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Kolumne

Arbeitnehmer*innen weltweit … schmeißen hin?

In den USA kündigt eine Rekordzahl von Beschäftigten. Spricht das für eine neue Arbeitnehmermacht? Oder nehmen sie nur eine Auszeit von der Wirklichkeit?

Unter den Beschäftigten in den USA ist ein seltsames Phänomen zu beobachten. Und es gibt Anzeichen, dass es sich auch in Europa und Deutschland ausbreiten könnte. Arbeitsmarktbeobachter verwundert in dieser Zeit pandemiebedingter Verwerfungen nichts mehr. Aber dieses Phänomen können sich die Experten nicht erklären.

In letzter Zeit verzeichnen die USA eine Rekordzahl freiwilliger Kündigungen bei Beschäftigten in allen Altersklassen und Berufen. Im April 2021 vermeldete die Stelle für Arbeitsmarktstatistiken einen starken Anstieg von Arbeitnehmern, die ihren Arbeitsplatz aufgeben: Knapp vier Millionen Menschen kündigten von sich aus. Im Juli waren es noch mehr und im August erreichte die Kündigungszahl einen weiteren Rekord. Allein im August kündigten fast 7% der Beschäftigten im „HoReCa-Sektor“, womit innerhalb eines einzigen Monats jede(r) Vierzehnte, der/die an einer Hotelrezeption, als Bedienung im Restaurant oder in einer Bar arbeitet, seine Arbeit aufgab. Die USA werden 2021 vermutlich die größte Anzahl freiwilliger Kündigungen aller Zeiten verbuchen.

Bereits vor der „Great Resignation“ (Anm. der Übers.: „resignation“ bedeutet im Englischen sowohl „Kündigung“ wie auch „Resignation“), wie die Kündigungswelle genannt wird, war die Beschäftigung infolge massenhafter pandemiebedingter Entlassungen rückläufig, vor allem in schlechtbezahlten Berufen. Die Beschäftigung im Pflegesektor sank gegenüber Vorpandemiezeiten um 15,2%, in der Kinderbetreuung um 10,4%, im Zeitarbeitssektor um 8,7% und im Gaststättengewerbe um 7,6%. Im Vergleich dazu ist die Gesamtbeschäftigung im privaten Sektor um „nur“ 3,0% zurückgegangen, was trotzdem fünf Millionen Arbeitsplätze weniger als vor der Pandemie bedeutet.

Normalerweise ist die freiwillige Kündigungsquote nicht so hoch. Von Dezember 2000 bis zum Ausbruch der COVID-19-Pandemie 2020 überstieg die Quote in den USA nie 2,4% der Gesamterwerbsbevölkerung. In Phasen hoher Arbeitslosigkeit sinken die Kündigungsquoten tendenziell, da die Menschen weniger Beschäftigungschancen für sich sehen. Während der Weltwirtschaftskrise von 2008-2009 fiel die Kündigungsquote in den USA von 2,0% auf 1,3%. In der COVID-19-Pandemie zeigte sich angesichts einer sprungartigen Zunahme der Entlassungen anfänglich das gleiche Muster und die Kündigungsquote erreichte mit 1,6% ihren niedrigsten Stand in sieben Jahren.
 

Die Frage, die alle zu beantworten versuchen: Warum diese große Kündigungswelle?

Aber in dem Maße, wie die Impfquote stieg und die Wirtschaft wieder anlief, wurde berufs- und branchenübergreifend erneut eingestellt und die Konsumentennachfrage zog an. Die Arbeitslosenquote sank deutlich vom Höchststand von 14,8% während der Pandemie auf derzeit 4,6%. Arbeitskräftemangel und unbesetzte Stellen sind allgegenwärtig, doch anstatt den Arbeitsplatz auf der Suche nach höheren Löhnen oder besseren Arbeitsbedingungen zu wechseln, kündigen viele einfach ihren Job. Einige haben den Arbeitsmarkt sogar ganz verlassen. Die Frage, die alle zu beantworten versuchen, ist: Warum diese große Kündigungswelle?

Die Experten sind sich größtenteils uneins, aber es kursieren viele Theorien. In gewissem Umfang hängt die Antwort vom Beruf ab, denn Geringverdiener haben andere Gründe als hochbezahlte technische Fachkräfte im Silicon Valley.

  1. Überbrückungshilfen durch Bund und Bundesstaaten während der Pandemie. Die meisten Menschen in den USA haben in einem kurzen Experiment mit einem inoffiziellen „garantierten Grundeinkommen“ mehrere pandemiebedingte Konjunkturförderschecks und höhere Arbeitslosenleistungen erhalten oder Mietkündigungsschutz (Privatwohnungen und Gewerbeimmobilien) und die Stundung von Studentendarlehen in Anspruch nehmen können. So hatten viele Menschen, insbesondere mit geringerem Einkommen, plötzlich ihr eigenes privates Sicherheitsnetz und mehr Freiheit, nicht an den verhassten Arbeitsplatz zurückkehren zu müssen.
  2. Übertragbarkeit von Krankenversicherungen. Mit dem Gesetz über „erschwingliche Gesundheits- und Pflegeleistungen“ (Affordable Care Act), besser bekannt als Obamacare, bekamen Millionen Menschen Zugang zu übertragbarem Krankenversicherungsschutz, selbst Erwerbslose. So sinkt die Anzahl von Beschäftigten, die in ihrem Arbeitsplatz „gefangen sind“ – aus Angst, mit einem Arbeitsplatzwechsel ihre Krankenversicherung zu verlieren.
  3. COVID-bedingte Krankenstände. Im September 2021 sagten 1,6 Millionen Menschen – etwas mehr als 1,0 Prozent der Erwerbsbevölkerung, davon 960.000 Frauen –, dass sie zu dem Zeitpunkt nicht erwerbstätig oder arbeitssuchend waren, weil sie entweder jemanden versorgten, der erkrankt war, selbst erkrankt waren oder Angst hatten, vorerkrankte oder ältere Familienangehörige mit COVID-19 anzustecken. Andere mussten Kinder betreuen, deren Schulen geschlossen waren. Die Pandemie hat offenbart, dass Frauen bei den Pflege- und Betreuungsaufgaben eine unverhältnismäßige Last schultern.
  4. Steigende Entgelte, Sparquoten und Aktienkurse. Der akute Arbeitskräftemangel hat viele Arbeitgeber gezwungen, höhere Löhne und Gehälter zu zahlen, insbesondere bei Geringverdienern und systemrelevanten Beschäftigten. So verzeichnen Löhne und Gehälter den steilsten Anstieg seit der Weltwirtschaftskrise. In den letzten sechs Monaten sind die Löhne von Beschäftigten im Freizeit- und Bewirtungssektor um 18% (auf das Jahr gerechnet) gestiegen und liegen nun deutlich über dem Trend vor der Pandemie. In den letzten zwölf Monaten sind die Stundenlöhne aller Beschäftigten im Privatsektor im Schnitt um 4,9% gestiegen. Gleichzeitig fühlen sich die Besserverdiener durch die steigenden Kurse ihrer Aktiendepots und ihre gutbestückten Bankkonten bestärkt. Mit höheren Löhnen und Pandemiehilfen erlebten die Amerikaner, die mehr zu Hause waren, einen beispiellosen Anstieg ihrer Sparquote, die nahezu doppelt so hoch war wie vor der Pandemie.
  5. Erschöpfung der Erwerbsbevölkerung. Die USA sind als „urlaubsfreies Land“ bekannt, da die Urlaubsansprüche deutlich geringer sind als in anderen hochentwickelten Ländern wie Deutschland. Ein aktueller Bericht zu „Frauen am Arbeitsplatz“ der Beratungsfirma McKinsey & Co. fand heraus, dass „Frauen sogar noch ausgebrannter sind als vor einem Jahr und sich die Kluft zwischen Frauen und Männern bei der Burnout-Häufigkeit fast verdoppelt hat”, denn 42% der Frauen sagten, dass sie sich ausgebrannt fühlten. Aber einige haben die flexibleren Arbeitszeiten genutzt, um mehr Zeit mit ihren Familien zu verbringen. Trotz steigender Impfquoten und einem sich erholenden Arbeitsmarkt haben sie es nicht eilig, zu ihren lausigen Arbeitsplätzen aus Vorpandemiezeiten zurückzukehren, da sie versuchen, eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben zu erreichen.

Zusammen haben diese Faktoren bewirkt, dass mehr Beschäftigte den Eindruck haben, sie können einen Neuanfang wagen und ihren Job hinschmeißen, insbesondere wo allerorts Stellenanzeigen zu lesen sind.

Die Macht der Arbeitnehmer wächst – oder ist das eine Illusion?

Einige Verfechter von Arbeitnehmerrechten deuten diese Trends als Zeichen, dass der arbeitende Teil der Bevölkerung nach jahrzehntelanger Lohnstagnation und einer Aushöhlung des Arbeitsrechts endlich wieder an Einfluss gewinnt. Der ehemalige US-amerikanische Arbeitsminister Robert Reich frohlockte: „Erstmals in Jahrzehnten erheben sich die amerikanischen Arbeitnehmer*innen und fordern bessere Löhne und Arbeitsbedingungen“, was ihnen mehr Verhandlungsgewicht gebe. Er ging sogar so weit, von einem „inoffiziellen Generalstreik” zu sprechen. Angesichts des akuten Arbeitskräftemangels in einigen Sektoren finden Arbeitnehmer leichter neue Arbeit, sei es in Technologiekonzernen, Restaurants oder Speditionen. Dank der Pandemie sind außerdem viele neue Arbeitsplätze entstanden, die mobiles Arbeiten ermöglichen, und die Unternehmen nehmen zu, die bereit sind, Arbeitskräfte fernab der großen Küstenstädte einzustellen, was noch mehr Chancen eröffnet.

Vielleicht hat Reich also gar nicht so unrecht. Es gibt aber auch Anzeichen dafür, dass alles nur eine große Illusion sein könnte, die einem statistischen Effekt zuzuschreiben ist. So ging zum Beispiel während der Pandemie die Gesamtanzahl der jährlichen Kündigungen um etwa 500.000 zurück, was nahelegt, dass viele Menschen an einem ihnen verhassten Arbeitsplatz festhielten und nicht kündigten – aus Angst, keine neue Arbeit zu finden. Holen Sie das Versäumte jetzt nach und schmeißen reihenweise hin, und werden sich die Zahlen langfristig wieder einpendeln? Rechnet man außerdem die 1,6 Millionen Menschen, die derzeit infolge von COVID-19 nicht Teil der Erwerbsbevölkerung sind (siehe Absatz 3 oben) ein, fiele die Verminderung der Arbeitsmarktbeteiligung seit Ausbruch der Pandemie um mehr als ein Drittel geringer aus.

Es ist möglich, dass viele Arbeitnehmer fälschlicherweise ein Gefühl größerer Chancen vermittelt bekommen haben

Erstaunlich ist an diesem Phänomen, dass es gar nicht so viele Amerikaner*innen gibt, die es sich wirklich leisten können, ihren Arbeitsplatz zu kündigen, egal wie verhasst er ihnen ist. Aber sie tun es trotzdem Es ist möglich, dass höhere Ersparnisse und die Zahlung staatlicher Pandemiehilfen vielen Arbeitnehmern fälschlicherweise ein Gefühl größerer Chancen vermittelt haben. Nach Überwindung der schlimmsten Phase der Pandemie steigt in den USA die Zahl derjenigen, die Gelegenheitsjobs übernehmen, dramatisch (mit Ausnahme der Uber-Fahrer, von denen viele nicht zu ihren miesen Taxi-Jobs zurückgekehrt sind). Neben diesem Trend ist eine deutliche Zunahme der Telearbeitnehmer*innen zu beobachten (ich habe in einer früheren Kolumne für das Mitbestimmungsportal über diese „dezentralen Beschäftigten” berichtet). Laut dem Nachrichtenunternehmen Business Insider hat eine von Upwork (eine weltweit operierende Arbeitsvermittlungsplattform) geförderte Studie ermittelt, dass während der Pandemie 24% der Erwerbstätigen eine selbständige oder freiberufliche Tätigkeit aufgenommen haben und Gelegenheitsaufträge übernahmen. Viele davon sind Menschen, die ihren Arbeitsplatz verloren haben und zum Soloselbständigen geworden sind.

Eine beträchtliche Anzahl von Arbeitnehmer*innen scheint bereit, das Wagnis einzugehen und etwas anderes zu versuchen – eine neue Soloselbständigkeit, ein neuer Arbeitgeber, andere wählen den Frühruhestand, obwohl ihre Ersparnisse kaum ausreichen. Manch Jüngere/r hat sich von einer Handvoll Gleichaltriger inspirieren lassen, die Glück hatten und durch das Spiel mit Kryptowährungen reich geworden sind. Noch mehr geben sich Fantasien hin, dass die Selbständigkeit und Beschäftigung im grauen Markt ein ausreichendes Einkommen abwerfen könnten.

Kommt diese Einstellung Urlaub auf Pump gleich? Vielleicht.

„Vieles davon ist ein Trugbild”, sagt Adam Ozimek, Chefökonom von Upwork. Es gab schon früher Beispiele einer kurzlebigen Euphorie, wie den Hype, mit der anfangs die „Gig Economy“ beworben wurde. ‚Die Arbeit kommt zu Ihnen und Sie bestimmen über Ihre Arbeitszeiten und Ihr Einkommen‘, verkündeten die Prediger aus dem Silicon Valley. Aber in vielen Fällen ist die Freude an der Flexibilität von kurzer Dauer und wird glorifiziert. Nach einer Weile sind diese Erwerbstätigen ausgebrannt und zermürbt, weil sie im Hamsterrad von einem Auftrag zum nächsten hasten und dennoch nie wissen, wie hoch das Einkommen sein wird, mit dem sie monatlich rechnen können. Ist es möglich, dass diese Arbeitnehmer, die in der großen Kündigungswelle hingeschmissen haben, früher oder später wieder einer regulären Beschäftigung nachgehen werden, wenn ihre Ersparnisse aufgebraucht sind?

Wenn dieses Moment die Gewerkschaftsmacht nicht stärkt, wird die Wirkung vermutlich nur von kurzer Dauer sein.

Verschiedene Arbeitsmarktexperten sind dieser Meinung. Sie warnen, dass die neugewonnene Verhandlungsmacht der Arbeitnehmenden nicht von Dauer sein wird. „In dem Maße, wie sich die außerordentlichen pandemiebedingten Umstände auflösen werden, denke ich, dass auch diese Quelle von Arbeitnehmermacht versiegen wird”, sagt Heidi Shierholz, die frühere Chefökonomin im amerikanischen Arbeitsministerium der Obama-Administration. Andere Arbeitsmarktexperten meinen, dass die ‚Kündigungsflut bald einer Welle sogenannter „Boomerang-Arbeitnehmer“, wie sie sie nennen, weichen wird, die ihren alten Arbeitsplatz aus unterschiedlichen Gründen zurückhaben wollen. Ein gewichtiger Grund ist nach Ansicht von Shierholz, dass nach aktueller Gesetzeslage die Karten für die Arbeitnehmenden immer noch ungünstig sind. Arbeitnehmer- und gewerkschaftsfeindliche Gesetze, einschließlich der „Right to work“-Gesetze in 28 von 50 Bundesstaaten, sorgen weiterhin für eine deutliche Schieflage. Diese Gesetze verbieten es Gewerkschaften, in einem gewerkschaftlich organisierten Betrieb von Nichtgewerkschaftsmitgliedern Beiträge für tarifvertraglich vereinbarte Leistungen zu erheben, die sie genießen. Wenn dieses Moment die Gewerkschaftsmacht nicht stärkt und nicht zu einer höheren Tarifabdeckung führt, wird die Wirkung vermutlich nur von kurzer Dauer sein.

„Great Resignation“ auch in Europa und Deutschland?

Oft kommen Trends aus den USA mit einigen Jahren Verspätung nach Europa und Deutschland, wie bei der Einführung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse, Technologien und Sozialpolitiken. Sind die Vorboten der Kündigungswelle in Europa bereits zu spüren?

Die Frage muss man wohl bejahen – in gewissem Umfang. Im Vereinigten Königreich erreichten die Stellenanzeigen im Juli einen absoluten Höchststand, denn die Anzahl freier Stellen überstieg erstmals die Marke von einer Million. Eine Firmenumfrage zeigte, dass 46% der britischen und 42% der irischen Beschäftigen beabsichtigen, im nächsten Jahr ihre Arbeit zu kündigen, womit sich die Zahlen gegenüber 2019 verdoppeln. Politico Europe meldete, dass in den 38 Mitgliedsländern der OECD von den 20 Millionen Erwerbstätigen, die weniger gemeldet sind, 14 Millionen als ‚nicht arbeitend‘ und ‚nicht arbeitssuchend‘ gelten. Auch junge Menschen hat es unterschiedlich getroffen, wobei gegenüber 2019 weitere 3 Millionen junge Menschen nicht beschäftigt und nicht in schulischer oder beruflicher Ausbildung sind.

Die Beben der „Great Resignation“ spürt man auch in Deutschland deutlich, wo die meisten Kündigungen im Zusammenhang mit COVID-19 in Europa zu verzeichnen sind – 6% der Beschäftigten haben ihren Arbeitsplatz gekündigt. Es folgen das Vereinigte Königreich mit 4,7%, die Niederlande mit 2,9%, und Frankreich mit 2,3%. Einer Umfrage des ifo-Instituts zufolge klagt über ein Drittel aller deutschen Firmen über Fachkräftemangel.

Christoph Hardt, Mitbegründer der in Berlin ansässigen Unternehmensberatung COMATCH, erklärt, dass sich Deutschland zum Druckkessel der Nachfrage entwickelt habe – sowohl der Konsument*innen wie des Arbeitsmarkts –, weil sie 18 Monate weitgehend unterdrückt wurde. Nun stehe er kurz vor der Explosion, weil die Volkswirtschaften wieder ansprängen. Die Nachfrage steige schneller als das Arbeitskräfteangebot und führe in Deutschland zu einer Rekordzahl offener Stellen. Hardt ist aber der Meinung, dass der aktuelle Bedarf an Arbeitskräften in den nächsten Jahren in dem Maße nachlassen wird, wie mehr Menschen eingestellt werden.

Dieser Trend bedeutet, dass der Arbeitskräftemangel den Wirtschaftsaufschwung deutlich behindert.

Bas van de Haterd, ein Technologie- und Arbeitsmarktberater aus den Niederlanden, sieht zwei wesentliche Gründe, warum Europa nicht der Entwicklung in den USA folgen wird. „Eine feste Beschäftigung hat in Europa noch einen gewissen Wert, wohingegen in den USA unbefristete Verträge in der Regel wertlos sind – daher ist das Wagnis nicht so groß”, meint er. Der Unternehmensberater Wim Davidse glaubt, dass in Europa deutlich mehr Menschen wegen COVID-19 und „ZOOM-Müdigkeit“ kündigen werden als sonst, „aber nicht in der Größenordnung wie in den USA“. Eine Kündigungsflut wie in den USA, so Davidse, „wäre sehr untypisch für Europa”. Da außerdem in vielen EU-Mitgliedstaaten Einrichtungen zur Unterstützung von Familien, wie Tagesbetreuung und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, verbreiteter sind als in den USA, sind Frauen in der EU durch ihre Pflege- und Betreuungsaufgaben in ihren Beschäftigungsmöglichkeiten weniger eingeschränkt.

Dieser Trend bedeutet, dass der Arbeitskräftemangel den Wirtschaftsaufschwung deutlich behindert. Derzeit sind viele Arbeitnehmer*innen wählerischer und hoffen auf höhere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen, insbesondere flexible Arbeitszeiten. Aber wie lange können sie durchhalten und ihr Erspartes aufbrauchen, während sie auf den Traumjob warten? Ein alter Kampfspruch der Gewerkschaften hieß: „Einen Tag länger als der Chef.“

Dennoch könnte es sein, dass sich das Blatt bereits wendet, insbesondere für Frauen. Die jüngsten Beschäftigungszahlen aus den USA zeigen einige deutliche Zuwächse bei neuen Arbeitsplätzen, die zu fast 57% an Frauen gehen. Wie auch andere Aspekte der Wirtschaft in Pandemiezeiten werden auch die Arbeitsmärkte auf absehbare Zeit weiter im Fluss bleiben.