesundheit

Die Maßnahmen des BGM sind vielfältig und werden ständig angepasst und erweitert, nicht zuletzt dank des unermüdlichen Engagements des Betriebsrats. Es gibt zahlreiche Aktivitäten im Fitnessbereich, die auch positive Effekte auf den Teamzusammenhalt haben.

Gesundheit ist auch, wenn das Miteinander gesund ist.

Christina Zöllner, stellvertretende Betriebsratsvorsitzende

Des Weiteren stellt der Arbeitgeber ein Budget für Gesundheit zur Verfügung und die BGM Assistenz sucht kontinuierlich nach weiteren Angeboten. Schließlich gibt es eine beeindruckende Anzahl an unterzeichneten Betriebsvereinbarungen, die mehr Gesundheit zum Ziel haben, wie z.B. zu Erholungszeiten, zur Altersteilzeit, mobilem Arbeiten, partnerschaftlichem Verhalten aber auch zur Pflege.
 
Perspektive: Alles in eine Hand

Viele der beschriebenen Maßnahmen werden von einzelnen Abteilungen geplant und durchgeführt.

Es fehlt uns aber jemand, der den Hut für das ganze betriebliche Gesundheitsmanagement aufhat, da ist manchmal der rote Faden nicht sichtbar.

Christina Zöllner, stellvertretende Betriebsratsvorsitzende

Seit 2016 gibt es die Überlegung, die BGM Assistenz auszuweiten und eine Stelle für einen BGM-Beauftragten einzurichten, der sich intensiv um den Themenkomplex kümmert und auch die Nachhaltigkeit von Maßnahmen in den Blick nimmt.

Wichtig ist dem Betriebsrat auch, belastbare Ergebnisse aus den vielen Einzelaktivitäten vorlegen zu können. Dies soll nach Abschluss des Projektes Globe stärker verfolgt werden.

Wir machen ganz viel und das kommt gut bei den Beschäftigten an. Nun wollen wir auch noch zahlenbasiert sagen können: das hat wirklich etwas gebracht.

Christina Zöllner, stellvertretende Betriebsratsvorsitzende

Christina Zöllner
Stellvertretende Betriebsratsvorsitzende
Grimsehlstr. 31
37555 Einbeck
Tel. +49 (0) 5561 3111012
Tel. +49 (0) 151 18855465
Christina.zoellner@kws.com

Honeywell: Die integrierte Gefährdungsbeurteilung

Mittels einer Betriebsvereinbarung setzt der Betriebsrat die systematische Erhebung psychischer Belastungen durch.

Grafik Honeywell

Das Unternehmen

Honeywell beschäftigt in Deutschland insgesamt ca. 5.000 Menschen u.a. in den Bereichen Chemie, Luft- und Raumfahrt, Sicherheitstechnik und Brandmeldeanlagen. In Offenbach/Frankfurt arbeiten ca. 220 Beschäftigte schwerpunktmäßig in Projekten der Prozessleittechnik. Im Jahr 2000 wurde das Unternehmen von der amerikanischen Firma AlliedSignal übernommen.

Schwierige Rahmenbedingungen für Gesundheit

Mit der Übernahme durch AlliedSignal kam es zu einem Umbruch in der Unternehmenskultur bei Honeywell.

Die Erhöhung des Aktienwertes ist seitdem oberste Prämisse.

Carsten Schnauß, Betriebsratsvorsitzender

Eine Folge der Übernahme war, dass viele Tätigkeiten ins Ausland verlagert wurden. Dazu zählen ebenfalls die Führungsstrukturen. Während das operative Geschäft weiterhin in Deutschland ausgeführt wird, haben die Entscheidungsbefugten heute ihren Sitz in der Regel im Ausland. Entsprechend schwierig war es für den Betriebsrat, das Thema Gesundheit bei der Geschäftsführung zu platzieren. Schon 2013 brachte der Betriebsrat die Gefährdungsbeurteilung psychischer und physischer Belastungen auf den Weg, jedoch konnte erst nach vielen Gesprächen und durch die Einigungsstelle eine Betriebsvereinbarung unterzeichnet werden.

Die Gefährdungsbeurteilung wird turnusmäßig alle zwei Jahre durchgeführt, es sei denn eine anlassbezogene Beurteilung ist in der Zwischenzeit erforderlich. Dies ist der Fall wenn

  • ein auffällig hoher Krankenstand festgestellt wird, es zu einer Häufung von Unfällen kommt oder die Beschwerden über Mängel der Arbeitsbedingungen zunehmen
  • wesentliche Änderungen der Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen erfolgen, die mit veränderten Gefährdungen und Belastungen einhergehen
  • neue gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse, gesetzliche und berufsgenossenschaftliche Vorschriften und Regelwerke und Normen bezogen auf die jeweiligen Gefährdungsbereiche vorliegen.

Eine Vereinbarung für mehr Gesundheit

Für die Durchführung der physischen Gefährdungsbeurteilung sieht die BV den Einsatz eines operativen Teams vor. Dieses setzt sich zusammen aus einem Vorgesetzten, einem Beschäftigten, einem BR-Mitglied und der Fachkraft für Arbeitssicherheit. Gemeinsam werden die einzelnen Bereiche begangen und Beobachtungsinterviews durchgeführt. Allerdings scheitert das Zusammenkommen des operativen Teams oftmals, da auch die Beschäftigten viel Zeit beim Kunden verbringen und nicht immer vor Ort sind. Sollte sich das Team auf keine durchzuführende Maßnahme einigen können, ist die Anrufung des Paritätischen Rats als Schiedsstelle vorgesehen.

Das kam bisher aber nur zweimal vor, in der Regel finden wir gute Lösungen im operativen Team.

Carsten Schnauß, Betriebsratsvorsitzender

Für die psychische Gefährdungsbeurteilung wird ein Kurzfragebogen zur Arbeitsanalyse eingesetzt, welcher extern und anonym ausgewertet wird. Im Gegensatz zum operativen Team bei physischen Belastungen ist hier der Arbeitgeber aufgefordert Maßnahmen zu entwickeln.

Ergebnisse und Hindernisse

Eine von allen Seiten akzeptierte Auswertung des Fragebogens war im ersten Schritt 2016 nicht möglich. Erst für die Folgebefragungen gelang es eine Einigung zu erzielen und ein Institut auszuwählen, mit dem 2019 auch die dritte Befragung zu psychischen Belastungen durchgeführt wurde.

Positiv bewertet wurden die ergonomisch und technisch gut eingerichteten Büroarbeitsplätze, dem Stressfaktor Lärm wurde durch schallreduzierende Maßnahmen begegnet. Hinweise der Beschäftigten auf wenig performante EDV-Systeme liefen hingegen leider ins Leere.

Weitere Ergebnisse der Befragung werden derzeit in Hinblick auf die Entwicklung von Maßnahmen analysiert. Die Umfrage legte eine extreme Belastung der Beschäftigten durch die zunehmende Arbeitsverdichtung bei immer dünner werdender Personaldecke offen. Entlastung ist bisher nicht in Sicht. Auch Burnout entwickelt sich zu einem Thema mit zunehmender Brisanz.

Eine erfolgreiche Belastungsreduzierung scheitert aber auch an der Bereitschaft der Beschäftigten an einer Verbesserung mitzuwirken. Bisher ist es dem Betriebsrat nicht gelungen, Beschäftigte davon zu überzeugen ihre Arbeitsstunden aufzuschreiben, Überlastungen zu melden und diese mit der Führungskraft zu diskutieren. Ein Grund hierfür sieht der Betriebsrat in einem sehr hohen Verantwortungsgefühl gegenüber Kunden. Um dies künftig verbessern zu können, wurde das Institut, das die Auswertungen durchführt, daher beauftragt, Maßnahmenvorschläge zum Thema Belastungen aus Überstunden und aus der Rufbereitschaft zu erarbeiten.

Fazit des Betriebsrats

Wir arbeiten hier unter extrem schwierigen Bedingungen, weil wir uns der Struktur und den Regelungen eines amerikanischen Unternehmens unterliegen. In dieser Hinsicht sind bereits der Abschluss und die konsequente Umsetzung der BV als großer Erfolg zu werten.

Carsten Schnauß, Betriebsratsvorsitzender

Um Belastungen besser reduzieren zu können, wäre der Wunsch des BR die Einführung eines runden Tisches, an dem gemeinsam mit Arbeitgebervertretungen an den vorherrschenden Problemfeldern gearbeitet wird. Dazu wäre es z.B. sinnvoll, auch die Matrixstruktur anzupassen, in der alle Abteilungen getrennt voneinander ihre Ziele erreichen sollen und zukünftig mehr gegenseitige Unterstützung und Austausch zu organisieren.

Aus Sicht des BR-Vorsitzenden bleibt die große Frage:

Wie bekommen wir es hin, die Belastungen der Beschäftigten unter den gegebenen Rahmenbedingungen zu reduzieren? Dafür bräuchten wir einen Partner auf Arbeitgeberseite, der die Thematik genauso sieht und auch der Meinung ist, dass etwas unternommen werden muss. Den brauchen wir.

Carsten Schnauß, Betriebsratsvorsitzender

Noch mehr 'Gute Praxis'

Es gibt viele gute betriebliche Lösungen zu aktuellen Problemen – entwickelt von und mit Betriebsräten. Wir zeigen einige und liefern Erfahrungen mit, wie neue Ideen verhandelt und kreativ umgesetzt wurden. Unsere Praxisbeispiele können Euch und Eurer Betriebsratsarbeit als Inspiration dienen. Bisher erschienen sind die folgenden Module: