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Gute Praxis

Öffentlichkeitsarbeit im Betriebsrat

Einführung

Die Coronapandemie war für Interessenvertretungen von besonderen Herausforderungen geprägt. Eine davon war es, den Kontakt zu den Beschäftigten trotz Distanz aufrechtzuerhalten. Eine Thematik, die im Hinblick auf die diesjährigen Betriebsratswahlen zum Tragen kommt, ist die Öffentlichkeitsarbeit von Betriebsräten.

Die folgenden acht Praxisbeispiele sind Projekte, die in den letzten Jahren zu der Thematik beim Deutschen Betriebsrätepreis eingereicht wurden. Welche Maßnahmen und Lösungen entwickeln Betriebsräte, um auf die Betriebsratsarbeit aufmerksam zu machen? Welche Bestandteile umfasst die Öffentlichkeitsarbeit und wie wird diese von den Gremien organisiert? Dabei wird die Öffentlichkeitsarbeit nicht nur während der Coronapandemie, sondern auch davor betrachtet. Durch die Praxisbeispiele sollen Handlungs- und Orientierungswissen für die Betriebsratsarbeit vermittelt werden. Die Projekte geben Einblicke, welche Lösungen Betriebsräte erarbeitet haben, damit die Mitbestimmung präsent ist, die Beschäftigten gut informiert sind und die Betriebsratsinteressen eine breite Öffentlichkeit erfahren.

In Interviews mit Mitgliedern der Interessenvertretungen und den gewerkschaftlichen Unternehmensbetreuer*innen  wurden die Ausgangslagen und die Projekte ausführlich erläutert. Die Projekte beinhalten inspirierende Ideen und Lösungsansätze, wie – auch unter schwierigen Umständen – Öffentlichkeitsarbeit realisiert und so die eigene Betriebsratsarbeit sichtbar gemacht werden kann. Auch geben die Projekte Aufschluss darüber, welche Schlüsse daraus für die Gremienarbeit gezogen werden konnten.

Das tun Betriebsräte – Ergebnisse im Überblick

Auf welchen Wegen kann Öffentlichkeitsarbeit gestaltet werden? Unter welchen Umständen wird sie organisiert? Wie aufwendig ist die Entwicklung einer Betriebsratszeitung und auf welche Hilfestellungen kann man dabei zurückgreifen?

Die acht Praxisbeispiele bilden ein breites Spektrum ab: die Herausgabe einer eigenen Betriebsratszeitung, die Entwicklung eines Betriebsrats-Brandings, eine neue Plattform für einen interaktiven Austausch mit den Mitarbeiter*innen, die Durchführung von Workshops oder die Suche nach einer breiten Medienöffentlichkeit. Öffentlichkeitsarbeit darf niemals stillstehen; sie muss immer wieder angepasst und mit neuen Instrumenten versehen werden. Über die eigene Arbeit zu sprechen und sich als Betriebsräte bei den Beschäftigten immer wieder in Erinnerung zu rufen, ist fundamentaler Bestandteil jeder Betriebsratstätigkeit. Ein Überblick zu den einzelnen Projekten:

Benteler Steel/Tube GmbH: Ausbildungskampagne und Online-Petition

Gegen die angekündigte Reduzierung von Ausbildungsstellen machen der Betriebsrat, die IG Metall Paderborn und der Deutsche Gewerkschaftsbund mit Mitteln der Öffentlichkeitsarbeit, einer Ausbildungskampagne und einer erfolgreichen Online-Petition mobil.

B. Braun SE: Schwerbehindertenvertretung entwickelte eigene Zeitschrift 

Um die Schwerbehinderten und Gleichgestellten auch während der Coronapandemie zu informieren, entwickelte die Schwerbehindertenvertretung eine eigene unternehmensinterne Zeitschrift, die SBVNews.

Diakonisches Werk Würzburg e.V.: Offensive in Sachen Videoberatung

Die Mitarbeitendenvertretung (MAV) nutzt vermehrt das Medium Video, um kurze und aussagekräftige Beratungs-Clips „von Kollegen für Kollegen“ zu produzieren.

Finzelberg GmbH & Co. KG: Mitarbeiterzeitschrift „Pflanzenpresse“ nimmt kein Blatt vor den Mund

Um Neuigkeiten aus dem Betrieb besser an die Mitarbeiter*innen herantragen zu können, entwickelte der Betriebsrat die „Pflanzenpresse“, eine Zeitschrift von Mitarbeiter*innen für Mitarbeiter*innen.

GlaxoSmithKline (GSK) GmbH & Co. KG: Neues Betriebsrats-Branding

Der Betriebsrat entwickelt ein eigenes Branding mit hohem Wiedererkennungswert für sich, das seither auf digitalen und analogen Medien zum Einsatz kommt. 

Kone GmbH: Kommunikationsworkshop

Gegen ein angespanntes Betriebsklima konzipierte der Betriebsrat einen Kommunikationsworkshop für die Beschäftigten.

Malzers Backstube & Scherpel Brot GmbH & Co. KG: Mitarbeiterzeitschrift Ansichtssache

Weil es immer schwieriger wurde, die Beschäftigten zu erreichen und über Themen des Betriebsrats zu informieren, wurde die Mitarbeiterzeitschrift „Ansichtssache“ entwickelt.

W&W Informatik GmbH: Professionalisierung des Betriebsrats

Die interne Arbeitsweise und die Öffentlichkeitsarbeit des Betriebsrates wurden unter die Lupe genommen und Schritt für Schritt auf neue Medien sowie digitale Tools transformiert.

Benteler Steel/Tube GmbH: Betriebliche Ausbildungskampagne und Online-Petition

2020 kündigte die Geschäftsführung betriebliche Maßnahmen an, um auf finanzielle Schwierigkeiten zu reagieren. So sollten die Ausbildungsplätze von jährlich 80 auf nur noch 14 reduziert werden. Der Betriebsrat, die IG Metall Paderborn und der Deutsche Gewerkschaftsbund machten dagegen mit Mitteln der Öffentlichkeitsarbeit mobil.

Das Unternehmen

Die Benteler International Aktiengesellschaft ist ein Metall verarbeitender Konzern. Die Standorte Paderborn und Schloss Neuhaus in Nordrhein-Westfalen gehören zur Steel/Tube GmbH. Der 19-köpfige Betriebsrat vertritt rund 2.400 Beschäftigte. In Schloss Neuhaus betreibt Benteler das hochmoderne Aus- und Weiterbildungszentrum (AWZ).

Drohender Abbau von Ausbildungsplätzen

Manfred Block, Betriebsratsvorsitzender am Standort Paderborn, war erschüttert über den angekündigten Abbau von Ausbildungsplätzen. Dass Einsparungen auf Kosten der Auszubildenden gehen sollten, lehnte der Betriebsrat mit aller Entschiedenheit ab.

Wenn man seine Ausbildung in einem Betrieb abschafft, dann schafft man seine Zukunft ab.

Manfred Block, Betriebsratsvorsitzender
Abbildung Benteler Steel/Tube GmbH

Da die Ankündigung in die Coronazeit fiel, stellte das eine besondere Herausforderung für die Betriebsratsarbeit dar, denn Aktionen vor Ort, bei denen sich Menschen versammeln konnten, waren nicht möglich.

Öffentlichkeitarbeit für den Ausbildungsstandort nimmt Fahrt auf

Nach ersten ergebnislosen Gesprächen mit der Geschäftsführung schalteten Betriebsrat und IG Metall in den Kampfmodus. Um Aufmerksamkeit zu erzeugen, startete das Projekt mit einem öffentlichen Internet-Talk als Videostream. Die teilnehmenden Expert*innen kamen aus verschiedenen Lagern: Vertreter*innen des Arbeitgebers, Betriebsräte, DGB-Gewerkschaften und Arbeitgeberverband ebenso wie Ausbildungsverantwortliche. Weitere Register wurden gezogen, eine Radioreportage bei WDR 2 war eines der Ergebnisse. Zudem wurden namhafte Vertreter*innen aus der Politik eingeladen sowie die lokale Presse, die anschließend darüber berichtete.

Online-Petition wird zum Kernstück der Öffentlichkeitsarbeit

Die Präsenz aus Politik und Gesellschaft zeigte Wirkung in der Öffentlichkeit. Der Betriebsrat erkannte, dass die mediale Aufmerksamkeit schnell wieder verblasste. Daher erschien eine beteiligungsorientierte Online-Petition der beste Weg, um das Interesse auf Dauer hochzuhalten. Mithilfe von Felix Wagner, Gewerkschaftssekretär der IG Metall Paderborn, startete der engagierte Betriebsrat die Online-Petition unter dem Motto „Benteler-Ausbildung in Paderborn sichern!“. Zum Auftakt wurden eine Pressekonferenz abgehalten und regelmäßige Posts in den sozialen Medien abgesetzt. Kulturelle und kirchliche Organisationen vor Ort engagierten sich und weitere Bundestagsabgeordnete konnten als Unterzeichner*innen gewonnen werden. Der Deutsche Gewerkschaftsbund unterstützte die Petition tatkräftig mit eigens erstellten Videoposts.

Das war auch unser Ziel, dass wir die Bedeutung der industriellen Wertschöpfung hier für den Standort hervorheben und damit auch Ausbildung sichern können. Aber nur, wenn man so ein Breitenthema hat, ist eine Online-Petition das richtige Mittel zur Durchsetzung der gewerkschaftlichen Interessen.

Felix Wagner, Gewerkschaftssekretär, IG Metall Paderborn

Am Ende erzielte man einen großartigen Erfolg mit rund 2.000 hauptsächlich externen Unterschriften innerhalb nur weniger Wochen.

Fazit: Viele Ausbildungsplätze konnten zurückgewonnen werden

Mit der massiven Öffentlichkeitsarbeit konnten der Benteler-Betriebsrat und die IG Metall großen Druck auf den Arbeitgeber ausüben. Dadurch waren die Ausbildungsplätze wieder Bestandteil der Verhandlungen zum neuen Ergänzungstarifvertrag. Letztlich war die IG Metall in den Verhandlungen sehr erfolgreich: Die Ausbildungsplätze wurden strukturell nicht in dieser drastischen Höhe reduziert. Zwar waren die Forderungen der IG Metall deutlich höher, im Ergänzungstarifvertrag trafen sich die Verhandlungspartner*innen dann bei 50 garantierten jährlichen Ausbildungsplätzen für Benteler Steel/Tube insgesamt, wovon circa 43 auf den Standort Paderborn entfallen. Da sich die Auftragssituation zudem wieder etwas verbesserte, konnte auch die Zahl der neuen Ausbildungsverhältnisse bereits im Jahr 2022 auf circa 50 erhöht werden. 

Da sind wir auch stolz drauf, dass wir das geschafft haben, sonst würde es diese Ausbildung heute so nicht mehr geben.

Manfred Block, Betriebsratsvorsitzender

Wir sind sehr froh, dass auch durch die Kampagne Benteler als Aus-bildungsbetrieb nicht verbrannt ist.

Felix Wagner, Gewerkschaftssekretär, IG Metall Paderborn

B. Braun SE: Schwerbehinderten­vertretung entwickelt Zeitschrift

Aufgrund der Coronapandemie konnte im Jahr 2020 die betriebsinterne Jahresversammlung für Schwerbehinderte und Gleichgestellte nicht stattfinden. Um etwas Gleichwertiges anzubieten, entwickelte die Schwerbehindertenvertretung eine eigene unternehmensinterne Zeitschrift, die SBVNews.

Das Unternehmen B. Braun Melsungen AG

Das Unternehmen B. Braun Melsungen AG ist im Bereich der chemischen Medizintechnik mit weltweit über 60.000 Beschäftigten aktiv, davon am Hauptsitz mit etwa 7.300. Rund 700 Schwerbehinderte sind in Melsungen beschäftigt. Etwa die Hälfte sind Gleichgestellte mit einem Grad der Behinderung von 30 bis 40. Die Schwerbehindertenvertretung am Standort besteht aus drei Personen.

Eine SBV-Zeitschrift als Alternative zur Jahresversammlung

Die Jahresversammlung für Schwerbehinderte und Gleichgestellte bei B. Braun in Melsungen fand großen Anklang. Organisiert wurde die Veranstaltung federführend von Simone Kördel, Vertreterin für Schwerbehinderte und Gleichgestellte bei B. Braun. Im Verlauf der Coronapandemie 2020 wurde deutlich, dass ihre Versammlung nicht in Präsenz wird stattfinden können – und auch dürfen. Die gut besuchte Veranstaltung im Vorjahr hatte aber gezeigt, wie wichtig ein offener Umgang mit Fragen der Schwerbehinderung, Inklusion und Wiedereingliederung ist.

Ja, und da haben wir dann überlegt, welche Alternative? Wie kommen wir jetzt an die Leute, um ihnen diese Information zu geben? Und da ist uns die Idee der Zeitschrift gekommen, um einen Ersatz zur Versammlung zu haben.

Simone Kördel, Vertreterin der Schwerbehindertenvertretung
Abbildung B. Braun SE

Die Zeitschrift war geboren. Es galt nun herauszufinden, welches Know-how und welche Ressourcen für die Erstellung einer Zeitschrift notwendig waren. So stand erst nach mehreren Verhandlungsschleifen die Kostenübernahme des Arbeitgebers. Eine externe Redakteurin durfte ins Boot geholt werden. Auch das Thema Datenschutz wurde diskutiert. Hier half erfolgreich die IG BCE, stellvertretend der Konzernbetreuer Friedrich Nothhelfer.

Die erste Ausgabe der SBVNews: Fokusthema Gesundheit

Die erste Ausgabe der SBVNews war eine hoch informative und umfassende 24-seitige Publikation rund um das Schwerpunktthema „Gesundheit“. Ein Hauptaugenmerk lag dabei u. a. auf dem Rechenschaftsbericht mit den aktuellen Entwicklungen am Standort. Darin wurden auch die coronabedingten Veränderungen näher ausgeführt, warum Homeoffice für die Schwerbehindertenvertretung nicht funktionierte und BEM-Gespräche nicht mehr in Präsenz, sondern hauptsächlich über MS-Teams stattfinden.

Feedback aus der Belegschaft

Das Gesamtkonzept der Zeitschrift ging durchweg auf. Die Veröffentlichung in Papierform war für viele Beschäftigte noch immer vertrauter als das Lesen am Computer. Zudem erreichte sie sogar mehr Beschäftigte, denn zur Versammlung konnten nicht alle erscheinen. Mittlerweile wurde eine zweite Ausgabe veröffentlicht, denn auch 2021 konnte keine Präsenzveranstaltung der Schwerbehindertenvertretung durchgeführt werden.

Vorbildliche Öffentlichkeitsarbeit, auf der man aufbauen kann

Schwerbehindertenvertretung wird oft nur als Teilbereich der Betriebsratsarbeit angesehen, was so nicht richtig ist. Denn: Die Schwerbehindertenvertretung ist ein eigenes Gremium, zwar ohne Mitbestimmungsrecht, aber mit Informations- und sogar mit Vetorechten. Daher ist die Vernetzung der Schwerbehindertenvertretung, auch über den eigenen Standort hinaus, ein Anliegen der Gewerkschaftsvertreter*innen, z. B. durch einen übergreifenden Newsletter.

Wir haben schon mal überlegt, ob es im Verbund der Schwerbehindertenvertreter nicht interessant wäre, wenn jeder einen kleinen Bericht gibt (…). Dass man dann so einen Newsletter hat und, das hat Simone eben gesagt, so ein Newsletter muss auch ausdruckbar sein, um Informationen in den Produktionsbereichen streuen und verbreiten zu können. (…) Runtergebrochen für Kolleginnen und Kollegen in der Schwerbehindertenarbeit und für solche, die betroffen sind.

Friedrich Nothhelfer, Bezirksleiter, IGBCE Bezirk Kassel

Denn die Erfahrung zeige, dass die Arbeit der Schwerbehindertenvertretung in der Unternehmenslandschaft oft untergeht. Um die Beschäftigten aber auch dort zu erreichen, so der Gewerkschafter, könnte ein Newsletter, veröffentlicht nach den Wahlen und koordiniert durch die IG BCE, viel bewirken. Simone Kördel würde sich jedenfalls freuen, wenn die Schwerbehindertenarbeit als selbstverständlich angesehen und von allen Arbeitgebern anerkannt würde, und das SGB IX so ernstgenommen würde, wie es sich gehört.

Kontakt: simone.koerdel@bbraun.comfriedrich.nothhelfer@igbce.de

Diakonisches Werk Würzburg e. V.: Offensive in Sachen Videoberatung

Mit der Pandemie verschlechterte sich die kommunikative Situation mit den Beschäftigten. Die MAV nutzt seitdem vermehrt Videos, um kurze und aussagekräftige Beratungs-Clips „von Kollegen für Kollegen“ zu produzieren. 

Die Mitarbeitendenvertretung der Diakonie Würzburg

Die Diakonie ist das landesweite Wohlfahrtsunternehmen der Evangelischen Kirche. Hier gilt der sogenannte „dritte Weg“: Die Arbeitsrechtssetzung geschieht durch paritätisch zusammengesetzte Arbeitsrechtliche Kommissionen (ARK). Einen Betriebsrat im gewerkschaftlichen Sinne gibt es nicht, an seine Stelle tritt die von den Beschäftigten gewählte Mitarbeitendenvertretung (MAV). Im Diakonischen Werk Würzburg besteht die MAV aus neun Mitgliedern, die sich um die Belange der 900 Beschäftigten kümmern.

Mit lockeren Video-Clips die Beschäftigten erreichen

Die Coronapandemie brachte den Druck mit sich, schnell etwas in der MAV-Arbeit zu ändern. Edith Günter-Rumpel, Vorsitzende der Mitarbeitervertretung hatte die Idee Video-Clips für die Beschäftigten zu relevanten Themen rund um die Arbeitsbedingungen zu produzieren. Es sollten kurze und knappe Videoclips werden, nicht länger als drei Minuten, im Format eines kollegialen Gesprächs, ohne Anspruch auf filmische Professionalität, weder abgehoben noch formalistisch wie ein Erklärvideo.

Uns war es wichtig, sich zu zeigen, mit Menschen zu reden und nicht irgendwelche Texte oder Flugblätter zu verschicken, wo die Leute eh keine Zeit haben, die zu lesen. (…) Es ist ganz kurz wie ein kollegiales Gespräch von Kollegen zu Kollegen.

Edith Günter-Rumpel, Vorsitzende der Mitarbeitendenvertretung
Abbildung Diakonisches Werk Würzburg e.V.

Bald wurde deutlich, dass das Projekt einen unschätzbaren Mehrwert hatte, nämlich die Aktivierung der internen Öffentlichkeitsarbeit. Denn der ungezwungene Kontakt zur MAV, die im lockeren Video-Clip in verständlicher Sprache zu einem Thema aus dem Arbeitsleben „fachsimpelte“, kam bei der Belegschaft sehr gut an. Plötzlich hatte die MAV eine direkte Nahbarkeit und eine Sichtbarkeit in den vielen verschiedenen Einrichtungen der Diakonie in Würzburg.

Inhalte der Video-Beratungen

Die Themen für die Beratungsvideos brachte das Gremium direkt aus der Belegschaft mit: Wo drückte der Schuh und was interessierte die Beschäftigten? Zudem gab es Karteikarten mit Fragen, die häufig auf der Versammlung der Mitarbeiter*innen gestellt wurden. Und so kam ein reichhaltiges Themenspektrum zusammen, wie z. B. „Die Arbeitsvertragsrichtlinie, was ist das?“.

Die technische Umsetzung entwickelte sich

Nach anfänglich etwas wackeligen Aufnahmen wurden mit der Hinzunahme eines Handy-Stativs die bewegten Bilder ruhiger und die Aufnahmen so technisch verbessert. In späteren Video-Clips wurden mithilfe der Videobearbeitung zusätzliche nützliche Informationen zu den jeweiligen Themen eingeblendet, wie z. B. Telefonnummern oder E-Mail-Adressen.

Gewerkschaftliche Sicht

Stefan Kimmel ist seit 2015 bei ver.di, Bezirk Würzburg/Aschaffenburg, als Kollektivsekretär für Gremienarbeit tätig. Er kann aus seiner Gewerkschaftssicht beurteilen, wie schwierig der Umgang mit und die Bewältigung der Coronapandemie für viele Vertretungen anfangs war. Viele Beschäftigtenvertretungen wussten nicht mehr, wie sie ihre Kolleg*innen erreichen sollten, umso beachtenswerter findet er die Vorgehensweise der MAV beim Diakonischen Werk.

Das Format, das in kollegialer Sprache zu machen, die Themen zu nehmen, die die Menschen interessieren, beispielsweise Urlaub, (…) und Mitarbeiterversammlungen abzuhalten, das ist eigentlich genial, die Kolleginnen und Kollegen verstehen unsere Botschaften, es gelingt uns, Menschen zu begeistern und bei Problemlösungen mit einzubinden. Die Pandemie hat uns sicherlich gelehrt, dass es auch andere Methoden gibt, sich zusammenzutun.

Stefan Kimmel, Gewerkschaftssekretär, ver.di Bezirk Würzburg/Aschaffenburg

Und er hofft natürlich auch, dass sich die Aktionen der MAV in Zukunft positiv auf die gewerkschaftlichen Strukturen in den Einrichtungen auswirken und so die Gewerkschaft ver.di neben dem dritten Weg ein Gesicht bekommt.

Fazit

In schweren Zeiten wie der Coronakrise zeigt sich umso mehr, wie wichtig ein gemeinschaftliches Miteinander ist. Für die MAV ist es umso wichtiger, einen Weg gefunden zu haben, bei dem die Vertretungsarbeit auch Spaß macht und anerkannt wird.

Kontakt: mav.guenter-rumpel@diakonie-wuerzburg.deStefan.Kimmel@verdi.de 

Finzelberg GmbH & Co. KG: Mitarbeiterzeitschrift „Pflanzenpresse“ nimmt kein Blatt vor den Mund

Um Neuigkeiten aus dem Betrieb besser an die Mitarbeiter*innen herantragen zu können, entwickelte der Betriebsrat 1996 die Zeitschrift „Pflanzenpresse“.

Das Unternehmen Finzelberg GmbH & Co. KG

Rund 150 verschiedene Pflanzen werden von Finzelberg in Andernach zu 800 Produkten für den internationalen Pharma- und Gesundheitsmarkt verarbeitet. Mit circa 360 Beschäftigten an zwei Standorten rangiert das Unternehmen weltweit unter den „Top 5“ bei der Herstellung von Arzneimittelgrundstoffen aus Heilpflanzen. Das Betriebsratsgremium setzt sich aus aktuell neun Mitgliedern zusammen.

Tue Gutes und schreibe darüber: Wie alles begann

Die Idee für eine Mitarbeiterzeitschrift hatte 1996 eine Kollegin aus dem Vertrauenskörper. In erster Linie ging es darum, die Mitarbeiter*innen am Standort besser über die Hintergründe zu aktuellen betrieblichen Entscheidungen zu informieren. Nach Gesprächen mit der Geschäftsführung gab es grünes Licht für die Idee. Es entstand die erste Ausgabe der „Pflanzenpresse“ mit Themen, die speziell auf die Mitarbeiter*innen ausgerichtet waren, mitunter spitz formuliert und kritisch im Tonfall. Zudem hatte man sich das Ziel gesetzt, tiefergehende Erklärungen für betriebliche Entscheidungen am Standort zu geben.

Sie ist ein unterstützendes Mittel der Betriebsversammlung. Wir können dort Dinge besser und ausführlicher erklären, weil wir dann mehr Zeit haben.

Wolfgang Hell, ehemaliger Betriebsratsvorsitzender
Abbildung Finzelberg GmbH

Themen aus dem Betriebsrat und über den Tellerrand hinaus

Die „Pflanzenpresse“ versteht sich nicht nur als bloßes Betriebsratsorgan, sondern vielmehr als informative Zeitung für die Beschäftigten mit Bezug zu aktuellen Themen, mit Bildungsanspruch und Aufklärungsarbeit. Themen aus dem Arbeitsrecht wurden immer wieder aufbereitet, z. B. zum Urlaubsanspruch. Und auch das Menschliche kommt nicht zu kurz mit Anekdoten und Jubiläen. In jeder Ausgabe wird zudem eine der gehaltvollen Pflanzen vorgestellt, die bei Finzelberg verarbeitet werden.

Mit der „Pflanzenpresse“ gegen Corona-Fake-News

Mit Beginn von Corona wurden in der turnusmäßig erscheinenden „Pflanzenpresse“ Zusammenhänge aufgegriffen, es wurden Viren als solche erklärt und die verschiedenen Corona-Impfstoffe dargestellt. Damit wollte man im Vorfeld gegen Fake-News ankämpfen, dass beispielsweise M-RNA-Impfstoffe die DNA verändern würden.

Wie Gewerkschaft bei Finzelberg aus Betriebsratssicht gelebt wird

Der Organisationsgrad bei Finzelberg liegt bei konstant über 90 Prozent. Das Unternehmen zeichnet sich durch eine langjährig gewachsene, starke Mitbestimmungskultur aus. Das ist nicht zuletzt dem guten sozialpartnerschaftlichen Verhältnis mit dem Arbeitgeber zu verdanken. Durch eine Betriebsvereinbarung besteht beispielsweise ein Mitbestimmungsrecht bei allen disziplinarischen Maßnahmen wie Kündigungen und Abmahnungen.

Das ist eine Frage von moderner Betriebsratsarbeit (…) ein Pfund, das man bei Finzelberg buchen kann.

Hans-Joachim Gerloff, Bezirksleiter, IG BCE Bezirk Mittelrhein

Der Gewerkschaftsvertreter sieht darin eine gewachsene Kultur, die über die vielen Jahre mit Engagement auch durch die „Pflanzenpresse“ aufgebaut wurde. Federführend hat dabei Wolfgang Hell das meiste Herzblut in die Erstellung der Zeitung gesteckt. Dabei nutzte er die „Pflanzenpresse“ auch dazu, Themen anzusprechen, die nicht gut im Unternehmen liefen. Und das manchmal nicht ohne Sticheleien gegen den Arbeitgeber:

Das muss auch sein, weil man herauskristallisieren muss, dass der Betriebsrat eine andere Position hat als die Geschäftsleitung und wir versuchen ja auch immer, die Gewerkschaftsarbeit in der Zeitung darzustellen.

Wolfgang Hell, ehemaliger Betriebsratsvorsitzender

In jeder Ausgabe gibt es wichtige Informationen zur Gewerkschaftsarbeit, womit die Bedeutung einer Gewerkschaftsmitgliedschaft unterstrichen wird.

Ausblick

Die „Pflanzenpresse“ ist bei den Mitarbeitern sehr beliebt. Das ist Ansporn für das neue Betriebsratsgremium, auch wenn ihr Redaktionschef Wolfgang Hell im verdienten Ruhestand ist. Am Grundpfeiler der „Pflanzenpresse“ soll nicht gerüttelt werden: der transparenten Berichterstattung über die Betriebsratsarbeit von Beschäftigten für Beschäftigte. Damit es weitergeht, wurden im Betriebsrat bereits ein dreiköpfiges Redaktionsteam gebildet und über Inhalte und Formate neu nachgedacht. Denn man will auf die schnelllebige Zeit besser reagieren können. Dabei steht ein veränderter Erscheinungsrhythmus ebenso zur Diskussion wie Klimaneutralität und der CO2-Abdruck.

Kontakt: betriebsrat@finzelberg.comhans-joachim.gerloff@igbce.de 

GlaxoSmithKline GmbH & Co. KG: Neues Betriebsrats-Branding

Aus den Ergebnissen einer Beschäftigtenumfrage entwickelte das Gremium ein eigenes Branding, das seither auf digitalen und analogen Medien zum Einsatz kommt.

Das Unternehmen

Die GlaxoSmithKline GmbH & Co. KG (GSK) ist ein weltweit führendes Gesundheits- und Pharmaunternehmen. In Deutschland arbeiten 3.400 Personen an fünf Standorten, davon rund 850 in Dresden. Das Gremium besteht aus 13 Betriebsratsmitgliedern, wovon zwei freigestellt sind.

Umfrage zur Betriebsratsarbeit und Kommunikation am Standort

Die damaligen Vorsitzenden des Betriebsrats von GSK in Dresden, Kerstin Löhrs und ihr Stellvertreter Peter Mißbach, haben den Stein ins Rollen gebracht. Nach der Betriebsratswahl 2018 hatte sich gezeigt, dass der Generationswechsel und die damit einhergehende neue Betriebsratsarbeit von der Belegschaft kaum gesehen wurden. Eine umfassende Befragung der Belegschaft wurde durchgeführt, um herauszufinden, wie die Arbeit des gesamten Betriebsratsgremiums wahrgenommen wird und die Kommunikation mit den Beschäftigten verbessert werden könnte. Circa 900 Mitarbeiter*innen am Standort wurden befragt und die Ergebnisse waren ernüchternd.

Da haben wir gesagt: Jetzt ist Schluss. Wir wollen auch, dass die Belegschaft weiß, was wir verändern und wir wollen auch das Feedback von unserer Belegschaft für unsere Arbeit haben. Damit wir wissen, wo wir weiter verbessern können.

Peter Mißbach, Betriebsratsvorsitzender
Abbildung  GlaxoSmithKline GmbH & Co. KG

Die fehlende Sichtbarkeit des Betriebsrats selbst stand zur Debatte: Wie erreichen wir eine hohe Wiedererkennung und erhöhen gleichzeitig das Vertrauen in die kommunizierten Inhalte?

Das Projekt nimmt Fahrt auf

In der Unternehmenskommunikation von GSK sind die Leitbegriffe Innovation, Leistung und Vertrauen bereits verankert. Mit „Vertrauen“ sollte nun auch der Betriebsrat assoziiert werden, und dafür steht die Farbe Grün im Unternehmensleitbild. Damit wurde der Einstieg in die Entwicklung für das eigene Branding gelegt. Im Werk wurden beispielsweise nun grüne Betriebsratsjacken getragen. Viele Ideen wurden in die Tat umgesetzt. Für den GSK-eigenen Kanal „GSK-Tube“ wurden kurze und prägnante Video-Clips produziert, um damit wichtige Themen – wie z. B. neue Betriebsvereinbarungen – in die Belegschaft zu kommunizieren.

Mit dem Planungswerkzeug zur Neu-Organisation

Bei den vielen Aktivitäten ging irgendwann die Übersicht verloren. Vor diesem Hintergrund überlegte sich das agile Gremium, einen Schritt zurückzutreten und wechselte von der Umsetzungsphase wieder in die Kontroll- bzw. Planungsphase. Um sich selbst und die Aktivitäten neu zu strukturieren, entwickelte der Betriebsrat ein Planungswerkzeug. Alle Kommunikationsinstrumente wurden aufgelistet und geordnet. Der Ausschuss für Öffentlichkeitsarbeit, bekannt unter dem Namen Infothek, übernahm die Koordinierung und sollte ein Auge auf alle Aktivitäten haben. So ermöglichten die rückbezüglichen Schleifen zwischen den Umsetzungs- und Kontrollphasen eine dauerhafte und etablierte Kommunikation im Unternehmen.

Gewerkschaftliche Sicht auf das Projekt

Norbert Winter ist stellvertretender Bezirksleiter bei der IG BCE Dresden-Chemnitz. Er ist unter anderem zuständig für die Bereiche PR/Öffentlichkeit sowie Neue Medien und steht in engem Kontakt mit dem Betriebsrat von GSK. Der Betriebsbetreuer war begeistert, denn er wusste genau, was der GSK-Betriebsrat alles auf die Beine gestellt hatte.

Die Chance besteht einfach dadurch, dass die Menschen in Ostdeutschland erfahren: Es geht auch anders, wenn sie mit der Gewerkschaft zusammenarbeiten. Mit der Gewerkschaft haben sie jemanden, der sie bei ihren Forderungen unterstützt. Ohne Gewerkschaften gäbe es niemanden, der die Interessen der Belegschaft in Berlin vertritt.

Norbert Winter, stellvertretender Bezirksleiter, IG BCE Bezirk Dresden-Chemnitz

Fazit: Die Mitbestimmung, die Digitalisierung und das Branding

Die Entwicklung des eigenen Betriebsrats-Brandings hat ihre Wirkung nach innen nicht verfehlt und ist ein fester und nachhaltiger Bestandteil in der Betriebsratskommunikation geworden. Die Arbeit des Betriebsrats wird nun deutlich besser und transparenter von den Beschäftigten wahrgenommen. 

Die Nominierung zum Deutschen Betriebsrätepreis 2021 war für das Betriebsratsgremium ein großer Erfolg. Das Projekt sprach sich herum und wurde weitergetragen. So wurde der GSK-Betriebsrat von anderen Gremien aus verschiedenen Branchen kontaktiert, um das Konzept vorzustellen.

Kontakt: peter.p.missbach@gsk.comnorbert.winter@igbce.de

KONE GmbH: Kommunikationsworkshop

Der Betriebsrat der KONE GmbH, Betrieb Care Team, entwickelte einen Workshop für die Belegschaft, da sich ein negatives Betriebsklima entwickelt hatte. Der Workshop, der sich um die Kernthemen Kommunikation und Zusammenhalt drehte, kam sehr gut an und machte gleichzeitig Werbung für die eigene Betriebsratstätigkeit. Das Projekt wurde beim Deutschen Betriebsräte-Preis 2018 eingereicht.

Das Unternehmen KONE GmbH

Das Kerngeschäft der KONE GmbH sind Aufzüge, Rolltreppen und Automatiktüren. KONE gehört zu den vier größten Unternehmen seiner Branche mit stolzen 60.000 Beschäftigten in 60 Ländern. Seit 1973 ist die KONE GmbH mit rund 40 Niederlassungen im Bundesgebiet zu finden.

Unzufriedenheit nach Zusammenlegung

Seit einer Zusammenlegung des Innendienstes im Jahr 2014 sind in der deutschen Zentrale in Hannover im Bereich Care Team zurzeit 265 Personen beschäftigt. Nicole Blonski ist seit 2018 Betriebsratsvorsitzende bei der KONE GmbH und erinnert sich an das damalig schlechte Betriebsklima:

Da haben wir uns überlegt, was können wir als Betriebsrat machen und sind dann auf diesen Kommunikationsworkshop gekommen und haben dann überlegt, was brauchen wir dafür? Was wollen wir vermitteln, aber auch so, dass alle Spaß daran haben?

Nicole Blonski, Betriebsratsvorsitzende
Abbildung Kone GmbH

Im KONE Care Team sind viele junge Arbeitskräfte tätig. Es besteht ein hoher Belastungsfaktor im Tagesgeschäft und auch die Einarbeitungszeit ist lang. Trotzdem gibt es einen hohen Zeitarbeiteranteil, was daran liegt, dass KONE eine Aktiengesellschaft ist und Planstellen vom Mutterkonzern freigegeben werden müssen.

Kommunikationsworkshop schafft Zusammenhalt

2017 fanden insgesamt 19 Workshops statt. Pro Workshop waren zwei Betriebsräte als Moderatoren anwesend sowie eine Führungskraft für die Geschäftsleitung. Die jeweiligen Workshop-Gruppen wurden aus Beschäftigten unterschiedlicher Bereiche zusammengesetzt. Im ersten Teil des Tagesworkshops wurden das Kennenlernspiel „Andersartigkeit“ durchgeführt und anschließend Fragen gestellt: Wie geht’s euch jetzt? Was nehmt ihr mit? Was braucht ihr nun? Weiter ging es mit dem Vier-Ohren-Modell aus der Kommunikationspsychologie. Gemeinsam wurde überlegt, wie die eigene Ist-Situation im Unternehmen aussieht, die Gedanken wurden gesammelt und auf Flipcharts festgehalten.

Kommunikationsplakate mit Kernbotschaften für das Unternehmen

Im letzten Teil des Workshops ging es um den Soll-Zustand für ein kommunikatives Miteinander im Unternehmen. Das Highlight jedes Workshops war die Erstellung eines gemeinsamen Plakates mit einer eigenen Kernbotschaft. Im Laufe des Jahres sind 19 Plakate erarbeitet worden, bei denen es um die Verbesserung der Kommunikation, gutes Arbeitsklima, das Wir-Gefühl, Zusammenhalt und Respekt ging. Die gestalteten Plakate wurden dann im Unternehmen ausgehängt.

BR-Projekt leitete auch Umdenken beim Arbeitgeber ein

Zum Zeitpunkt der Workshops hatte die Geschäftsleitung noch kein Feingefühl für die problematische Stimmung in der Belegschaft. Mittlerweile wird mehr Wert auf das Teamgefühl im Unternehmen gelegt. Dass das die Produktivität steigert, hatte sich auch im Management herumgesprochen. Der Betriebsrat ist sich sicher, dass die Workshops den Stein ins Rollen gebracht haben, seitens der Geschäftsleitung mehr auf die Stimmung und den Zusammenhalt zu achten.

Fazit

Die Workshops des Betriebsrats haben ihr Ziel erreicht, unter den Beschäftigten haben sich Verhaltensregeln etabliert, die sie selbst entwickelt haben. Die Entwicklung des Kommunikationsworkshops war für das damals junge Gremium eine große Herausforderung. Das Projekt mit allen damit verbundenen Lernprozessen geschultert zu haben, ist für das Gremium noch heute ein großer Erfolg.

Statement IG Metall

Ingo Arlt ist Betriebsbetreuer bei der IG Metall. Er ordnet das Projekt als beachtenswerte Leistung des noch jungen Betriebsrates ein:

Dass der Betriebsrat in der damaligen Situation – sozusagen weitgehend aus eigener Kraft – das Workshop-Konzept konzipierte, durch- und auch umsetzen konnte, war ein ganz wichtiger Schritt, sich gemeinsam als Beschäftigte von KONE Care zu identifizieren. Für die Zukunft wäre dem Unternehmen dringend zu wünschen und anzuraten, diesen Weg fortzusetzen, indem der hohe Einsatz von Leiharbeit deutlich zugunsten eigener Beschäftigung reduziert wird.

Ingo Arlt, Gewerkschaftssekretär, IG Metall Hannover

Malzers Backstube & Scherpel Brot GmbH & Co. KG: Mitarbeiterzeitschrift "Ansichtssache"

Mit Öffentlichkeitsarbeit die Beschäftigten erreichen

Eine neue Mitarbeiterzeitschrift mit dem Titel „Ansichtssache“ wurde vom Betriebsrat für rund 140 Malzers Bäckereifilialen im Ruhrgebiet herausgebracht, um die Beschäftigten und auch die vielen Teilzeitkräfte besser erreichen zu können. 

Das Unternehmen Malzers Backstuben

Die Großbäckerei Malzers Backstube & Scherpel Brot GmbH & Co. KG ist ein alteingesessenes Familienunternehmen aus Gelsenkirchen mit Filialen im gesamten Ruhrgebiet und rund 2.800 Arbeitskräften. Es gibt aktuell einen 21-köpfigen Betriebsrat, davon sind fünf Mitglieder freigestellt.

Betriebsratsbesuche in der Filiale

Möchte der Betriebsrat einen Termin vor Ort für ein Beratungsgespräch wahrnehmen, ist das in einem Filialbetrieb kompliziert, denn der laufende Betrieb soll nicht gestört werden. Da die Zeit meist nur zur individuellen Beratung reicht, sollten die Beschäftigten durch eine Zeitschrift besser über die Betriebsratsarbeit informiert werden. 

Anschubfinanzierung und erste Ausgabe

Für die Erstellung der ersten Ausgabe musste eine Finanzierung her:

Wir sind dann auf unsere Gewerkschaft, die NGG, zugegangen und haben gesagt, wir wollen eine eigene Zeitung unter dem Namen ‚Ansichtssache‘ herausbringen, wie findet ihr die Idee? Unser damaliger Gewerkschaftssekretär war Feuer und Flamme und hat uns da auch großzügig unterstützt.

Ruth Gros, Betriebsratsvorsitzende

Martin Mura ist Geschäftsführer bei der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) Region Ruhrgebiet und Unternehmensbetreuer. Er ist davon überzeugt, dass Öffentlichkeitsarbeit und die Möglichkeit, sich zu zeigen, für Betriebsräte wichtig sind.

Wir wissen das von unserer Gewerkschaftsarbeit, die muss erlebbar, erfassbar sein, wir müssen auch vor Ort präsent sein und deswegen haben wir die Zeitung auch gerne unterstützt, weil dasselbe auch für den Betriebsrat gilt.

Martin Mura, Geschäftsführer, Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) Region Ruhrgebiet
Abbildung Malzers Backstuben

Die „Ansichtssache“ kam in den Filialen gut an. Auf den vier eng beschriebenen Seiten wurden wichtige und aktuelle Themen behandelt. Das konnten der Arbeitsschutz, die Altersvorsorge, die Betriebsratswahl oder Tarifverträge sein. Dazu kamen Zusatzthemen wie die Einsatzplanung, Berufsbekleidung oder Suchtproblematik. Über die Betriebsratsarbeit und Betriebsvereinbarungen wurde berichtet. Nach anfänglich vierteljährlichem Erscheinen lag bald monatlich eine neue Ausgabe aus, dann finanziert durch den Arbeitgeber.

Öffentlichkeitsarbeit als ständiger Weiterentwicklungsprozess

Der Betriebsrat erkannte, dass seine Öffentlichkeitsarbeit durch die Herausgabe der Betriebsratszeitung zwischen 2008 und 2012 in der Branche eine Vorreiterrolle einnahm. Doch im Jahr 2012 beschloss das Gremium in Rücksprache mit der Geschäftsführung, die „Ansichtssache“ aus verschiedenen Gründen einzustellen. Zum einen hatte die Geschäftsführung eine eigene Betriebszeitschrift herausgebracht, zum anderen kamen immer mehr Rundschreiben hinzu. Trotzdem war die Vielfalt der Themen der „Ansichtssache“ aus den vergangenen Jahren ein umfangreicher Fundus für neue Ideen. So wurde Öffentlichkeitsarbeit ein fester Tagesordnungspunkt in den Sitzungen des Betriebsratsgremiums. Beispielsweise werden in Gemeinschaftsräumen der Filialen magnetische Info-Boards aufgehängt. Oder am Tag der offenen Tür unter dem Motto „Ein geschenkter Tag mit dem Betriebsrat!“: Dann wird aus vielen Bereichen wie den Krankenkassen, der Altersvorsorge und Rentenversicherung sowie der Gewerkschaft informiert. Zudem verfügt der Betriebsrat über ein eigenes Corporate Design, vom Briefpapier bis zu passenden Betriebsratswesten.

Trotz Corona und Digitalisierung nah am Menschen

Die Pandemie hat dazu beigetragen, dass der Betriebsrat digitaler geworden ist. Unter Coronabedingungen war es sehr schwierig, auf die Betriebsratsarbeit aufmerksam zu machen. Deshalb war es umso wertvoller, dass der Betriebsrat schon langjährige Erfahrungen mit Öffentlichkeitsarbeit hatte und darauf zurückgreifen konnte.

Fazit: Ideen entwickeln, verfolgen und dafür kämpfen

Öffentlichkeitsarbeit steht beim Betriebsrat von Malzers sehr hoch im Kurs. So war es nur folgerichtig, die Betriebsratszeitschrift „Ansichtssache“ 2011 beim Deutschen Betriebsratspreis in den Wettbewerb zu geben. Auch wenn es damit nicht zu einer Nominierung reichte, ist seither Öffentlichkeitsarbeit im Betriebsrat bei Malzers fest verankert. Gerade zum Thema Öffentlichkeitsarbeit sollten auch andere Perspektiven und außerbetriebliche Akteure miteinbezogen werden, wie die Gewerkschaften.

Kontakt: r.gros@malzers.demartin.mura@ngg.net
 

W&W Informatik GmbH: Professio­nalisierung des Betriebsrats

Digitalisierung/Transparenz/mehr Interaktion

Nach der Betriebsratswahl 2018 wurde die eigene Öffentlichkeitsarbeit Schritt für Schritt auf neue Medien und digitale Tools transformiert. Damit bewarb sich der Betriebsrat 2021 um den Deutschen Betriebsrätepreis unter dem Titel „Professionalisierung des Betriebsrats: Digitalisierung/Transparenz/mehr Interaktion“.

Das Unternehmen W&W Informatik GmbH

Die W&W Informatik GmbH entstand nach der Fusion der Wüstenrot-Gruppe mit der Württembergischen Gruppe zur W&W-Gruppe im Jahr 2002. Die W&W-Gruppe hat ihren Hauptsitz im baden-württembergischen Kornwestheim. Die W&W Informatik GmbH ist für die gesamte IT-Infrastruktur der W&W-Gruppe verantwortlich. Rund 1.000 IT-Arbeitskräfte werden von einem 13-köpfigen Betriebsrat mit drei Freistellungen vertreten.

Ausgangssituation: Wahl junger Betriebsräte

Vom Betriebsrat der W&W Informatik wurde bereits seit 18 Jahren eine Mitarbeiterzeitschrift herausgebracht, die „BReIT-Seite" („BetriebsRat der IT“). Ute Kinzinger ist Betriebsrätin seit den 80er-Jahren und Betriebsratsvorsitzende seit Gründung der W&W Informatik GmbH. Mit der Betriebsratswahl 2018 standen nun jüngere Kandidat*innen zur Wahl. 

Die jungen Kolleginnen und Kollegen sind bei der Wahl als die jungen Wilden angetreten und haben dann natürlich manches in der BR-Arbeit infrage gestellt, was wir seither intern und extern gemacht haben. So auch unsere Kommunikation – im Betriebsratsgremium wie auch in der Betriebsöffentlichkeit.

Ute Kinzinger, Betriebsratsvorsitzende
Abbildung W & W Informatik GmbH

Generationswechsel führt zu mehr Digitalität

Mit der Betriebsratswahl 2018 kam Bewegung in die digitale Betriebsratsarbeit. Die jungen IT-ler kannten sich gut mit dem konzernweit bereits verbreiteten „Confluence“ aus. Das Tool ist vergleichbar mit Microsoft Teams, Notion oder Asana. Der gesamte Betriebsratsauftritt im Intranet wurde nach Confluence überspielt und übersichtlich gegliedert. Im internen Bereich können Protokolle erstellt oder geplante Themen mit internen Unterlagen für z. B. kommende BR-Sitzungen eingestellt werden. Im öffentlichen Bereich stellen sich die Betriebsräte vor, Strukturen der BR-Arbeit und die Ausschüsse werden ausführlich beschrieben.

Mehr Interaktion durch Blogs und digitale BR-Zeitung

Neu war nun der komfortable Betriebsrats-Blog, mit dem Kurznachrichten aus der Betriebsratsarbeit abgesetzt werden können. Mit der Möglichkeit, über Blogs zu informieren, wird die Betriebsratszeitschrift BReIT-Seite nicht mehr so oft herausgebracht wie in früheren Jahren.

Gewerkschaftliche Sicht und Transparenz

Zwar wurde das Projekt zur Professionalisierung des Betriebsrats nicht von der Gewerkschaft begleitet, aber Unternehmensbetreuerin Petra Sadowski von ver.di. unterstützt es vollkommen. Die seit 2016 hauptamtliche Gewerkschaftssekretärin kommt sogar ursprünglich vom W&W-Konzern.

Ich finde das total klasse mit diesen Blogs, dass ich auch außerhalb von den Betriebsversammlungen eine Reaktion einholen kann und dann sehe ich auch, wie interessiert sind die Leute.

Petra Sadowski, Gewerkschaftssekretärin, ver.di Bezirk Stuttgart

Einhergehend mit der Öffentlichkeitsarbeit wurden weitere Prozesse der Betriebsratsarbeit optimiert. Statistiken des Betriebsausschusses über z. B. Mehrarbeitsanträge, Rufbereitschaft und Einstellungen werden nun direkt in Confluence eingefügt und professionelle Auswertungen sind so komfortabler. Auch Protokolle der Betriebsratssitzungen werden nun mit dem digitalen Teamarbeits-Tool erstellt und BR-intern veröffentlicht. Anmerkungen werden direkt gepostet. Mit dem Protokoll werden Aufgaben und Verantwortlichkeiten festgelegt und mit Personen verknüpft. Die gesamte Betriebsratsarbeit erhielt dadurch eine höhere Transparenz und Nachvollziehbarkeit.

Das ist auch das, wozu wir uns committet haben, wir wollen natürlich auch gegenüber uns intern transparent sein, nur so können wir in gewissem Maße transparent gegenüber der Belegschaft sein.

Stefan Kamenik, erster stellvertretender Betriebsratsvorsitzender

Fazit: Professionalität in der Betriebsratsarbeit 

Der Leistungsdruck steigt immer weiter an, auch in der Betriebsratsarbeit. Daher darf ein aufgeschlossener Betriebsrat nie die Bereitschaft verlieren, sich helfen zu lassen. Mit dem Generationswechsel zeigten die „alten Hasen“ im W&W-Informatik-Betriebsrat Mut, dem Rat der jüngeren Kolleg*innen zu vertrauen und neue, digitale Wege zu gehen. Was zu Beginn beschwerlich erschien, stellte sich später im laufenden Betrieb als Arbeitserleichterung heraus. 

Stillstand ist immer ein gewisser Rückschritt. Man muss Veränderungen wagen und Veränderungen wollen.

Stefan Kamenik, erster stellvertretender Betriebsratsvorsitzender

Noch mehr "Gute Praxis"

Es gibt viele gute betriebliche Lösungen zu aktuellen Problemen – entwickelt von und mit Betriebsräten. Wir zeigen einige und liefern Erfahrungen mit, wie neue Ideen verhandelt und kreativ umgesetzt wurden. Unsere Praxisbeispiele können Euch und Eurer Betriebsratsarbeit als Inspiration dienen. Bisher erschienen sind die folgenden Module: