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Mitbestimmungsreport Nr. 57 (mit Video & Poster)

Mitbestimmte Unternehmen haben häufiger die erfolgreichere Unternehmensstrategie

Es bestätigt sich: Unternehmen mit einer starken Mitbestimmung verfolgen öfter eine innovations- und forschungsorientierte Unternehmensstrategie. Sie weisen häufig bessere wirtschaftliche Ergebnisse aus.

Illustration Unternehmensstrategie

Seit jeher beschäftigten sich Forscher und Praktiker mit der Kernfrage, welche Unternehmensstrategien zum bestmöglichen wirtschaftlichen Erfolg im Wettbewerb führen. Diese Frage ist auch für die Mitbestimmung von großer Bedeutung, schließlich ist wirtschaftlicher Erfolg ein wesentlicher Garant für Standort- und Beschäftigtenperspektive.

Doch nicht nur dies: Viel bedeutender ist aus Mitbestimmungsperspektive, dass die strategische Ausrichtung einen starken Einfluss auf die Organisationsstrukturen und Wertschöpfungsprozesse der Unternehmen haben. So basiert beispielsweise die Kostenführerstrategie prinzipiell darauf, dass Wertschöpfungsprozesse im Unternehmen besonders kostengünstig sein müssen. Der Fokus liegt oftmals auf einer kostensparenden Produktion, geringen Verwaltungskosten und niedrigen F&E-Ausgaben. Wenn Unternehmen diese Strategie verfolgen, dann beruht ihre Wettbewerbsfähigkeit darauf, ihre Produkte und Dienstleistungen günstiger als die Konkurrenz anbieten zu können.

Entscheiden sich Unternehmen dagegen für eine Differenzierungsstrategie, liegen die Schwerpunkte hingegen in forschungsbasierter Innovation und einer Wertschöpfung mit hohen Qualitätsansprüchen. Man kann hier auch von einer qualitäts- und innovationsgetriebenen Unternehmensstrategie sprechen. Ein Wettbewerbsvorteil entsteht dann, wenn es dem Unternehmen gelingt, sich durch hochwertige Produkte und Dienstleistungen zu differenzieren und dies auch von den Kunden wahrgenommen wird. Diese Strategie basiert auf der Arbeit von hochqualifizierten Beschäftigten.

Differenzierungsstrategien und Mischstrategien setzen sich in börsennotierten Unternehmen durch

Wissenschaftler des Wissenschaftszentrum Berlins und der Universität Duisburg-Essen haben in einer aktuellen Studie untersucht, welche Unternehmensstrategien in börsennotierten Unternehmen im Zeitraum 2006-2017 verfolgt wurden. Darüber hinaus haben die Forscher analysiert, welche strategische Stoßrichtung zu einem besseren wirtschaftlichen Erfolg führt, und ob es einen Zusammenhang zur Mitbestimmungsstärke in den jeweiligen Unternehmen gibt.

Cover Mitbestimmungsreport 57

Sebastian Campagna, Marc Eulerich, Benjamin Fligge, Robert Scholz und Sigurt Vitols (2020): Entwicklung der Wettbewerbsstrategien in deutschen börsennotierten Unternehmen

Der Einfluss der Mitbestimmung auf die strategische Ausrichtung und deren Performanz

Mitbestimmungsreport Nr. 57

2020, ISSN: 2364-0413. 20 Seiten

Ansprechpartner: Sebastian Campagna

Bei den Strategietypen sind sie einer in der Wissenschaft gängigen Typisierung gefolgt: Dabei unterscheiden die Forscher zwischen

  • Kostenführerstrategie,
  • Differenzierungsstrategie,
  • Mischstrategie (Kombination aus Kostenführer-/Differenzierungsstrategie) sowie
  • keiner prägenden bzw. „dominanten“ Strategie.

Ihre Ergebnisse zeigen: Im Untersuchungszeitraum verlor die Kostenführerstrategie spürbar an Bedeutung im Vergleich zu einer Unternehmensstrategie, die auf Innovationen und Qualität setzt. Die meisten börsennotierten Unternehmen verfolgen entweder eine Differenzierungs- oder eine Mischstrategie. Interessant ist, dass weiterhin viele Unternehmen keine eindeutige bzw. dominante Strategie verfolgen (wenngleich ihr Anteil in den vergangenen Jahren gesunken ist).

Abb. Entwicklung der Strategietypen

Es liegt auf der Hand, dass insbesondere aus Mitbestimmungsperspektive qualitäts- und innovationsgetriebene Unternehmensstrategien zu bevorzugen sind, da sie den Beschäftigten die nachhaltigere Perspektive bieten. Die Studie zeigt: Unternehmen, in denen die Mitbestimmung stark verankert ist, setzen häufiger auf diese Unternehmensstrategie als nicht bzw. weniger mitbestimmte Unternehmen.

Bei stark mitbestimmten Unternehmen in unserem Sample liegt die Wahrscheinlichkeit bei ca. 25 %, dass eine Differenzierungsstrategie gewählt wird. Bei nicht mitbestimmten Unternehmen liegt sie bei 12 %.

Mitbestimmungsreport Nr. 57

Stark mitbestimmte Unternehmen sind auch häufig die besseren Performer

Schon 2019 zeigte die vielbeachtete sog. „Rapp/Wolff-Studie“ zur Rolle der Unternehmensmitbestimmung während der Finanzkrise unmissverständlich: Mitbestimmung ist nicht etwa ein Hemmschuh für wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen, sondern vielmehr ein zentraler institutioneller Pfeiler zur Bewältigung von Krisen. Die eindeutigen Befunde der Studie zeigten einmal mehr, dass Vorurteile und negative Aussagen gegenüber der Mitbestimmung keine empirische Basis haben.

Die Forscher vom Wissenschaftszentrum Berlin und der Universität Duisburg-Essen konnten in ihrer Studie zeigen, dass Mitbestimmung auf die wirtschaftlichen Kennzahlen Ebit-Marge, Return on Asset und Cashflow pro Aktie bis auf eine Ausnahme (siehe Tabelle „Performancekennzahlen“) keinen negativen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung der Unternehmen hat. Meistens hat sie sogar einen positiven Einfluss. Bei der für Anteilseigner interessanten Kennzahl Cashflow pro Aktie wird dies besonders deutlich.

Im Ergebnis zeigt sich, dass die Mitbestimmung nicht nur ein gutes Kriseninstrument ist, sondern sie in den meisten Fällen, wo sie stark ausgeprägt ist, auch einen positiven Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg hat.

Abb. Performanzkennzahlen

Mitbestimmung ist ein Erfolgsmodell – auch für die Zukunft

Somit belegt diese Untersuchung eindrucksvoll, dass in Deutschland Firmen mit innovativen und qualitativ hochwertigen Produkten und Dienstleistungen besser fahren als Firmen, die primär auf die Kosten schauen.

Unternehmen befinden sich gegenwärtig in einer Phase bedeutender Transformationsprozesse, die sie vor große unternehmensstrategische Herausforderungen stellen. Mitbestimmung ist hier nicht nur ein Garant für Standort­ und Beschäftigungssicherheit. Sie ist auch ein bedeutender Faktor für wirtschaftliche Stabilität und Prosperität – nicht nur in Krisenzeiten.

Das Ringen um die angemessenen Unternehmensstrategien in den Unternehmen ist mit Mitbestimmung wirtschaftlich sehr erfolgsversprechend. Strategische Debatten zu den zentralen Herausforderungen der Zukunft gehören deshalb in den mitbestimmten Aufsichtsrat. Davon profitieren nicht nur die Beschäftigten, sondern auch die Anteilseigner, wie diese Studie zeigt.

Interview mit Marc Eulerich und Sigurt Vitols

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